Alle “unsere” Wintersportmöglichkeiten konnten wir in diesem Winter probieren und auffrischen: Langlauf, Pistenfahren, Schneeschuhstapfen und – wobei wir die meiste Freude hatten – den nostalgischen Backcountry-Tourenlauf. Weil wir vor einer Woche am Großen Sulzberg so eine ganz schöne Touren machen konnten, war unser Ziel diesmal Neuhaus am Zellerrain. Verhältnisse wieder ideal, mit etwas Neuschnee auf der gefrorenen Unterlage, uns was wir schon angedacht hatten, diesmal ist es gelungen, allerdings nicht so einfach wie gedacht.
Anfahrt über Annaberg und den Zellerrain nach Neuhaus, dort ein schon recht gefüllter Parkplatz (Ausgangspunkt für den Gr. Zellerhut über das Faltl). Unsere Route zeigt die Karte.
Ich war mir nicht sicher, ob die Forststraße übers Faltl zum Oistal wegen der Wildfütterung abgesperrt wäre (nur der unmittelbare Zugang zur Fütterung mit Sperrtafel, sonst alles frei). Wir gingen aber ohnehin nur ein Stück auf der breit geräumten Straße, beim Gittertor vorbei, bis zur Abzweigung der Jägertalstraße. Hier angeschnallt und anfangs etwas stärker bergan, aber mit den Steigfellen ganz genussvoll zu gehen. Etliche Spuren von Schneeschuhgehern folgten weiter der Jägertalstraße, wir zweigten aber rechts auf der flacheren Mösernstraße ab.
Eine künstliche Riesentanne samt Plastikreisig entpuppt sich als Sendermast!
In weitem Bogen umkreist die gleichmäßig sanft steigende Straße das von den Mösern gegen Neuhaus vorspringende Bergmassiv, danach wird der Blick etwas freier und geht über das tief eingeschnittene Neuhauser Tal hinaus gegen die Oisfurche bei Holzhüttenboden.
Voraus der Scheiblingstein und Rückblick zur Gemeindealpe
Dann kommen wir zum flachen Sattel südöstlich vom Schwarzwieselberg, wo sich die Hochmulden “Auf den Mösern” dahinziehen. Der als “Bei der Bärtanne” bezeichnete Rücken ist ein Hinweis auf die Abgelegenheit dieses Fleckens zwischen Ois und Neuhauser Bach, ferner auf die (wahrscheinlich durch wasserundurchlässige Juraschichten bewirkten) Naturerscheinungen. Absoluter Höhepunkt das Hochmoor “Rotmösl” ! Auf der Karte wirkt das alles gar nicht so kompliziert, aber im Gelände erweist sich diese auf etwa 1100 m Seehöhe gelegene Muldenlandschaft als kaum überschaubar, noch dazu weil man immer im Wald steckt und außer der die Südrichtung weisenden Mittagssonne (in unserem Fall) keine Anhaltspunkte zur Orientierung hat.
Wir wissen nur sicher, irgendwo nahe der Forststraße muss die Möserhütte stehen. Aber dafür gibt es keinen Anhaltspunkt, nur die in der ÖK richtig eingezeichneten Straßentrassen. Meine Sommerbeschreibung in “Wandererlebnis Ötscher & Ybbstaler Alpen” (Kral-Verlag 2014) benützt nämlich die Route von der Jägertalstraße her, wobei der in der Karte eingetragene Steig ohnehin rein fiktiv und im Gelände kaum oder gar nicht vorhanden ist. Einmal bin ich jedoch schon mit einem Langlaufkurs über das winterliche ”Rotmösl” gewandert, aber die Abzweigung von der Mösernstraße zu finden, erweist sich heute als Schlüsselstelle der Tour. Die tief verschneite Straße verläuft nun nämlich bergab bis zu einer markanten Rechtskurve (südlich vom Schwarzwieselberg). Das kleine Wieserl der ÖK ist aber nicht auszumachen, auch der Versuch eine Abzweigung Richtung “Rotmösl” zu finden erweist sich als aussichtslos – dichter Hochwald und kleinräumig zerfurchtes Gelände. Obwohl wir schon ganz schön lang unterwegs sind, bleiben wir auf der nun nordwestlich wendenden Straße weiter bergab bis zum nächsten verdächtigen Punkt: Rechts geht eine Seitenstraße Richtung Tal, eine kleine Lichtung ist auch da, und die Straße beginnt nun Richtung Klauswald anzusteigen. Hier muss es sein!
Wir zweigen also links ab (südöstlich, ein Kompass wäre hier sehr nützlich !) und kommen durch eine Waldgasse zu einer schon zwischen den Bäumen durchschimmernden Lichtung. Ich nenne die kleine Freifläche “Wasserwiesel”, weil hier offensichtlich ein stärkeres Gerinne verläuft, über dem die Schneefläche spaltenartig eingebrochen ist. Das Wasser muss von rechts her kommen, und dorthin wenden wir uns auch – nur dem Gefühl nach, denn die Karte ist in einem solch engräumigen Gelände keine Hilfe, und es gibt keinerlei Spuren… Aber völlig überraschend taucht nun, zu unserer Erleichterung und Rettung, eine weitere Lichtung auf, ein kleiner Holzschuppen – dann endlich unverkennbar die Möserhütte. Dieses hochgiebelige hölzerne Jagdhaus ist wirklich eine Kuriosität. Keine Zufahrt (im Sommer vielleicht von Süden her auf einem in der ÖK eingezeichneten Weg?), aber gut ausgestattet mit allem möglichen Gerät vor der Haustür, einem verandaartig überdachten “Gaden” samt Bank usw. auf dem Dach eine Solarzelle. Eigentlich bin ich froh, dass dieser Platz so schwierig zu finden ist, besonders natürlich im Winter, denn kaum jemals verirrt sich ein Wanderer in diese einsame Wildnis, und so erübrigen sich wohl alle Absperrungen und Verbotstafeln. Wenn sich allfällige Besucher nicht verantwortungsvoll verhalten, wird dieses Idyll womöglich bald Vergangenheit sein, und eigentlich sollte ich es aus diesem Grund nicht beschreiben. Aber die Leser meines Blog zähle ich nachdrücklich und verlässlich zum vernünftigen, wenn auch abenteurlustigen Teil der Menschheit…
Nun ist endlich die Mittagsrast angesagt – diesmal gibt es: eine Flasche Saft für jeden, statt “…mag man eben…” eine echt Waldviertel-Dopingkost (was sonst als Nussstrudel, nicht nur mit drei s, sondern auch mit Rumrosinen), ein Taferl hart gekühlte schwarze Schokolade und – unser Spezialpuscher – je zwei Pocketcoffeee (entspricht jeweils einem Kleinen Braunen). Nun müssen wir nämlich erst das “Rotmösl” finden! Im Sommer keine Kunst, aber jetzt bei spurenloser hoher Schneebedeckung?
Vom Vordach tropfen schon die Eiszapfen herunter, aber die Wasserversorung der Möserhütte ist viel perfekter! Am rechten (westlichen) Rand der Lichtung entspringt nämlich eine starke Karstquelle, mit einem Brunnenhäuschen gefasst, und der stetig fließende und offensichtlich nicht zufrierende kleine Bach bildet sogar einen kleinen Tümpel! Dieser macht die Idylle erst vollkommen, und gerade hier, gegenüber der Hütte, müssen wir hinein in den Wald. Der Sonnenstand zeigt gerade die Südrichtung – wir müssen eindeutig nach Südosten, wo in der Karte das “Rotmösl” als kleine Lichtung (mit einem Busch, den es nicht gibt) eingezeichnet ist. Während ich noch die Quelle besichtige und fotografiere, ist Anni schon in der angezeigten Richtung in den Waldvorgedrungen. Eine kaum wahrnehmbare Trasse scheint sich zwischen den hochragenden Bäumen zu öffnen, ehr nur mit dem Gefühl auszumachen als wirklich zu sehen. Da steht Anni auch schon vor einer scheinbaren Gabelung, als ich nachkomme. Mir kommt vor, nach rechts zu (südlich) schimmert etwas lichter in das Walddunkel herein, das kann nur die angestrebte Lichtung sein, denn sonst gibt es nichts ringsherum als dichten, ungeschlägerten Wald. Also wenden wir uns rechts weiter, einer undeutlichen Verflachung nach auf einen Gegenhang zu, nun schon etwas bergab – und jetzt gibt es nur eine Möglichkeit: Hinab in den Graben und hinaus ins Freie, wenn sich das Gelände wirklich so entwickelt! Tatsächlich stehen wir schon kurz danach unten im “Lagg”, dem Randbereich des vor uns ansteigenden Hochmoors!
Wir haben mit ungeheurem Glück den südlichsten Zipfel des Hochmoors erwischt, wo sich im Sommer eine Feuchtfläche mit üppigem Fieberkleewuchs befindet (kann allerdings noch im Juni noch nicht sommerlich sein !). Nun ist alles klar – in weitem Bogen umkreisen wir die völlig zugeschneite Fläche des deutlich aus seiner sumpfigen Umrandung aufgewölbten Hochmoors. Bei meinem früheren Winterbesuch waren einzelne Partien nicht so dicht schneebedeckt, und über den “Bulten” (mit Wasser gefüllten Vertiefungen in den Torfflächen) hatten sich riesige Eiskristalle gebildet! Einmalig, so etwas zu erleben! Heute ist es eher unspektakulär, und wir denken an die im Hochsommer so seltene Flora dieses unzerstört erhaltenen Hochmoors “Rotmösl” (u.a. als größte Seltenheit das Herz-Zweiblatt, ferner üppiges Vorkommen von Rosmarinheide, Moosbeere, Sonnentau).
Nach der Umkreisung des Hochmoors bleibt uns nur mehr, wieder an der Nordwestseite hinunter ins “Lagg” zu gelangen und zurück zur Mösernhütte zu finden! Aber sobald wir unsere Spuren entdeckt haben, gibt es keine Schwierigkeiten mehr. In diesen Wäldern zu verirren, darauf kann ich verzichten, zumal im Winter… So kommen wir gut zurück zur Hütte und übers “Wasserwiesel” wieder zur Mösernstraße.
Der “Rücklauf” erweist sich als gut zu bewältigender Langlauf, obwohl wir die Steigfelle gar nicht abschnallen. Zuerst geht es ja noch bergauf, und dann folgt (am getarnten Sender vorbei, in der Karte als X in blau) die Abfahrtsstrecke, bei der es uns ohne die zwar bremsenden, aber gut gleitenden Felle viel zu schnell geworden wäre. Diesmal bleiben wir auf der Mösernstraße und kommen erst bei der Wildfütterung wieder zu menschlichen Spuren.
Wildfütterung und Einmündung des Höllerbachs
Am Faltlbach entlang geht es dann auf der geräumten Forststraße hinaus nach Neuhaus zum nun schon fast leeren Parkplatz.
Damit haben wir an diesem Tag nicht nur das einsamste aller Hochmoore, das Neuhauser “Rotmösl” erlebt, sondern auch zweierlei Wasser – den emsigen und kristallklaren Faltlbach, später bei der Heimfahrt noch den völlig zugefrorenen Erlaufsee!