Unsere Pannonische Tour II führte am 18. Mai wieder ins Weinviertel zu zwei botanischen “Traumbergen” -
Bockstall und Galgenberg
nordöstlich von Hollabrunn. Zufahrt schon ganz schön “kilometrig” vom Gölsental aus, aber die Schnellstraße über die Donaubrücke bei Traismauer und eine weitere Abkürzung machen die Strecke erträglich. Einmal mitten im Weinviertel angekommen, liegt dort alles Interessante eigentlich nicht mehr weit auseinander…
Verwilderte Natur am Bockstallberg (laut ÖK Burgstallberg, aber die Deutung als Wildrückzugsgebiet ist sinnvoller als eine Burgstelle, die befindet sich in der Nähe am Dernberg, auch einem Ziel der “Weinviertler Blumenberge” nach dem Projekt des Naturschutzbundes NÖ).
Das erste Bild stammt von den Touren mit Karl (Prof. Karl Oswald) für das “Naturerlebnis NÖ” vom Jahr 2000, ein im Verkauf sehr zähes Werk, aber ein “Mercedes unter den Wanderführern” (wie der damalige Verlags-Chef Herwig Bitsche meinte). Also vor etwa 22 Jahren war der Südwestrücken des Bockstalls noch viel baumfreier und von Trockenrasen bedeckt, wo überaus stattliche Purpur-Knabenkräuter blühten, während im Gehölz des Südostrückens die Frauenschuhorchidee hervorragend vertreten war. Die landschaftliche Situation im mittleren Bild – Feldfluren wohin man auch schaut, dazwischen aber die bewaldeten Hügel der “Blumenberge” mit ihren ohne Pflege immer spärlicher werdenden blumenreichen Trockenrasen. Meine Routenbeschreibung habe ich selbst noch als Vorbereitung herangezogen, die Wirklichkeit in der Natur nach so langer Zeit war allerdings wesentlich anders….
Nordöstlich von Hollabrunn zieht eine ziemlich waldfreie Mulde hinein in den ausgedehnten Ernstbrunner Wald, der über die Leiser Berge noch hinausreicht, und die Ortschaften dort haben alle den Zusatz “im Thale”. Ja, im ebenmäßigen Weinviertel wirken eben Hügel wie Berge und Mulden wie Täler. Bei Enzersdorf im Thale verließen wir die Hauptstraße, fuhren ganz kurz Richtung Kleinkadolz bzw. Kammersdorf, um gleich wieder Richtung Nappersdorf abzubiegen. Zur Orientierung, auch bei der Autofahrt, ist die Wanderkarte von Freytag & Berndt (WK 015 Westliches Weinviertel) sehr hilfreich. Trotzdem muss man aufpassen – aus einem kleinen Seitental geht es über die Anhöhe Stampfbühel hinweg, jenseits sachte bergab, bis rechts ein Fahrweg abzweigt (ca. 4,5 km von Enzersdorf). Hier habe ich angegeben “beschränkte Parkmöglichkeit”, bin aber mangels einer Verbotstafel noch ein Stück dem anfangs etwas tiefspurigen Fahrweg gefolgt, bis zum Erkennungspunkt “Weidengruppe”. Diese besteht jetzt nur mehr aus einigen unübersehbaren dürren Stämmen, allerdings nun neben einem großen Wasserauffangbecken (bei starken Niederschlägen dürfte da allerhand zusammenkommen, der aktuellen Lage nach aber völlig trocken). Der links abzweigende “verwachsene Karrenweg” war diesmal sogar von Traktoren oder Geländeautos gut ausgefahren, und die rechts über die Böschung hinaufweisende Fahrspur erschien eindeutig richtig, oberhalb eine ehemalige, nun verbuschte Feldterrasse. Wir landeten bei einer mit Kamera versehenen “Wildfalle”, wo es irgendwohin weiter hinaufgehen sollte. Aber leider “Schluss mit lustig”, keine Spur der früheren Wegspuren, nur dicht verwachsenes Busch- und Baumgelände. Wahrscheinlich hätten wir uns dort nun mehr rechts halten sollen, um den Südwestrücken zu erreichen. So kämpften wir uns im Gesträuch über Wälle (doch ein Burgberg?) und durch Gräben höher, stoßen an einen Steilabbruch, der auf Wildspuren durch eine schmale abschüssige Passage überwunden wird. Oben eitel Wonne – Aussicht und Steigspuren und immer wieder (neben anderen pannonischen Blühern) die gerade im schönsten Stadium stehenden Iris variegata, die Bunten Schwertlilien.
Hier wird die Blumentour zu einer geologischen Exkursion – wie der konglomeratische Felsvorsprung schon zeigt, befinden wir uns hier auf dem sogenannten Hollabrunner-Mistelbacher Schotterkegel, dem tertiären Urlauf der Donau nordöstlich über das Weinviertel ins pannonische Meer. Den Steinbrocken (halb Rucksack groß) hätte ich mir gern mitgenommen, ein Museumsstück stellt er dar: Kalkschicht und Sandstein der Meeresablagerungen, darüber die verfestigten Gerölle der Urdonau. Eine so ausgezeichnete Stelle wie im “Naturerlebnis” von 2000 abgebildet, habe ich leider nicht gefunden, und auch das Dia davon ist (hoffentlich nur momentan) noch abgängig. Den Abbruch am Rücken entlang ging es an einer schmalen Stelle der Steigspur gut weiter, und so gelangten wir ungehindert bald auf das Gipfelplateau – mit Rastbank und Gipfelkreuz! Das Gelände meiner eigenen seinerzeitigen Beschreibung war jedoch nicht mehr wieder zu erkennen, daher keine Fortsetzung über den Südostkamm mit dem Frauenschuh und Diptam. Vielleicht hätten wir es doch versuchen sollen – aber schräg über den Rücken zum Nordosthang verlockte eine gute Wegspur, sogar mit einzelnen grünen Farbpatzen und an die Zweige geknüpften Bändern markiert.
Vom Herumkraxeln im “Weinvierteldschungel” haben wir schon genug (mehr als fünf Zecken eingefangen), so halten wir uns an den deutlichen Weg zum Abstieg über die Nordseite, wobei wir allerdings dann den Berg umrunden müssen. Das Waldgelände ist der eigentliche botanische Höhepunkt der Exkursion – Unmengen von Pupur-Knabenkräutern, wie Anfang ein spärliches Helm-Knabenkraut und ein (nicht von uns hoffentlich) abgeknickter Frauenschuh, Maiglöckchenblüte ohnehin üppig. Am Waldrand angekommen, öffnet sich der freie Blick über die Ackerfluren nach Norden, gegenüber am Rain ein bunt gefärbelter Jagdstand (beim Begehen in Gegenrichtung ein wichtiger Anhaltspunkt). Über das noch brache Feld geht es zum dort gegenüber verlaufenden Feldfahrweg und rechts mit leichtem Anstieg, nun auch in den dichten Waldausläufern, zum breiten Sattel südöstlich des Bockstallberges. Einige hochstehende Wiesenstreifen ziehen dort hinauf, wo wir eigentlich herunter kommen wollten, aber keine Wegspur, So gehen wir in Richtung unseres Ausgangspunktes weiter, begleitet von den zum Waldrand des Gipfels ansteigenden Feldern, bis zu einem auffallenden Obstgarten.
Bockstall zum zweiten Mal!
Hier führt endlich eine Fahrspur bergwärts, die durch den anschließenden Buschwald zu dem vom Gipfel aus bemerkten ausgemähten Weg sich fortsetzt – das ist der endgültig leichteste Normalweg auf den Bockstallberg, also doch noch im zweiten Aufgebot gefunden. Zum Abstieg nehmen wir nun den Südwestkamm, wo wir anfangs heraufgekommen sind. Auf der Steigspur die Bergkante entlang und beim Durchschlupf unseres Aufstieges (womöglich die im Gipfelbuch genannte “Rutschen”) weiter den Rücken entlang (habe ich schon beim Aufstieg ausprobiert). Die Spuren verlieren sich bald im hohen Altgras, aber immerhin kommen wir den schon früher gesichteten hohen Schwarzföhren näher. Eines bleibt uns nicht erspart – auch hier durch Gestrüpp und über Lichtungen hinab, von den tieferen Flächen der längst aufgelassenen Felder dann zum Weg, an dem wir anfangs gestartet sind.
Bilder gemischt von Anni und mir! Zusammenfassung Bockstall:
Während die anderen “Blumenberge” vom Naturschutzbund genauer untersucht wurden (was hier am Bockstall nicht möglich war) und ein Pflegekonzept für die entsprechenden Maßnahmen sorgt, ist der Bockstallberg (ausgenommen spärlicher Waldbewirtschaftung und vor Jagdinteressen) eigentlich der Verwilderung überlassen. Das heißt – hier breitet sich immer mehr ein Wildnis mit Gebüsch und Ruderalflora aus, wie ich im Vergleich zur Begehung vor mehr als 20 Jahren feststellen konnte. Ganz anders auf dem Galgenberg, unserem nächsten Ziel, wo sich die pannonische Blütenpracht durch pflegerische Eingriffe in die sonst überwuchernde Trivialnatur ganz großartig entwickelt hat – unser nächstes Ziel!
Auf den Galgenberg ins Naturschutzgebiet
Der durch den historischen Galgen auffallende südöstliche Ausläufer des Waldgebietes bei der Malteser-Kommende Mailberg (im Zentrum der Buchberg mit 417 m) gehört zum Teil dem Naturschutzbund NÖ. Neben einem Brandereignis vor etlichen Jahren und durch mehr oder minder regelmäßige Eingriffe in den von Natur aus sich ausbreitenden Wald- und Strauchaufwuchs hat diese relativ freie und abgeflachte Kuppe einen völlig anderen Charakter als der Bockstallberg – nämlich ostseitig durch bewirtschaftete Felder und Weinrieden, westseitig beim Altenbergengraben zwischen Buschzonen auch freigehaltene Trockenrasen und (eine Art von pannonischen) Hochstaudenfluren. Unsere Zufahrt (im Großen Niederösterreich-Wanderführer geht eine Rundwanderung von Mailberg dorthin) erfolgte über Oberstinkenbrunn durch die Kellergasse (trotz etwas Entfernung dorthin nach dem Galgenberg benannt) bis zum Roten Kreuz an einer markanten Wegkreuzung (Bild mit der Hl. Familie), dort gute Parkmöglichkeit.
Wir finden nahe daran sogar ein etwas schattiges Plätzchen zum Parken (ideal wäre auch die Zufahrt per Rad) und folgen dem Fahrweg über den sanft ansteigenden Hügel hinauf. Nebenbei Felder, am Rain (sicher fossilreiche) Kalksteine, bei einer Strauchzeile (Weinweg-Pfeile) an die Ostseite wechselnd, gehen wir sogar einen frisch angelegten großen Weingarten entlang. Dann ist (kurz links) der Gipfel mit der gemauerten Säule des einstigen (dreisäuligen) Galgens erreicht. Übrigens gehörte Oberstinkenbrunn seit dem 16. Jh. zur Kartause Gaming, sogar mit der Hohen Gerichtsbarkeit! Ausführliche Infotafeln erinnern an die Tätigkeit des Naturschutzbundes NÖ, aber mehr noch merkt man dessen Aktivitäten am Westhang, wo sich statt Strauchaufwuchs eine fantastische, fast hochstaudenartige Halde breitmacht – beherrscht vom in Vollblüte stehenden Diptam, dazu typisch Blutroter Storchschnabel und aufrechte Waldrebe u. a. Neben diversen Spezialitäten (im Naturerlebnis NÖ von 2000 und im Internet nachzulesen) wird später noch das stattliche Brandkraut (Phlomis tuberosa) dazukommen, das wir bereits vom Eichkogel kennen, rot blühend, in den Gärten als gelbe Variante öfter zu sehen.
Wir steigen über diesen prachtvollen Hang, voll mit dem Fotografieren beschäftigt, bis zum Querweg ab und gehen auf diesem zurück zum Ausgangspunkt. Als Variante hätten wir auch den Stinkenbrunnerweg im Altenberggraben nehmen können, aber inzwischen ist es mittägig so warm geworden, dass wir lieber auf der luftigen Anhöhe bleiben. Außerdem lechzen wir schon nach der wie meist mitgenommenen Mittagsjause und einem kühlen Getränk, bevor die Fahrt weitergeht. Wenn man einmal von zuhause in den Voralpen die weite Strecke ins Weinviertel bewältigt hat, liegen dort dann die Exkursionspunkte eigentlich nahe beieinander. Wir wollen noch den Kasperlberg bei Goggendorf an der Schmida besuchen, den wir von der dort erlebten fantastischen Diptamblüte in Erinnerung haben (als Tour im Großen Wandererlebnis NÖ enthalten). Vorwiegend auf Nebenstraßen gelangen wir so über Wullersdorf und Mittergrabern durch hübsche typische Weinviertler Landschaft in das kleine Dorf Sitzenhart, von dem wir noch nie gehört haben und das wahrscheinlich nur einheimischen ein Begriff sein könnte. Unsere Wanderkarte zeigt aber von dort aus einen Güterweg in Richtung unseres Ziels, und tatsächlich langen wir (Anni am Steuer und ich mit Karte als Navi daneben, wie vielfach bewährt) zu dem uns schon bekannten Ziel, dem Kasperlberg nordwestlich von Sitzendorf an der Schmida und dem kleineren Talort Goggendorf.
Der Kasperlberg, ein verlorener Exkursionspunkt
Als ich noch als Wanderexperte meine Tipps mit ORF-Radio NÖ aufgenommen habe, war einmal die nun auch als Naturkochkünstlerin und Buchautorin bekannte Jenny Frank meine Reporterin. Obwohl sie aus der Gegend stammt, hat ihr der Name Kasperlberg anscheinend nicht viel gesagt, nur dass vielleicht ihre Mutter mit den Kindergartenkindern dort hinaufgewandert ist. Der Gipfel ist halt auch echt weinviertlerisch nur einer von vielen Hügeln, die sich am Ostrand der Schmidasenke aneinander reihen und inmitten der Feldlandschaft als kleine Waldkuppen hervortreten (hervorstechen wäre zu viel gesagt). Warum wir seinerzeit nach Goggendorf kamen, hat einen besonderen Grund – hier gibt es neben der bekannten “Blauen Wand” bei Oberschoderlee ein Vorkommen der Europa-Hornmelde / Krascheninnikovia ceratiodes. Dieser obskur klingende Name verrät schon die Herkunft aus den Lössgebieten Zentral- und Ostasiens, als eiszeitliches Kältesteppenrelikt in Österreich nur an diesen beiden Orten auftretend. Wir sich attraktive Bilder davon erwarten sollte, wird schwer enttäuscht sein, denn diese kleinen Büsche fallen mit ihren sternhaarigen grauen Blättern erst auf, wenn sie sich im Herbst rotbraun verfärben sollen. Trotzdem stechen sie aus den ockerfarbigen Lösshängen wegen mangelnder Konkurrenz irgendwie hervor, in Goggendorf ist (neben einer anderen von uns entdeckten Stelle weiter südlich) der Hang oberhalb der Weinkeller der Kellergasse damit bewachsen.
Bei unserer seinerzeitigen Rundwanderung (womöglich schon mehr als 20 Jahre her) haben wir beim Abstieg vom Kasperlberg einen außerordentlich prächtigen Standort entdeckt, den ich als “Diptamweg” beschrieben habe. Diesen wollen wir nun wieder suchen! Als Anhaltspunkt dient uns der mit einem großen Kreuz versehene Geißbühel, Gipfelhöhe 356 m, Höhenunterschied vom Tal aus kaum 120 m, aber in der ebenflächigen Landschaft trotzdem auffallend, wie der gesamte Ostrand des Schmidatals, wo zwischen Äckern und Weingärten und Mischwäldern (vielfach Robinien, aber auch Föhrenbestände) sich immer wieder pannonische Blumeninseln befinden, wie ich einem fb-Bericht zur gleichen Zeit von Stefanie Bartl entnehmen konnte. Mit schwacher Erinnerung und der nur etwas hilfreichen Spezielkarte entdecken wir doch noch den Zugang zu unserem in der Erinnerung wohl verklärten “Diptamweg”. Allerdings sind dort Sträucher und Bäume inzwischen so hoch aufgeschossen, dass der (noch immer üppige) Diptam nun fast völlig im Gehölz verschwunden ist. Die Hauptattraktion meiner Tour auf den Kasperlberg ist also wirklich kein Theater mehr wert und ich werde in Zukunft darauf verzichten.
Wir fahren über einen steilen und engen Güterweg durch die Wälder und Weingärten hinab nach Goggendorf, dann gleich durch die Kellergasse noch einmal hinauf, bis wir die Heimfahrt nun voll “naturgesättigt” antreten. Immerhin haben Anni und ich eine Menge neuer Digitalbilder eingeheimst, und der Weinvierteltag war durchaus angenehm, nicht zu heiß trotz Sonne und mit einer überraschend eingeschlagenen Rückfahrt über Tulln, mit der Hinfahrt über Traismauer also sogar eine ausgiebige pannonische Runde durch das Weinviertel.