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Vor zwei Wochen hatten wir im Gölsental noch schöne Herbstfarben – golden allerdings nur die Lärchen, aber vor dem schon aufgeblühten Duft-Schneeball in tollem Orange die “durchgewachsene” Unterlage unseres Japanischen Ahorns. Inzwischen verlieren sich die Farben, im Gegensatz zu den Winterblüten samt den Perlen nächtlicher Regentropfen.

Vom Sengenebenberg und von den Wiesen in Höhe von Tarschberg und Staff schaut seit ein paar Tagen schon Schnee herunter, obwohl der angekündigte starke Wintereinbruch im Gölsental noch ausgeblieben ist. Aber vielleicht ist doch hoch oben schon alles verschneit und womöglich mit Raureif überzogen?

Der Wetterbericht versprach für heute (Montag, 27. November) einzelne Aufhellungen, also über Annaberg hinein ins Gebirge! Ötscher und Gemeindealpe sind aber noch völlig zugehüllt, erst am Zellerrain gibt es Hoffnung auf einzelne Wolkenlücken. Ich starte also Richtung Höchbauer (Hechtbauer) bzw. Eisernem Herrgott (Auf der Brach) mit dem Ziel Breimauer. Zunächst geht es die ein paar Zentimeter verschneite Forststraße entlang, und immerhin sind die Zellerhüte auszunehmen.

Riesenfichte vor der Hechtbauernwiese, so dick wie mein Bergstock lang ist!

Die Unterlage des Neuschnees ist inzwischen tiefer geworden, und als ich auf die Wiese hinausstapfe, breche ich schon weit über die Knöchel ein. Kein Problem – hätte ich die schon hergerichteten Schneeschuhe nicht zuhause liegen gelassen! So erspare ich mir den Aufstieg und die Querung zur Brunnsteinalm, denn über den Kamm ziehen immer noch dichte Wolken daher, es schneit immer wieder ein bisschen trotz vereinzelter (eher ganz seltener) Wolkenlöcher…

Die Wiese beim Höchbauern (als “Hechtbauer” früher als höchstes Gehöft Niederösterreichs angesehen) hat ein wunderbares Panorama – wenn die Aussicht halbwegs frei ist. Heute nicht einmal halbwegs, immerhin sieht man Schwarzkogel und Zwieselberg, aber die hohen Gipfel wie Dürrenstein und Kräuterin sind eher nur zu ahnen. Übrigens im Bild die eigenartige Steinschlichtung vor dem als Landhaus hergerichteten Gehöft – ob das der Küchengarten war? Oder ist ein kleiner Stadel einstens drauf gestanden? Näher am Passübergang hätte man sogar auf den Rest eines Wachturms schließen können… Der Bewuchs verrät auch nichts, Sedum könnte allerdings eher für Garten sprechen…

Also drehe ich um, das letzte Bild verrät warum… Eine  Runde um die Lichtung herum beschließt meine kleine “Schneeschnuppertour”. Pech gehabt, eine “meteorologische Fopperei” (wird sich erst noch bewahrheiten), hätte auch schlechter sein können, mit Nebel und Schneetreiben etwa.

So stapfe ich wieder zum Zellerrain zurück und fahre Richtung Erlaufsee – von der so schön am Hang angelegten Straße wirken die Zellerhüte in ihrer ganzen Breite zwar recht eindrucksvoll, aber höchstens als Panorama fotogen, und wo sollte man da auch stehenbleiben können? Beim Seehof vorbeifahrend, bleiben mir fast die Augen stecken – hinter der Gemeindealpe blaut der Himmel, und voller Sonnenschein umspielt den Gipfel!

Ein idealer Fotoplatz am Erlaufsee, wenn man den Brunnstein und die Gemeindealpe im Hintergrund haben will, ist genau bei der Tauchbasis am Seeende, wo man auch kurz parken kann. Also komme ich doch noch zu ein paar Schönwetterbildern, bevor ich über Mariazell und das  Gscheid diese ideale Ausflugsfahrt beschließe.

So stellt man sich eine ideale Alpenlandschaft vor, oder zumindest man wünscht es sich!

Tatsächlich aber werden die Alpen (besonders die vergletscherten) wie in Österreich auch in Italien und ebenso in allen Alpenländern für die Energiegewinnung ausgebeutet. Rücksichtslos? Das mag einmal gewesen sein, wobei ich in Italien den Reschensee mit dem darin versunkenen Dorf Reschen (die abgesiedelten Einwohner nicht einmal ordentlich entschädigt) als Negativbeispiel nennen kann. Auch rund um den Ortler gilt das, vor allem im Ultental, dessen vergletschertes Einzugsgebiet ohnehin eher unwesentlich ist und vom “Gletschersterben” wegen seiner geografischen Lage besonders betroffen wird (Seehöhe maximal 3000 m und keine großflächigen Eisgebiete, eher immer mehr im Erosionsschotter versinkende Hochlagen.

Dass uns dort ein wunderbares Naturerlebnis beschert wurde, hängt wohl am üppigst vorstellbaren “Lärchengold”, aber auch damit zusammen, dass bei der Routenwahl und bei den Fotostandpunkten immer auf Beeinträchtigungen wie Staumauern und leere Speicherbecken geachtet wurde!

AB Weißbrunnersee

Das beste Beispiel sind die vorigen Bilder vom Weißbrunnsee im obersten Ultental! In diesem urigen Gebirgstal waren wir heuer zum dritten Mal, vorher schon zur Krokuszeit auf dem Ultener Höfeweg, einer ganz netten talnahen Wanderung. Diesmal fuhren wir am 20. Oktober von St. Gertraud auf einer schmalen Bergstraße weiter bis zum großen Weißbrunnsee. Ohne diesen Stausee gäbe es wahrscheinlich keine Möglichkeit, bis zum Ausgangspunkt auf 1900 m aufzufahren, wenn auch auf einer asphaltierten und für den öffentlichen Verkehr freigegebenen ehemaligen Werksstraße. Mit Glück hat man keinen Gegenverkehr oder begegnet ihm gerade bei einer Ausweiche… Los ist hier (vor allem im Vergleich zum Sommer) überhaupt nichts, die vor Jahrzehnten mit dem Kraftwerksbau entstandenen “Hotels” sind womöglich nicht einmal in den Sommerferien belegt, trotzdem “Ausflugszielcharakter”. Mit den ersten Schritten in den Lärchenwald hinein, ist jedoch wirklich nur mehr Natur zu spüren.

Sogar das Marterl ist schon im “Winterschlaf”, und nur mehr wenige Wanderer sind unterwegs, die Jahreszeit ist einfach schon zu weit vorgeschritten, aber nur jetzt erlebt man die “goldenen Lärchen”, bevor sie mit dem ersten Schnee ihre Nadeln verlieren. Frost hat es schon gegeben, stellenweise ist sogar noch am späten Vormittag der Boden vereist. Vom aufgestauten Weißbrunnsee, dessen Wasser später talaus noch einmal in einem (jetzt herbstlich leeren) Stausee aufgefangen wird, führt eine Werksseilbahn hoch hinauf zum Grünsee. Der Wanderweg dorthin ist wegen Wintersperre der Höchster Hütte aber nicht begangen, und der Übergang übers Zufrittjoch ins Martelltal wird so spät auch nicht mehr gemacht. Unser klassisch gut ausgebauter Treibsteig wendet sich ohnehin einem näheren Ziel zu. Durch Lärchen-Zirben-Bestände geht es in gemächlichen Kehren hinauf zur Almhütte auf der Mittleren Weißbrunnalm.

Hier befinden wir uns schon in den weiten Karflächen, die oberhalb der Steilstufe vom Tal herauf sich hinzieht bis zum Anstieg der Grate und Gipfel. Im Juni 2006 sind wir ebenfalls hier heraufgewandert, allerdings bei drohenden Gewitterstimmungen, gerade noch bis zur Oberen Weißbrunnalm, wo die Passübergänge nach Rabbi im Val di Sole hinüberführen. Heute wollen wir den kleinen Fischersee aufsuchen, denn hier ist derzeit die ideale Höhe fürs “Lärchengold”, und außerdem haben wir diesen Seitenweg nicht in Erinnerung.

Über einen Hügel zum Seeufer und auf dem kurzen Steindamm weiter, wo ein extrahübscher Rundgang um den See anschließt.

Die alpine Szenerie ist perfekt, Vordergrund mit Seeufer, das die Gipfel im Hintergrund spiegelnde Wasser, dazu ein perfektes Licht – kein Wunder, dass wir vor lauter Fotomotiven schon fast überwältigt werden!

Hier unsere gemischten Bilder!

Die schönste Mittagszeit verfliegt nur so im Oktober, daher gehen wir nicht noch zur Oberen Weißbrunnalm hinauf, sondern folgen dem Zulauf des Fischersees…

AB Seezulauf - aus einer Wasserfassung, wo der Weg zur Oberen Weißbrunnalm hinaufgeht (ein verrohrter Waal eigentlich)

Vor dem Einlauf in den Fischersee haben sich dicke torfartige Ablagerungen gebildet!

Am Rand der spätherbstlich fahl färbigen Wiesen umrunden wir den Kessel der Mittleren Weißbrunnalm und zielen die alte Kaserhütte an, ununterbrochen die schönsten Ausblicke und Lärchen in allen Gestalten, allesamt goldgelb.

Auf der Bank hinter der arg zerfledderten Hütte – nur der Blockbau aus dicken Lärchenstämmen hält sich noch aufrecht – gibt es endlich die verspätete Mittagsjause, Panorama inklusive!

Im Nachmittagslicht geht es dann an den Abstieg, vorbei an der Hütte der Mittleren Weißbrunnalm und hinein in den traumhaft in den späten Sonnenstrahlen leuchtenden Lärchenwald.

Beim Weißbrunnsee angekommen, ist nur mehr spannend, wie die Talfahrt auf der schmalen Bergstraße nach St. Gertraud gelingt – alles bestens, kein Gegenverkehr! Und die Ultentalstraße kommt uns dann schon fast wie eine Autobahn vor… Immer noch ist der Tag klar und schön, wohl DER Höhepunkt dieses Herbstes!

18. Oktober 2017 – wir fahren von Proveis und Laurein kommend (den beiden hochgelegenen Bergdörfern im Deutschnonsberg) talabwärts auf den großen Stausee von San Giustina zu. Unvermittelt wechseln steile Waldhänge zu üppigen Obstterrassen, und in der Ortschaft Revo (von wo einst die Bauern ihr Vieh auf die Weiden von Proveis trieben) zweigen wir rechts ab (Richtung Madonna di Campiglio, so weit an der Südseite der Ortlergruppe sind wir schon!). Auf einer hohen Brücke wird der schluchtartige Zufluss des Noce (bedeutendster Nebenfluss der Etsch von Westen her) überquert. Leider gibt es keinen geeigneten Haltepunkt, und außerdem konzentrieren wir uns schon auf unser Ziel – die für uns unbekannte, aber hier äußerst bedeutsame Wallfahrtsstätte San Romedio.

AB Talstimmung bei Sanzeno oberhalb des Giustina-Stausees

Die Stadt CLES (früher Glöß) wird trotz einiger Sehenswürdigkeiten durchfahren, danach wieder die Noceschlucht bei der hohen Staumauer überquert. Navigation ist nun wichtig, um nicht die falsche Richtung zu erwischen – sonst würden wir auf der Autobahn nördlich von Trient landen statt über den Gampenpass zurück nach Lana zu fahren. Irgendein Glücksfall hat mich auf eine Besonderheit aufmerksam gemacht, die uns in SANZENO (eigentlich San Zeno, einem Kirchenpatron) erwartet.

So kann Anni die scharfe Abzweigung nach links erwischen, die uns auf den Vorplatz einer mächtigen Kirche bringt. Diese lassen wir aber vorläufig nur so nebenbei auf uns wirken, denn inzwischen ist schon Mittag längst vorbei, und Durst und Hunger überwiegen – also angenehme Pause auf einem Bankerl gegenüber der Basilika der hl. drei Märtyrer.

Die Geschichte dieser NONSBERG genannten Gegend am östlichen Gebirgsrand zwischen Ortler- und Brentagruppe reicht bis in die Antike (und sicher noch weit in die Frühgeschichte) zurück. So ist auf der “Tavola Clesiana” 46 n. Chr. von Kaiser Claudius den Bewohnern des Valli di Noce das Bürgerrecht verliehen. In Sanzeno gibt es überdies ein Museum über die Räter, einen Volksstamm der alpinen Ureinwohner. Zum Glück gibt es einen guten Kirchenführer (auf Deutsch), aber wie meistens (auch später in San Romedio) sollte man diesen vor Betreten des Heiligtums durchlesen, wozu aber die Zeit oft zu sehr drängt…

AB Portal und Kirchenschiff der Märtyrer-Basilika Sanzeno

Die auf romanischen Bauteilen errichtete Kirche ist ein Werk der Gotik, der Barockaltar von 1771 passt sich überraschend harmonisch in den gegenüber dem Langhaus klein wirkenden Chor ein. Uns ist das Detail mit König David aufgefallen, der seine Harfe vor einer alpinen Landschaft zu schlagen scheint…

Rechts gelangt man in die “Kapelle der Märtyrer”, Rest der ursprünglichen Kirche und ehemalige Sakristei. Darunter wurden Begräbnisstätten aus  römischer und altchristlicher Zeit entdeckt. Die “moderne” Ikone (1990) steht auf dem Sarkophag mit Erd- und verbrannten Knochenresten der Märtyrer, die im 4. Jahrhundert den (noch ungenügend bekehrten) Heiden zum Opfer fielen. Die Wände tragen wertvolle Fresken aus dem 12. Jahrhundert. Nach altem Brauch umrunden wir die Kirche mit ihrem freistehenden romanischen Turm und stoßen dabei auf die kunstvollen Reliefs, die durch die Waldschlucht bis zum Heiligtum San Romedio den Pilgerweg begleiten – der Jakobsweg ist uns schon vorher neben unserer Rastbank aufgefallen.

In der Ortsmitte von Sanzeno weisen Schilder die Zufahrt in eine enge Waldschlucht, und oberhalb der schmalen Seitenstraße verläuft in den Felswänden ein wohl überaus eindrucksvoller Steig auf der Trasse eines ehemaligen Bewässerungskanals – für diesen “Waalweg” reichte unsere Zeit nicht, so wie es uns oft geht, dass wir für einen weiteren Besuch noch immer reichlich Interessantes auf Vorrat hätten… Wir benützen das Auto daher auch bis zum Parkplatz, wo der Aufstieg zu San Romedio beginnt.

Beim Aufstieg auf dem mit Steinen gepflasterten und in steilen Stufen angelegtem Pilgerweg taucht dann unvermittelt – wie eine mehrstöckige Burg – das berühmte Nonsberger Heiligtum auf, leicht zu erkennen wie einzigartig sie auf einen hohen Felsen in der dunklen Schlucht getürmt ist und uns in der Nachmittagssonne entgegen leuchtet.

Durch das “äußere” Eingangsportal betritt man den Loggiahof des im 17. / 18. Jahrhundert großzügig angelegten Pilgerhospizes. Dort beginnen die endlos steilen, insgesamt 131 Stufen, die bis zur höchsten Spitze hinaufführen, zuerst noch am Hang eines Vorhofes, dann im Inneren des Bauwerks, das wir nun Schritt für Schritt erklimmen. Es wird hier schon ein Verhalten wie in einer Kirche erwartet – die etwa 250 000 jährlichen Besucher müssen zusätzlich auf ihr Handy verzichten (weil in der Schlucht zum Glück kein Empfang ist).

Schon beim “inneren” Torbogen befinden sich beiderseits zwei Kapellen, rechts die Georgs-Kapelle mit dem kleinen Märtyrer-Altar (siehe Sanzeno) und Fresken. Dann zieht die Stiege im Freien, an Stationen einer “Vita dolorosa” vorbei in den Hauptbau hinauf.

Motiv "Tagwache" unter "Nachtwache" am Ölberg

Das fast schwindelnd zu erklimmende Stiegenhaus ist über und über mit Votivgaben behängt – neben Ansichten von Romedius gibt es Danksagungen vor allem für Kinder, und immer wieder hängen hier “Trenschparterl” (wie bei uns die Babylatzerl heißen)! Weiter oben sind an der Decke Krücken gestapelt, von historischen bis zu aktuellen mit Plastikgriffen… All das weist auf die noch immer aktuelle äußerste Beliebtheit der Wallfahrtsstätte hin, die zwar ab dem 10. Jahrhundert ausgebaut wurde, aber schon auf ein vorchristliches Heiligtum zurückgeht – in all diesen Zeiten versammelten sich Menschen bei diesem einem Glockenturm gleichenden Felsgebilde inmitten der abgründigen Schlucht.

AB Viele Votivgaben sind für gerettete oder gesunde Kinder gewidmet

An der linken Seite öffnet sich nun die Kapelle des Erzengels Michael mit Barockaltar und Rankenmalerei im Gewölbe.

Aber es geht über die leicht gewendelte Treppe immer noch höher, am eigentlichen Heiligtum des Hl. Romedius vorbei, zu einem grandiosen Aussichtsbalkon hoch über der Schlucht.

AB Aus- und Tiefblick von der Turmgalerie, rechts ein "magischer Kopf" an der Dachecke

Die “Große Kirche” des Hl. Romedius haben wir uns nach dem “Luftschnappen” hoch über der schon teilweise im Schatten versinkenden Schlucht für den Abstieg aufgehoben.

AB Romedius-Kirchenraum mit Altar und romanischem Portal zur Reliquenkapelle

Durch dieses um 1200 errichtete Portal betritt man das “Herz der Wallfahrtsstätte”, in jüngerer Zeit freigelegte Fresken gehen ebenfalls auf die Zeit der Romanik zurück. Nun stehen wir auf der Spitze des Felsens, wo die Schüler des Hl. Romedius die alte Kirche auf den Grundmauern eine entweihten heidnischen Tempels erbaut haben sollen. Durch eine Art Lettnerwand abgetrennt befindet sich rechts die auf die Epoche um 1120 zurückgehende Reliquienkapelle, darüber ein Steinbaldachin, dessen Säulen Kapitelle in langobardischem Steil tragen.  Reste aus den ältesten Zeiten sind auch Fresken mit u.a. dem Motiv “Kämpfende mit Meeresungeheuern”, alles symbolhaft und äußerst mystisch…

Nur schwer können wir uns von diesen Eindrücken trennen, denn wohl noch nie ist uns eine so überwältigende Kultstätte untergekommen – wenn auch gegenwärtig eher von regionaler Bedeutung im Trentino, hat sie doch in der Vergangenheiten zu den bekanntesten Pilgerstätten des Alpenraums gehört!

Als wir beim Abstieg wieder ins Freie treten, wandert das Sonnenlicht schon hinauf zum höchsten Turm von San Romedio, die Schatten treten aus den Schlünden hervor, und nur die letzten Strahlen fallen über den Felsrand herein.

Beim Abstieg und am Rückweg zum Parkplatz gibt es noch stimmungsvolle Blicke, dann ist San Romedio für uns schon Vergangenheit. Wir fahren durch die Schlucht hinaus nach Sanzeno zur Hauptstraße Richtung Gampenpass. Die Fahrt zurück nach Lana durch die abendlich leuchtende Landschaft passt abschließend bestens für diesen erlebnisreichen Tag in Nonsberg. Es hätte sich noch einige Male gelohnt, stehenzubleiben und zu schauen, gereicht hat es nur für diese alte Kirche (wohl nahe Fondo und auch nur wegen einer Straßenumleitung). Aber wenn wir uns wieder in Lana aufhalten oder eine Reise in die südliche Ortler-Adamello-Region machen, hierher kommen wir bestimmt wieder, und wenn es nur darum geht, den Felsenweg nach San Romedio zu bewandern…

AB Abschied von San Romedio

AB Proveis und Laurein

Bei unseren wiederholten Südtiroltouren (von Lana aus) kamen wir schon über den Gampenpass zum Marienwallfahrtsort Unserfrau im Walde und nach St. Felix. Beide Gemeinden liegen zwar bereits an der Südseite des Gebirgskammes zwischen “deutschem” und “welschem” Gebiet, wurden aber von der Tiroler Seite her besiedelt – daher der Name Deutschnonsberg. Westlich dieser beiden Orte und hoch über den nach Süden weisenden Tälern, wo man schon in die Nähe der Brenta kommt, befinden sich zwei noch viel abgelegenere Dörfer – PROVEIS und LAUREIN. Beide gehören seit 1972 (der unter Kreisky erreichten effektiven Südtirol-Autonomie) ebenfalls zur Provinz Bozen und sind seit dem Mittelalter vom Ultental her besiedelt worden (vorher ein Almgebiet der talabwärts gelegenen Orte der Provinz Trient). Erreichbar waren Proveis und Laurein aber nur über den weiten Umweg von Fondo im italienischen Nonsberg – bis 1999 nach langwierigen Bestrebungen die Straße von St. Pankraz im Ultental über das Hofmahdjoch gebaut wurde.

AB Bergbauernfluren auf 1400 m, hoch und steil über den nach Süden weisenden Tälern

Uns war nur ungefähr bekannt, dass aus dem vorderen Ultental eine neue Passstraße hinüber zu diesen Bergdörfern führen sollte. So richtig aufmerksam auf dieses (für unseren Urlaub in Lana besonders lohnendes) Ziel wurden wir durch  eine ORF-Sendung von Sepp Forcher vor ein paar Monaten, wobei er auch noch einen ganz außerordentlichen Wallfahrtsort präsentierte (über diesen später).

Urlaubsfahrt am Mittwoch, 18. Oktober 2017

Dritter Urlaubstag (nach Passeiertal und Schloss Trauttmansdorff), ideales Wetter – wolkenlos, im Tal leicht dunstig, morgens kühl, tagsüber sehr mild. Start in Lana vor 9 Uhr und kurvig samt Baustellen hinauf ins stark befahrene Ultental, endlich die Abzweigung Richtung Proveis, schon wird es vollkommen ruhig… Um einen noch mit Bauernhöfen besetzten Bergrücken herum geht es in das zunehmend urige Marauntal hinein. Die Straße ist bestens ausgebaut, mit Lawinengalerien und schließlich einem langen Scheiteltunnel unter dem Hofmahdjoch. Dann öffnet sich die Landschaft in die “südliche Weite”, möchte man meinen, aber noch folgt zügig bergab ein enger Graben, dann scharf rechts die Seitenstraße hinauf nach Proveis.

In Anton von Lutterotti´s  ”Südtiroler Landeskunde” (Arthesia 2000) heißt es treffend: “In Proveis vermeint man eine besonders freie Luft zu atmen”. Eine freundliche sonnige Weite liegt über dem hohen Hang, voraus die hochragende Kirche, ein paar enger gescharte Häuser, sonst nur Wiesen und Baumgruppen, über die Gegend verstreute Gehöfte.

Das einzige von uns bemerkte Gasthaus und der einzigartige Kaufladen!

Dort werden wir uns nachher noch eine genaue Karte vom Nonsberg besorgen und den typischen, im Haus hergestellten “Proveiser Speck” mitnehmen. Aber vorerst lockt uns die Kirche, und dorthin geht man am blumigen Ortswappen vorbei durch den Friedhof.

Dieses Grabmal erinnert an den wohl berühmtesten Proveiser – Curat Franz Xaver Mitterer (+ 1899), auf den der Neubau der großen Kirche zurückgeht. Er sorgte sich aber vor allem auch um die seit altersher deutschsprachigen Bewohner (obwohl bereits vor langer Zeit den Pfarren unten im italienischsprachigen Nonsberg die Entsendung eines “teutschen” Priesters nach Proveis aufgetragen worden war). Um die Verdienstmöglichkeiten der Bergbauern zu erweitern, gründete er sogar Fachschulen (für Spitzenklöppelei und Korbflechterei). Aber auch ein anderer Denkstein ist uns aufgefallen:

Daneben pure Idylle, wie Lutterotti schreibt, verlockend zu einer Sommerfrische, obwohl sich der Tourismus vermutlich noch erst entwickeln muss in dieser erst kaum 20 Jahre mit der “Außenwelt” besser verbundenen Einschicht.

AB Sommerfrischlerbankerl und Dorfplatz

Der Turm der alten Kirche (bezeichnet 1543) steht frei neben dem im 19. Jahrhundert aufgeführten Langhausbau, der altertümlicher wirkt als er tatsächlich ist.

AB Kirchenraum und Dorf- bzw. Kirchenplatz

Daneben das Gemeindeamt (mit Bücherei, wie selbst in den kleinen Dörfern, sicher auch Arzt und Polizei – ein Carrabinieri in fast majestätischer Uniform ist mir bei der Orteinfahrt aufgefallen). Was es da alles gibt – gegenüber steht das Schulhaus, und die Kinder haben gerade Pause oder Turnstunde (erinnert mich an Annaberg). Ich kann mich nicht zurückhalten und marschiere geradewegs auf diese Szene zu, stelle mich der netten Frau Lehrerin vor und frage sie gleich ein wenig über ihren Dienstposten aus… Die gesamte Grundschule (1. bis 5. Schulstufe) hat zehn Kinder. Erinnert mich auch an Annaberg – bei meinem Dienstantritt hatte ich in der 4. bis 8. Schulstufe (gab es 1961 noch) insgesamt 36 Schüler, heute bringt die Gemeinde so um die 10 Kinder auf und freut sich jedes Jahr, wenn es ein paar mehr werden könnten… Aber immerhin besteht die Annaberger “Zwerglschule” so wie die in Proveis noch immer! Hoffentlich nimmt die Politik auch weiterhin ihre Verantwortung wahr… (und nicht nur Geld und Profit und Rationalisierung regieren die Welt).

Wer die Fotografin war, weiß ich leider nicht (eine Zweitlehrerin oder Hilfskraft), auch nicht ob die Lehrerin (hatte übrigens eine kräftige bestimmende Stimme) zufährt oder im Ort wohnt oder sogar hier heimisch ist. Immerhin haben Anni und ich dann beim Weiterweg von hinten ins Schulhaus geguckt – die Neugier hat sich ausgezahlt, dort sah man in den Computerraum, so viele Bildschirme wie Kinder draußen am Schulvorplatz gerade beim Foto!

AB Panorama Proveis und Stimmung "Berglage"

Anschließend spazieren wir auf einer Runde um das Dorf bergwärts herum, vorbei am Neubau “Lehrershof” (ob dieser etwas mit der Schule zu tun hat?) zu den nächsten am Hang gelegenen Gehöften. Die baulichen Unterschiede sind auffallend, völlig neue Häuser, andere mit Resten aus einer eher dürftigen Vergangenheit, aber insgesamt “heim(at)lich” – nicht als Landsitze oder Feriendomizile, sondern Wohnsitz.

Kühl am Morgen, schon herbstlich eingeheizt, aber jetzt angenehme Sonnenwärme, bunte Buchen und Kirschbäume, das Hausackerl abgeerntet, manche Wiesen frisch gemistet… Der nächste Hof (Obergampen?) wirkt wie eine Burg, seine Altteile stehen anscheinend vor der Renovierung, die alten Reste erzählen aus einer noch schwereren und dürftigen Zeit… noch dazu in dieser deutsch sprechenden Enklave zuhöchst am Berg.

AB Ein Berghof wie eine Burg...

AB Der alte Stall (mit Schutzpatron über dem Türl?) und Weiterweg ins herbstliche Berglicht

Quer über die Wiesen, die anscheinend zur Bewirtschaftung aufgeteilt sind, wandern wir wieder zum Dorf hinunter.

Wieder im Dorf – da gibt es die Anna-Kapelle, ein Christophorusbild im Steinrahmen und ein “Bauerngartl” für den Hausgebrauch (sogar mit Vorrichtung zu einer schützenden Abdeckung).

Haben wir bei unserer Ankunft eine kleine Besuchergruppe gesehen, ist es jetzt vor Mittag ganz ruhig geworden. Im “Bergladele” werkt eine junge freundliche Frau, und wir bekommen sogar eine genaue Karte vom Nonsberg, dazu noch den Proveiser Speck zum Mitnehmen. Was wir suchen und noch nicht genau orten können, ist die vom Sepp Forcher gezeigte Wallfahrtsstätte San Romedio. Doch auch dafür gibt uns die Bergladelefrau die nötigen Auskünfte mit, danke, wir werden sie nächstes Jahr (wenn alles gut geht) wieder aufsuchen und mehr von ihren Spezialitäten einkaufen.

AB Berglandschaft Nonsberg

Im Bergladele vorgewarnt nehmen wir nicht den Fahrweg über die Berghöhen weiter, sondern fahren hinunter in den tiefen Graben, talaus bis Schmieden und gerade noch rechtzeitig vorher abgezweigt hinauf in das nächste Bergdorf – Laurein.

AB Kirche Laurein, vom Friedhof umgeben, mit Blick gegen Süden Richtung Brenta

Laurein wirkt nüchterner, weniger anheimelnd “tirolisch” als Proveis, obwohl weiter im Tal gelegen. Zum Ortsbild passt fast dieser historische Briefkasten – der könnte auch sicher alle möglichen alten Geschichten erzählen…

Wir hätten jetzt die Möglichkeit, über das Brezerjoch nach Castelfondo (von dort wurde in Völlan ein bemerkenswert uriger Käse angeboten!) und bis Fondo an der Gampenstraße zu fahren. Aber wir wollen ja noch das Felsenheiligtum San Romedio aufsuchen. Dazu geht es weiter hinunter ins Tal zu einem großen Stausee bei der sicher auch sehenswerten Stadt Cles. Wie weit wir nun schon gekommen sind, zeigen die Straßenschilder Richtung Madonna di Campiglio! Sobald wir aber den Abschluss des Lago Santa di Giustina überquert haben, sind wir schon an der Straße Richtung Fondo und Gampenpass. Irgendwo müssen wir in die Schlucht mit dem Heiligen Romedius! Aber die Beschilderungen sind dieses für uns zwar neuen, aber sicher lokal überaus berühmten Ortes würdig – die Abzweigung erfolgt in Sanzeno, und dort geht es beim nächsten Beitrag weiter… alles überraschend und eindrucksvoll!

Traditionelles Kastanienfest in Völlan / Lana / Südtirol am Sonntag, 15. Oktober 2017

Schon am ersten Tag unseres heurigen Südtirolurlaubes in Lana bei Familie Irmgard und Sepp Pircher / Hofmannshof ergaben sich zwei außerordentliche Möglichkeiten – wir verzichteten aber auf (das schon einmal erlebte) Meraner Traubenfest und fuhren mit dem Shuttlebus von Lana in das hoch am Berg gelegene Dorf Völlan.

Die Mayenburg hoch über Lana

Das ausgeklügelte Zubringersystem mit viertelstündlich verkehrenden Bussen verhindert zwar einen Stau auf der Bergstraße, aber vom Parkplatz bei der Mayenburg hinauf ins Dorf und sogar am “Keschtnweg” wimmelt es nur so von Besuchern. Wir kommen gerade zur Eröffnung zurecht, mit Aufmarsch der Musikkapelle, alle in Tracht und voll in Schwung!

Zwei Haflinger-Reiterinnen eröffnen den Aufmarsch der Musikkapelle

Wir begeben uns aber aus dem Getümmel hinauf zur auf einem Felskopf ragenden Pfarrkirche.

Die Dorfkirche reicht in die Zeit der Gotik zurück

AB Kirche Völlan

Da es noch nicht Mittagszeit ist, gehen wir gleich weiter zu dem in den letzten Jahren angelegten KESCHTNWEG, einem Info- und Erlebnispfad in den Kastanienhainen – auf Südtirolerisch KESCHTNHOANDLN oberhalb des Dorfes, zwischen Waldrand und Obstgärten, quer durch die Edelkastanienbestände in einer Art von alpinen Streuobstwiesen.

Die oft uralten Kastanienbäume – hier in besonders markantem Drehwuchs – werden durch Zuschneiden immer wieder erneuert und verjüngen sich mit dem Neuaustrieb.

Die Infotafeln ergeben einen intensiven Eindruck über diese einst als Volksnahrung geltende, heute eher als bäuerliche Delikatesse betrachtete Frucht, die zu allen kaum denkbaren Produkten verarbeitet wird. Anni hat selber nach dem Urlaub zuhause ein Kastanienbrot gebacken. Eine üppige Köstlichkeit sind die Kastanienherzen – ein Schokoherz, gefüllt mit Kastanienpürrè und garniert mit Schlagobers…

Neben dem Weg befindet sich ein kleiner Waldteich, gespeist aus den am Fuß des steilen Berghangs entspringenden Quellen. Danach folgen wir einem Seitenweg zur malerisch neben dem Lehenhof gelegenen Magdalenenkapelle.

AB Magdalenenkircherl

Dann geht es zurück zum kleinen Waldteich und ein besonders idyllisches Wegstück entlang.

Eine ganz großartige Idee war, die Kunst in der Landschaft zu thematisieren. Gerade wo sich aus dem Kastanienhain ein Blick zum Iffinger bei Meran 2000 öffnet, steht ein Bild des in Lana`er Künstlers Ernst Müller. Wir konnten eine Ausstellung seiner Ölgemälde bei einem Lanaurlaub 2011 im Schloss Katzenzungen bei Tisens / Prissian sehen. Seine Werke fangen die Landschafte (nicht nur Südtirols) ein eindrucksvoller Weise ein, für uns eine herrliche Erinnerung an diese Begegnung – bei den Pirchers war der “Ernst” selbstverständlich gut bekannt, wir lernten ihn zu bewundern…

Danach wendet sich der Weg in sanftem Bogen, nachdem wir einige stufige Hohlwege und Zaunraine passiert haben, wieder in Richtung Völlan, nun eher in freiem Gelände mit weitem Ausblick und malerischen Motiven.

AB Rückweg durch die Kastanienhaine, mundartlich “Keschtnhoandl”.

An einem Bildstock mit martialischer (typisch urkatholischer) Inschrift (so halten Obrigkeiten die “Leute” nieder) und einem kleinen Feuchtbiotop mit Rastplatz vorbei kommen wir schließlich zum Gehöft am Start des Kastanienweges.

“Das ist da Aug´so alles siecht. So gar auch was in Wincklen gschicht”.

Inzwischen ist in Völlan die mittägige Ausschank schon voll im Gang, gerade dass wir noch ein Platzerl bei einem der zahllosen Tische erwischen. Es gibt von der gar nicht so kleinen Speiskarte allerhand Köstliches, daneben spielen die Alphornbläser, während sich die Musikkapelle schön langsam zum Privatplauscherl aufmacht. Die in eisernen Pfannen über offenem Feuer gebratenen Kastanien sind zwar vielfach schwarz angekohlt, aber gerade diese schmecken am besten (lösen sich leicht von der Schale), und zum Fingerputzen wird (neben Plastikbesteck und einem Butterwürferl!) auch ein Reinigungstücherl gereicht…

Dazu gibt es noch den “Suser” (einen roten Sturm) und an einem eigenen Stand die kastaniellen Süßspeisen. Das Fest wird sicher noch lang dauern, aber wir machen uns (mit einigen Einkäufen) auf den Weg zum Bus, der uns hurtig nach Lana zurückbringt.

Dorffest mit traditionellem Umzug in Tisens am 22. Oktober

Am nächsten Sonntag gab es – am einzigen (leichten) Regentag der zwei Urlaubswochen – das nächste Fest in Tisens, leicht erreichbar über die Gampenstraße und dann mit zeitweise aufgespanntem Regenschirm zu Fuß in diese schöne Ortschaft. Zwar war der Umzug schon vorbei, aber es gab noch allerhand typisches  Dörfliches zu sehen.

Hier sind noch zwei Bilder vom “Keschtnbroatn” (wenn ich den Mundartausdruck so richtig gefunden habe). Zuerst werden die Früchte mit einigem in der Luft wenden gebraten, dann kommen sie in den “Keschtnriggl” (einen eigens dafür geeigneten Korb) und werden “gerigglt” (geschüttelt), dass die Schalen abgelöst werden.

Somit sind die offiziellen Feste vorbei, und wir können uns wieder der Natur und den Ausflugszielen rund um Lana und Meran zuwenden!

Teil II Von der Glockner-Gruppe zum Großvenediger

Fortsetzung meines nostalgischen Berichts! Wir sind am Weißsee bei der Rudolfshütte angekommen – damals ziemlich neu und Trainingszentrum für die Schinationalmannschaft, also ein berühmter Alpinplatz für diese  Zeit.

Zu beachten (schon historisch) – Mitte Juli, Schneelage am Medelzkopf und Tauernkopf, für -Sommer-Schitouren gerade richtig! Vergleich mit Mitte August 2017: Steinwüsten mit blanken Resteisfeldern an der Dreitausendergrenze.

Obwohl wir schon allerhand hinter uns haben – Sonnblick und Hocharn, zweimal Großglockner – und schon ganz verwildert ausschauen, noch dazu Schuhe und Socken nie trocken geworden sind, lassen wir unser Ziel nicht aus den Augen. Weiter geht es zum Großvenediger, denn die Haute Route des Tauern-Höhenweges müssen wir einfach packen!

Hier stehe ich  in der voll tief verschneiten Scharte neben dem Stubacher Sonnblick, schon weite Firnfelder hinter uns, aber ideales Schönwetter, über Nacht hart gefrorener Firn und endlose Sonne. Übrigens unser Sonnenschutz – damals (schon wieder damals) Tschambafi, ein angeblich von den Tibetanern stammender Gerbstoff zur Anpassung der Haut, Lichtschutzfaktor wahrscheinlich Null… Unsere Rucksäcke sind inzwischen kaum leichter geworden, aber nun geht es auf das Herzstück des St. Pöltner-Ostweges zu. Dieser führt über einige Gipfel und Grate, wobei die Amertalerhöhe so harmlos klingt, dabei schroffes und noch dazu verschneites und vereistes Felsgelände aufweist. Noch dazu liegen in diesem Sommer Unmengen von Firn – auf den Felsplatten eines Grates haushoch! Irgendwie müssen wir da durch, Abstieg – Querungen – Aufstiege zu Graten, die total vereiste Amertaler Scharte, alles eine einzige Herausforderung. Aber wir waren gerade vor dem 20. Geburtstag, ich Löwe, Werner Jungfrau, aber er der Sahib und ich der Sherpa, wobei Sahib Werner wie immer die Führung hatte.

Am Ende dieses langen Tages kommen wir über den noch völlig zugeeisten Grünsee zum Felber Tauern mit der St. Pöltner Hütte. Unser besonderer Bezug – mit der Alpenvereinssektion St. Pölten haben wir ein Jahr zuvor ein Schitour auf die Kräuterin gemacht, und ich bin heute noch Sektionsmitglied. Einen entfernt Bekannten aus meiner Heimat haben wir auch dort getroffen, den Hüttenwirt Helmut Strohmeier, wenn ich den Namen richtig in Erinnerung habe. Und am folgenden St. Pöltner-Westweg kam uns (als einzige Begegnung) die Familie Schenk entgegen, ebenfalls vom St. Pöltner Alpenverein. Wir konnten aber erst  näher der Prager Hütte ihre Spuren teilweise nachgehen, bis dahin folgten endlose Querungen oft steiler Firnhänge, durch die hohen Kare über dem Tauerntal von Innergschlöss.

St. Pöltner-Westweg von der St. Pöltner zur Prager Hütte

Unsere “Bilddichte” wurde schon spärlicher, denn Diafilme nachzukaufen gab es nur auf der Franz-Josephs-Höhe und in der Rudolfshütte. Ich glaube, jetzt bei Kodak angelangt zu sein, nachdem Werner am Ostweg sein Material verschossen hat (und mir dann mit Duplikaten ausgehalf), nach mehr als 50 Jahren ist der Kodak noch immer nicht “verfallen”, während bei den Agfafilmen sich mit Farbflecken und Punkten schon Verfallserscheinungen häufen. Zum Glück kann die Digitalbearbeitung nach dem Diascan allerhand verbessern – zumindest für den Hausgebrauch, Bücher könnte man damit nicht illustrieren!

Die Kristallwand mit dem Schlattenkees – wie weit wird dieser Gletscher in der Zwischenzeit zurückgeschmolzen sein? Danach queren wir die Gletscherzunge und blicken zurück auf unsere weite Strecke von der Glocknergruppe her.

Kondition und Wetter halten an, der Firn hinauf zur Venedigerscharte ist hart gefroren, ich glaube nicht einmal die Steigeisen haben wir gebraucht. Ein späterer Wunschgipfel zeigt sich auf dem letzten Bild mit Werner – die Hohe Fürlegg über dem Hollersbachtal. Diese wollte ich 20 Jahre später mit Anni besteigen, doch zu dieser Zeit waren die abschmelzenden Gletscher schon so spaltenreich, dass wir auf diese Tour (zu Zweit!) lieber verzichtet haben…

Bei der Kürsinger Hütte war dann Schluss, und wir stiegen nach 10 Tagen in der Hochregion, dabei oft über 3000 m oben, durch das Obersulzbachtal wieder in die “Talwelt” zurück. Allerdings mit dem Großvenediger im “Erinnerungsgepäck”, und nach all den Jahren kann ich mich eigentlich nur an die Hochgefühle und alpinen Abenteuer erinnern, viel lebhafter als an die Anstrengungen und die schweren Rucksäcke und die immerzu aufgeweichten nassen Bergschuhe… es war nur schön! Und meinem Freund Werner bin ich noch immer dankbar und verbunden für diese unvergesslichen Jugenderlebnisse.

Bevor die ein halbes Jahrhundert alten Dias gänzlich unbrauchbar werden (ohnehin nur mehr für die Erinnerung taugend…), habe ich begonnen, meine Hochtouren von “Seinerzeit” einzuscannen. Diesmal geht es beim ersten Beitrag “Aus meinem Tourenbuch” um die Durchquerung der Hohen Tauern vom Rauriser Sonnblick bis zum Großvenediger in der Zeit von 11. bis 22. Juli 1962 mit meinem Studien- und Lehrerkollegen, Berg- und Kletterpartner (ich als Seilzweiter), sogar “Autorenzwilling” für etliche Bücher – WERNER TIPPELT.

Teil I Durch die Glockner-Gruppe

Da sind wir schon (links Werner) beim Amertaler Hof in Kolm-Saigurn, vor dem Aufstieg zum Zittelhaus auf dem Sonnblick. Der Wind weht frisch, und zeitweise regnet es leicht, ich habe aber den Regenschirm dabei (neben Seil, Steigeisen, Pickel, Schlafsack, und damals selbstverständlich viel Proviant).

Bei der Rojacherhütte lernen wir die legendäre Wirtin kennen (Sonnblickmirz oder so ähnlich wurde sie genannt), für uns wie eine resche und zugleich fürsorgliche Großmutter. Dann stapfen wir durch tiefen Schnee hinauf zum Zittelhaus. Die Nacht wird stürmisch, der nächste Tag dicht verwolkt und vernebelt. Trotzdem begehen wir den Grat über den Goldzechkopf und besteigen ohne jeden Ausblick den Hocharn, jetzt schon unser dritter Dreitausender. Erst beim Zirbensee kommen wir wieder “ans Licht”, hinaus beim Alten Pocher vorbei durch das Fleißtal. Genächtigt wird in einem Bauernhaus mit hübschen Töchtern, die sich aber für solche Bergvagabunden wie wir wohl bedankt hätten… Andertags Auffahrt mit Bus zur Franz-Josephs-Höhe und Nächtigung in der vor einigen Jahren abgetragenen Hofmannshütte.

Werner wäscht beim Alten Pocher seine Socken aus, patschnass sind sie - wie die Schuhe - ohnehin schon, und die Fußbekleidung wird an den nächsten 10 Tagen nie trocken werden...

Am nächsten Tag gibt es eine Überraschung, mein Vater besucht mit dem Oppeneiger Hans aus Altenmarkt im Pongau (wo er auf Familienurlaub ist) uns gerade vor dem Aufbruch zum Gr0ßglockner. Er hat wohl geahnt, was wir vorhaben… und wenn ich an unsere nächste Tour denke, vor allem unsere damalige Ausrüstung, wundert mich seine Sorge nicht im geringsten, ich wollte nicht in seiner damaligen “Haut” stecken!

Am Nachmittag steigen wir über die Pasterze hinweg und durch den Eisbruch ins Innere  Glocknerkar auf, um in der Biwakschachtel zu nächtigen. Das Wetter ist herrlich, und wir haben einerseits “Auftrieb” und anderseits “Schiss”, wollen wir doch die berühmte Pallavicinirinne durchsteigen.

Unsere Ausrüstung – oder was uns alles gefehlt hat: Steinschlaghelm, Eisbeil, Werner sogar die Zwölfzackersteigeisen, Eisschrauben. Was wir haben: normallangen Eispickel, 8 mm Kernmantelseil, zwei Eishaken zum Einschlagen mit dem Kletterhammer. Angeseilt nicht mit Klettergurt, sondern mit Seilschlinge (oder Reepschnurgurt).

Zunächst haben wir noch Glück (eigentlich hatten wir bis zum Gipfel unverschämtes Riesenglück…), denn in der gefürchteten Randkluft steckt ein dicker Schneewutzel. Oberhalb ziehen dann Firnrippen über die wie ein höchst steilgestelltes  Fußballfeld wirkende und sehr breite Rinne hinauf. Wie immer bei unseren Touren führt Werner als der erfahrenere und ungleich bessere Kletterer. Er ritzt anfangs  Trittleisten in den Firn, weiter oben folgt nur mehr Eis, in das er Stufen schlagen muss. Nach jeder Seillänge klopft er mühsam einen Eishaken hinein, den ich als Nachkommender dann wieder herauspickeln muss. Beides waren wohl die anstrengendsten Herausforderungen bei dieser Tour, eigentlich auf den Spuren des Erstdurchsteigers Markgraf Pallavicini, dessen Führer auch unendlich viele Stufen schlagen musste (unser Vorteil waren nur die allerdings gewöhnlichen Eishaken und das moderne Seil). Immer wieder rieseln Schneefahnen über die glatte Steilfläche herunter, auf der man sich – außer beim Hinunterschauen – wirklich wie ein auf dem Bauch sich aufwärts bewegendes winziges Menschlein vorkommt. Steinschlag gab es, obwohl als Hauptgefahr befürchtet, praktisch nicht, zumindest pfiffen nur hie und da kleine Steine an uns vorbei. Weiter oben überholte uns eine zeitgemäß ausgerüstete Seilschaft – Eisbeil, Handstichel, Eisschrauben… Wie müssen wir ihnen mit unserer Steinzeitausrüstung vorgekommen sein! Schon ziemlich weit oben entschließen wir uns, nicht direkt in die Glocknerscharte auszusteigen, sondern queren nach rechts zum Nordpfeiler des Großglockners. Die Passage dorthin geht aber unvermutet an unsere Grenzen, weil wir nicht mehr mit den Eishaken sichern können und außerdem das Gelände kombiniert von Eis und Fels als überaus steil sich herausstellt. Endlich erreichen wir durch eine Seitenrinne der Pallavicini den blockigen Nordgrat – wie eine Erlösung, wieder festen Boden zu fühlen. Trotzdem wird die Kletterei hinauf zum Gipfelkreuz, besonders nach den zurück liegenden Anstrengungen, noch ganz schön anstrengend, wenn auch nicht mehr so aufregend, und der Abstieg über Glocknerscharte und Kleinglockner kommt uns schon wie ein Spaziergang vor. Nach Nächtigung in der Adlersruhe langen wir am nächsten Tag dann wieder – wohlbehalten durch Legionen von Schutzengeln ! – bei der Hofmannshütte an.

Am nächsten Tag traf unser Studienkollege und Freund Wolfgang Wald ein. Er wollte auch mit uns auf den Glockner, und so kamen wir zu einer zweiten, etwas sanfteren Gipfeltour – den Meletzkygrat. Dieser zieht zwischen Hofmannskees (damals der relativ einfache Anstieg von der Pasterze zur Adlersruhe) und dem Hängegletscher des Äußeren Glocknerkars (so war es zumindest damals) hinauf zum Glocknerleitl am Normalweg über den Kleinglockner. Leider in dichtem Nebel, aber trotzdem eine anregende Tour. Allerdings löste sich beim weiteren Aufstieg die Verschraubung von Werners Steigeisen – wenn das in der Pallivicinirinne passiert wäre, nicht auszudenken! Also trat ich ihm meine ab, damit er gemeinsam mit “Bobby” (Studentenname unseres Freundes) zum Gipfel weitersteigen konnte. Und ich stand nun ohne Steigeisen hoch oben am Glocknerleitl, gerade unterhalb der damals noch nicht so sehr wie heute ausgeaperten Blöcke des Kleinglockner – plötzlich der Tiefe unter mir gewahr!!! Zum Glück war der Firn (aktuell spätnachmittags) schon etwas aufgeweicht, also fanden die Profilsohlen guten Tritt. Trotzdem sicherte ich mich selber durch den tief eingestoßenen Pickel, und beim Herausziehen griff ich tief in diese Löcher hinein…

Das Bild zeigt mich schon zwei Tage später, am Weiterweg zum Großvenediger, bei strahlendem Wetter. Dazwischen lag aber noch ein überdicker Nebeltag, ausgerechnet am Übergang von der Oberwalderhütte über die Ödwinkelscharte zur Rudolfshütte am Weißsee. Trotz Kompass bemerkten wir im einförmigen Gletscherboden, als es für einen Moment aufriss, dass wir geradewegs links am Johannesberg vorbeigegangen wären und damit jene Ödwinkelscharte erreicht hätten, die mit Felswänden in den Eiswinkel abbricht! Nach Neuorientierung Richtung Hohe Riffel hielt der Vorausgehende den Kompass ununterbrochen in der Hand, alles Eisenzeug dem Zweitgehenden überlassen, und so kamen wir sicher an unseren Übergang zum Weißsee. Allerdings im Vergleich zu heute über selbst noch Mitte Juli von dicken Firndecken überzogenen Gletscher ohne ein Spur von Spalten… Am letzten Bild dieses Beitrages (bald geht es mit dem St. Pöltner Weg zum Großvenediger weiter) stehe ich schon in Siegerpose, nicht ahnend wie es zu unserem noch fernen Ziel weitergehen würde!

Alle Bilder, wo ich zu sehen bin, selbstverständlich als Duplikat von Werners Dias!

Mein Freizeittipp “Unterwegs mit BB” in der Zeitschrift der Arbeiterkammer NÖ, treff Heft 5/2017, ist jetzt auch bei den Naturfreunden NÖ online! Leider bekommen nur alle Mitglieder der Arbeiterkammer NÖ diese Zeitschrift zugesandt (und hoffentlich bleibt aus dieser Sicht die für einen winzigen Geldbetrag bestehende “Pflichtmitgliedschaft”, für alle Unselbständigen eine womöglich rettende Versicherung bei Arbeitskonflikten, außerdem sponsern die Arbeiterkammern auch die wichtige Konsumenteninformation – wer und wie sollte das sonst alles finanziert werden?). Für alle Interessierte hier der Link:

GRENZENLOS IM THAYATAL

Wirklich eine nette Tour, vor allem mit dem Besuch der Altstadt von Znaim, im letzten bunten Laub der Wälder und Weingärten. Alle Beschreibungen samt Einkehrtipp auch in meinem GRENZENLOSEN Waldviertelführer!

Die BERGSTEIGERDÖRFER des Alpenvereins sind ja seit einigen Jahren ein Auszeichnung, die geeigneten und nicht von sich aus überregional prominenten Orten verliehen wird. Verbunden damit sind Werbung, diverse Unterstützungen und Öffentlichkeitsarbeit. Über Lunz am See hat sogar mein alter Freund und Bergkamerad bzw. zeitweiser Autorenpartner Werner Tippelt ein eigenes Buch verfasst.

AB Matsch im Obervinschgau mit Ortler

Bei unserem Südtirolurlaub wollten wir wieder das Bergdorf Matsch besuchen. Wir waren dort vor 15 Jahren schon den Waalen im Matscher Tal nachgegangen. Jetzt hat sich herausgestellt, dass gerade heuer Matsch zum ersten AV-Bergsteigerdorf Südtirols ernannt worden ist. Also hat sich die Fahrt dorthin besonders gelohnt, obwohl man von Lana auf der relativ stark befahrenen Straße Richtung Reschenpass bzw. Stilfserjoch eine gute Stunde braucht. Außerdem war das Wetter an diesem Österr. Nationalfeiertag einfach herrlich!

Vor Mals, schon in Sichtweite des interessanten Tartscher Bühels, zweigt rechts die gut ausgebaute Bergstraße hinauf ins Matscher Tal ab. Beim Talkreuz, oberhalb von Ruinen der alten Raubritterburgen in der Bachschlucht, zeigt sich der Ortler mit seiner Nordwand in grandioser Ansicht.

An der auf einem Hangvorsprung einzeln stehenden Kirche geht es leicht bergab in das dicht gedrängte Dorf hinein. Die Häuser sind am Steilhang fast übereinander gebaut, Altes und gut Erhaltenes steht neben Neubauten, in nicht ganz gutem Zustand gibt es nur wenige Gebäude. Wie selbst in den entlegensten Dorfsiedlungen (etwa Proveis im Deutschnonsberg, über das ich noch berichten werde) befindet sich auch hier eine Grundschule samt Bibliothek, Gasthäuser und Pensionen sind eher spärlich.

Erst weiter taleinwärts gibt es den Gasthof Glieshöfe, als Bergsteigerdorf verfügt der Ort über über etliche Tourenmarkierungen, die auf die steilen beiderseitigen Berghänge klimmen (Höhenunterschied etwa 1000 m). Im Talschluss ragt über dem Matscherferner die Weißkugel auf, wird meiner Vermutung aber von hier aus wohl seltener bestiegen, da der Gipfelweg vom Schnalstaler Hochjoch aus (Bellavista / Schöne Aussicht Hütte) oder von der Weißkugelhütte im Langtauferer Tal bevorzugt wird. Meine alte Karte vermerkt zwar eine Schutzhütte unter der Höllerhütte, aber dazu ist mir nichts Näheres aufgefallen. Bequeme Wege gibt es nur im Talgrund, für die Herbstzeit an der Schattseite nicht angenehm, und die Wanderung von den Glieshöfen taleinwärts müssen wir uns erst anschauen. Aber wir wollen ohnehin den Waalweg aufsuchen, den wir 2002 als “Wiesenwaal” kennengelernt haben.

AB Am ehemaligen, seit einigen Jahren verrohrten "Unteren Wiesenwaal", nun ein Feldfahrweg

Links der Fahrweg am ehemaligen Unteren und rechts am Bildrand der Obere Wiesenwaal, nun Ackerwaal genannt

Am Ortsende, bald nach dem schmalen Durchschlupf zwischen der oberen Dorfstraße und der Richtung der Florianikirche abzweigenden Gasse, gibt es eine Busstation und danach einen Parkplatz. Hier rauscht ein Bach den Hang herab, der nur vom Waal kommen kann, und diesen entlang steigen wir steil bis zum querenden Fahrweg auf. Aus unserer Erinnerung heraus, muss hier der untere Waal verlaufen sein, und so klimmen wir noch eine Etage höher hinauf – bei unserer Tour vor 15 Jahren haben wir übrigens hier im August Riesenboviste gefunden, die uns und unsere Nauderser Quartiergeber reichlich mit “Pilzschnitzel” versorgt haben!

Nun stehen wir tatsächlich am Gerinne des Oberen Wiesenwaals, der Waalweg ist daneben relativ breit ausgebaut, und es gibt einen über dem Wasser aufgestellten klobigen Rastplatz auf dem nunmehrigen “Ackerwaal”.

Das Wandern auf dem Waalweg ist – wie meist auf solchen Routen – überaus angenehm, fast eben (die Neigung merkt man nur an dem daneben fließenden Wasser) und mit Blick hinein ins herbstlich gestimmte Tal, im Rücken die Gletscher und Felsspitzen der Ortlergruppe.

AB Unter herbstlichen Lärchen und Idealblick auf Matsch mit dem Ortler

So wandern wir gemütlich dahin, einmal an einer Rutschungsstelle oberhalb vorbei, bis wir uns der Talstraße nähern, wo die beiden Waale ihren gemeinsamen Ausgangspunkt durch die Ableitung von Matscherbach haben dürften. So genau ist das wegen der Verrohrung des unteren Waals nicht feststellbar, jedenfalls nehmen wir unseren Wendepunkt bei den nächsten steil am Hang gebauten Gehöften.

An dieser “Ausleitung” (den Fachbegriff dafür gibt es sicher, aber dazu müsste ich in Hans Paul Menara´s Buch über die Waalwege nachschlagen, nächstesmal wieder Pflichtlektüre!) fließt der obere offene Waal scheinbar bergauf, während links hinunter das Wasser zum unteren verrohrten Waal hinabschießt. Wasser gibt es selbst jetzt im trockenen Herbst ja genug, es kommt von den Gletscherbächen, während die Berghänge der Sonnseite verdorrt erscheinen, zumindest oberhalb des Waallaufes. Übrigens werden alle meist unterhalb davon gelegenen Wiesen, egal wie steil, ebenso wie die paar Äcker üppig mit Mist versorgt!

AB Letzte Blüten am Rand des Waalweges, eine interessante Trockenpflanze ist hier der Sanddorn, und schon rückt Matsch wieder näher

Beim Rastplatz über dem Wasser halten wir endlich die Mittagsjausenpause, die warme Sonne im Gesicht und den Ortler vor Augen, unvergesslich! Danach kommen uns zwei junge Frauen entgegen, die ich gleich mit meinen Fragen überfalle, etwa über den verrohrten unteren Waal, wie es im Ort so geht, was halt interessant ist – über unsere Waaltour vor 15 Jahren scheinen sie zu staunen, wahrscheinlich waren sie damals noch im Kindergarten… Einen solchen gibt es auch in den Bergdörfern, wie wir uns überhaupt mehrfach über die relativ gute Infrastruktur wundern, die Autonomieregion Bozen kümmert sich offensichtlich sehr darum, und vielfach sieht man selbstverständlich die ausgewiesenen EU-Projekte.

Aussicht von unserem Rastplatz und Begegnung in der Viehweide, wo der Waal dann zuletzt im Erdboden verschwindet und erst neben dem Parkplatz wieder frei herabrauscht. Dazwischen gehen wir einen alten Weg mit Steinmauern und urigen Zäunen entlang ins Dorf hinab. Bei den dicht gedrängten Häusern vorbei, kommen wir in eine “Zwischenwelt” aus alter und neuerer Zeit, in einer ans Haus gebauten Kapelle steht anscheinend der Wegpatron H. Wenzel, und mehrfach gibt es alte Wegkreuze mit bemerkenswert geschnitztem Christus. Gut vorstellbar, dass man in diesem Gebirge früher und wohl auch noch heute sehr auf die “gütigen Mächte” vertrauen muss. Trotz aller Technik und Erschließung lebt es sich sicher nicht leicht hier heroben… Wenn ich die Steilhänge hinauf zu den schützenden, jetzt golden leuchtenden Lärchenwäldern und den rötlich gefärbten Zwergstrauchheiden unter den felsigen Gipfeln anschaue, möchte ich mir nicht vorstellen, was hier in schneereichen Wintern los sein könnte…

So klingt unsere Waalwanderung in der “dörflichen Idylle” aus, aber nur für uns, den die Bewohner von Matsch haben hier statt Idylle sicher nur ein schweres, aber noch immer lohnendes Leben, in das sie tief verwurzelt sein müssen. Zumindest lässt sich das im Bergsteigerdorf Matsch ahnen… und wünschen!

Der Frühnebel am Sonntag, 5. November, hat uns gleich aus dem Tal auf die Höhen getrieben. Und wo kommt man schnell zu einer Berghöhe, ohne weit zu fahren und sich nicht ins Gedränge der übrigen Wanderer zu pferchen? Für uns ein schon mehrfach und mit Erfolg ausgesuchtes Ziel ist der Himmel bei Lehenrotte.

Egal ob zur Zeit der Frühlingsblumen oder bei der Orchideenblüte (Anfang Mai) oder bei erstem Schnee und Raureif, diese kleine Wanderung ist immer ein Treffer, besonders an einem so milden und klaren Herbsttag. Von der Mariazellerstraße wird in Lehenrotte abgezweigt, aber nicht links in die Ortschaft und nicht gleich rechts auf der ersten Seitengasse (dort führt der Wanderweg hinauf), sondern erst bei der rechten Abzweigung kurz danach. Die Bergstraße bis zum schon längere Zeit  geschlossenen Erholungsheim der NÖ Gebietskrankenkasse ist asphaltiert und gut ausgebaut, und es finden sich keine Verkehrsbeschränkungen (außer 30 kmh). Oben gibt es einen geräumigen, meist nur wenig besetzten Parkplatz (nur bei der Bergmesse im Sommer stark besucht). Dass diese großzügige und seinerzeit modern ausgebaute Anlage nicht mehr benützt  und dabei immer mehr dem Altern überlassen wird, verwundert schon einigermaßen. Allerdings soll sie jetzt zum Verkauf ausgeschrieben sein, Wunschpreis 1,8 Mill. Euro, Grundstücksgröße “nur” 50 Hektar (daher keine Eigenjagd), wer das prachtvoll gelegene Haus wieder in Betrieb nehmen will, wird doppelt so viel auslegen müssen, was ziemlich viele Käufer abschrecken wird…

AB Ein goldener Herbsttag!

Man geht oberhalb vom Parkplatzrechts, den seichten Graben querend, zu einer Viehweide und stößt dort auf die von Lehenrotte heraufkommende blaue Markierung. Der folgende Fichtenwald befindet sich, wie die Almmulde oben, in Werfener und Gosauschichten (früher wurde in Lehenrotte Gips abgebaut) und wäre zur passenden (früheren) Jahreszeit sicher ein Schwammerlrevier. Bei einer riesigen mehrstämmigen Linde gelangt man zum Güterweg mit Einmündung von der Jausenstation Teufel und folgt der Forststraße rechts weiter. Eine Kehre wird auf Steig abgekürzt, und danach wartete diesmal ein  Hindernis – eine Holzseilbahn für den unterhalb “aufgemachten” Schlag. Knapp müssen wir uns die Böschung entlang daran vorbei zwängen, dann geht es bei einer üppig fließenden Wasserfassung vorbei gemütlich bis zum Almhaus.

AB Almgasthaus, früher "Himmelalm" oder auch Kernstock-Haus genannt, und das Almmarterl mit Marienfigur.

Der Almhalter, Prof. Bernhard Hahnak, ist jetzt nicht mehr oben, leider, denn voriges Jahr haben wir einmal seine kärntnerischen Spezialitäten sehr genossen. Im kleinen Hochbeet stehen allerdings noch dicht die Küchenkräuter, sonst ist Betriebspause bis zum nächsten Juni.

Den kurzen Wiesenweg bis zum Gipfelkreuz dürfen wir gerade bei solch herrlichem Wetter nicht versäumen. Mit jedem Schritt weitet sich die Aussicht, nach den näheren Bergen wie Türnitzer Höger und Göller sieht man auch schon die Gemeindealpe, bald auch das Felsenhaupt des Ötschers, schließlich gerade noch Tonion, Hochschwab, Kräuterin mit Hochstadel und Fadenkamp und neben dem Ötscher den Gipfelscheitel des Dürrensteins. Ganz interessant ist der rechte Bergrand mit seinem Felsrand, dort will gerade noch ein Waldsteppen-Windröschen blühen, und vom vielen Thymian und Oregano strömen geradezu mediterrane Düfte im linden Wind herauf.

Hinter dem Gipfelkreuz mit seinen klobigen Baumstammsitzen prangt ein Laubbaum noch voll in goldenem Laub, es scheint ungewöhnlicherweise ein Elsbeerbaum zu sein, bei genauem Hinschauen haben aber die vom Sturm zerflederten Ahornblätter eine edlere Baumart vorgetäuscht. Der nächste Tausendergipfel ist der Hohenstein, durch eine schöne Kammwanderung mit dem Himmel und ebenso mit dem Eisenstein verbunden (die Gräben sind allesamt enttäuschend, außer dem Weg durch die Raxenbachrotte von Türnitz, alle beschrieben in meinem vorjährigen “Wandererlebnis Voralpen” / Kral-Verlag). Allerdings trägt der Hohenstein fast keinen Hochwald mehr, so ausgedehnt sind die Holzschläge an seinen Flanken. Der auffallendste Bergriese, schon im Winterkleid, ist natürlich der Schneeberg.

Zurück beim Almhaus, treffen wir erst auf mehr Wanderer. Noch ein Blick zum Göller, dann geht es auf der Forststraße und dem geradeaus anschließenden asphaltierten Güterweg zurück zum Parkplatz beim Heim – insgesamt ein netter Bergspaziergang, gerade zu dieser späten Jahreszeit am schönsten in der Mittagssonne.

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