Bichleralpe – schon beim ersten Schnee, nicht auf dem “Normalweg”
17. Dezember 2014 von Bernhard Baumgartner
Über den “Normalweg” von Josefsberg heißt es im Gipfelbuch: Der Steig wird immer schlechter! Bei unserer Tour am 16. Juli waren wir allerdings überrascht, wie relativ problemlos der Aufstieg nun ist im Vergleich zum Zustand nach den Waldverwüstungen vor einigen Jahren. Sicherlich – zwar markiert, aber im Aufstieg oberhalb der von der Winkleralm-Brache kurz weiterleitenden Forststraße nur Trittspuren, einen regelrechten Steig gibt es nur im noch erhaltenen Hochwald.
Diesmal, am 22. November 2014 (ich berichte nachträglich zu meinem Kurzbericht im facebook), wollte ich die Tour auf die “Bichleralm” von Fadental aus angehen. Denn dort kenne ich die Route über den Gscheidsattel und den Südostkamm zwar vom Winter als auch von sommerlichen Begehungen, aber irgendwie erschien mir der Verlauf im Vergleich mit der Karte nicht ganz optimal (Steilaufstieg über die Gscheidwiese gegen Nordosten bedeutet einen unnötigen “Umweg”, ohne Weg natürlich!). Der stillgelegte Gasthof Labenbacher wie immer ein deprimierender Eindruck, dafür ein schöner Spätherbsttag mit Reif und leichtem Frost in den Hochtälern. Wie der Wegweiser zeigt, wende ich mich Richtung Mitterbach bzw. Friedenstein.
Im Grenzgraben ist es saukalt, dass ich froh über Handschuhe und die Ohrenklappen im Wanderkapperl bin! Sonst nichts Auffälliges – oder doch, immer wieder ein Grenzstein mit alten Buchstaben (Herrschaft Mariazell oder ähnlich, Bundesforste). Weiter oben wird aus dem schon älteren Forstweg eine ziemlich neue, mit Kehre vom Sattel herab ziehende Forststraße. Die noch immer erhaltene Markierung folgt dort dem ziemlich verwüsteten Graben am alten Zaun entlang, vorher führt rechts schon eine Lichtung zur nordwärts ansteigenden Gscheidwiese (Aufstieg für die Schitour). Kurz danach bin ich auf dem Gscheidsattel, wo rechts im Wald ein Felszacken aufragt – der “Markstein”, eine natürliche Grenzmarke zwischen Niederösterreich und der Steiermark. Sogar mit einem Felsenfenster! Dieser Grenzverlauf war zwischen den Stiften St. Lambrecht und Lilienfeld im Mittelalter sehr umstritten – durch einen geografischen Trick verlegten die Lambrechter die urkundliche Besitzgrenze von St. Sebastian hierher, und so ist es auch geblieben, durch die Resignation der Lilienfelder Möche seither die Landesgrenze. Interessant und folgenschwer war die Grenzlinie nur in der Besatzungszeit, als die Zonengrenze zwischen Russen und Engländern hier verlief und nicht vor den Toren von Mariazell.
Auf der Gscheidwiese war für meine Tour die entscheidende “Wegscheide”: Rechts (also nordöstlich) führte unsere bisherige Route entsprechend der Schitour hinauf zur flacheren Berghöhe oberhalb des Reutriegels, dorthin zweigte auch von der Sattelwiese ein Forstweg vorbei an einem Wegkreuz ab. In der ÖK gibt es aber auch einen “Fahrweg”, der in Bögen von der Sattelwiese am Gscheid (dort Markierungstafel zwischen Fadental und Mitterbach, solche werden immer wichtiger!) gegen Norden zum Kamm hinaufzieht. Die nordöstliche, mir schon bekannte Route wollte ich ja vermeiden (oder verbessern), also nahm ich den linken nordseitigen Forstweg und stieg bei dessen naher Verzweigung direkt über die tief eingeprägten Spurrinnen der Rodungsfahrzeuge ziemlich mühsam bergwärts auf. Oberhalb der steilen Waldzone erreichte ich dann den freundlicher wirkenden westlichen Rand der Gscheidwiese und oberhalb einer Hangverflachung einen Rastplatz mit schönem Ausblick (wie auf den vorigen Bildern, der Ötscher schaut nur kurz über die Baumwipfel her).
Nach kurzer Rast mit Fotostop beim Zaundurchgang war mir immer noch nicht klar, wie es weitergehen sollte! Oberhalb quert eine neuere Forststraße von Westen her, aber darüber nur steiler, von einzelnen Felsstufen durchsetzter alter Fichtenwald… Die nächsten Schritte führten aber bereits zur Lösung des Problems. Kurz auf der Forststraße nach rechts – und ach, wie wunderbar – dort zweigt gleich der in der ÖK eingetragene Fahrweg bergwärts leicht links haltend ab! Diesen entlang stieg ich mit einer Wendung oberhalb der Felszone auf und kam so zur nächsten Hochwiese, wo der Fahrweg flacher nach Osten hinüberschwenkt und die Kammlichtungen auf unserer bisherigen Route erreicht. Nun verließ ich aber den Fahrweg und stieg direkt über die muldenförmig eingesenkte Hochwiese zum Kamm hinauf. Dort führt ein kurzer Walddurchgang zur oberhalb gelegenen Kammmulde – und in den ersten Schnee!
Dieses Gelände erschien mir nun schon vertraut! Auf spärlichen Spuren querte ich durch den flachen, teilweise sumpfigen Kammwald an die Nordseite. Dort ist der Waldrand von Totholz gekennzeichnet, kahle “Steher” ragen zwischen Jungbäumen auf, teilweise gibt es noch gewaltige Baumriesen, und schmale Schneisen weisen weiter am Kamm entlang zu südseitig gelegenen Lichtungen. Es ist dort ziemlich unwegsam, besonders wenn viel Schnee liegt etwas mühsam zu bewältigen und vor allem unübersichtlich. Von einem ausgeprägteren Kamm mit abermals schöner Aussicht musste ich rechts in den Wald zurück. Dort aber traf ich sogar auf eine Wegspur, die zur nächsten und höchsten Almwiese mit kleiner Jagdhütte und Quelle führte.
Vom Jagdhütterl führt eine Steigspur durch den dichten Forst weiter – hier begegnete ich sogar einem “Bergläufer” – und erreicht die Dolinensenke am Südostkamm, wo der Abstieg Richtung Sabelstube abzweigt. Nun war es nicht mehr weit über die Lichtungen hinauf zum kleinen Gipfelkreuz!
Die am Kamm kurz westlich bergab erreichte “Gipfelkanzel” ist wahrlich einer der schönsten Blickpunkte auf den Ötscher! Ich möchte, nachdem uns die hochsommerliche Begehung heuer endlich gelungen ist (Flora durchaus voralpin, keine Besonderheiten bemerkt), endlich einmal dort oben den Ötscher fotografieren können, wenn die Lärche goldene Nadeln hat…
So spektakulär die Panoramaaufnahmen in einem Buch wirken (im neuen Naturparkführer wie im letzten “Ötscher & Ybbstaler Alpen” mehrfach enthalten und auch für die kommenden “Voralpen” fleißig aufgenommen), so wenig geben sie im Internet her (außer als Headerbild). Aber nur in einem Panorama bringt man halt Ötscher und Gemeindealpe und den allerdings kaum mehr erkennbaren Gesäuseblick unter! Für die Gipfelrast und Gipfelschau hatte ich mich diesmal, weil ich vorher noch etwas einkaufen musste, mit einer ganz ungewöhnlich opulenten Jause eingedeckt, wie im Bild zu sehen… Dann ging es an den Abstieg.
Vom obersten Südostkamm zeigt sich zwischen den aufwuchernden Fichten gerade noch der Durchblick auf den Schneeberg, aber auch der wird bald zugewachsen sein. Damit komme ich zum Bergnamen dieses selten schönen und einsamen Gipfels: Bichleralpe – das sagt zwar niemand, aber ein Gipfel kann eben nur mit Alpe benannt werden, obwohl jeder Einheimische “Bichleralm” spricht; richtig für die Bezeichnung “Alm” ist eben nur die Alm, möglichst mit Halterhütte, wie Hofalm, Feldwiesalm usw. Hier auf der Bichleralpe gibt es schon seit Jahrzehnten keine Alm mehr, obwohl der Berg nach der Alm des Bichlerbauern (wo ist der? frage ich mich als zwar Bewanderter, aber nicht ganz Einheimischer) benannt ist. Denn das ganze ostseitig leicht abfallende Gipfelplateau wurde bereits vor 1970 zugeforstet. Nun zu meinem Rückweg für die Runde von Fadental (die Runde von Josefsberg habe ich bereits im Sommer beschrieben). Die obersten Lichtungen am Südostkamm enden, an einem kleinen Dolinenschacht vorbei, in einer ausgeprägten ebenfalls dolinenartigen Senke. Dort geht es links (nördlich) zu einer Schneise hinaus, und darin absteigend wird eine anschließende Waldwegpassage und in der Rinne danach rechts die neue Forststraße erreicht (in der ÖK noch immer der alte Karrenweg).
Weil der weitere Abstieg durch den Graben durch die steile Böschung und einzelne liegende Bäume behindert wird, geht man links auf der Forststraße weiter und gelangt auf eine Verflachung mit Hochstand und kleiner Hütte. Ausblick über den Sulzberg zum Göller und Schneeberg! Hier führt rechts eine Lichtung hinab zum Wiesenboden (mit zur Seite geschobenen Felsbrocken und natürlich mit Hochstand) und von dessen unterem Ende zur alten Forststraßenkehre bei Höhe ca. 1240 m in der ÖK. Ich blieb diesmal gleich auf der neuen, vom Südostkamm her kommenden Forststraße und ging von der kleinen Hütte ebenfalls auf der Forststraße weiter, die den Bichleralpen-Nordhang erschließt und weithin sichtbar ist. Hinunter zur Sabelstuben sind es dann ohnehin “nur mehr” ein paar Kehren, aber die lassen sich nicht vermeiden.
Von der “Sabelstuben” (P. 1066 m der ÖK) geht die alte Waldstraße hinunter nach Fadental, der bessere Mariazellerweg als die markierte Route über Josefsberg, die den steilen Saugraben queren muss (wenn über Josefsberg nach Mariazell gehen, dann über Joachimsberg und Wienerbruck, eigentlich immer abseits der Hauptstraße). Dann taucht ein bisher nicht dagewesenes Hindernis auf:
Aha, jetzt bin ich wieder im Revier der Forststiftung mit dem sogenannten (Pseudo-)Wildschutzgebiet im Lärchentrog an der Sulzberg-Südseite! Mich bekümmert das alles bald nicht mehr, so ärgerlich diese Absperrungstendenzen auch für alle Touristen sein müssen. Hauptsache, der Zustieg auf den Sulzberg, und zwar der einzig vernünftige, wenn man nicht die alten und längst abgekommenen Steig suchen will (wie wir zuletzt von Ulreichsberg auf den Kleinen Sulzberg), ist nicht gesperrt, sondern die Hinweis- bzw. Verbotstafeln leiten auf die neue Umgehungsstraße.
Das Hinabwaten durch das raschelnde Rotbuchenlaub weckt förmlich Kindheitserinnerungen in mir… Und der Blick von der letzten Bergecke rechts hinab in den Graben des Lauterbaches verleitet mich zu einer Idee: Am ersten Stück meiner Tour bin ich nach dem Landhaus und noch vor der Wegwendung in die Schwarzwalster am klammartigen Austritt dieses Baches vorbeigekommen. Das müsste doch eine kleine extreme Schluchttour sein! Womöglich im Winter mit viel Eis und Schneepolstern…
Bei der Rückfahrt über Ulreichsberg komme ich wieder in die Kälteinsel des Hochtals, und bei der Kreuzung Fadental / Walster ergibt sich ein überraschendes Bild mit malerischen Nebelstreifen, hoch über den Wäldern ragt sogar von hier aus zu sehen der Göller.
Hat einst der Rudi Carrel gesungen: “Wann wird es endlich einmal wieder Sommer?” so können wir das heuer schon wieder abwandeln in: “Wann wird es endlich wieder einmal Winter?” An den vom Herbst noch immer erhaltenen letzten Blüten (Alpen-Steinquendel) gemessen, mögen da gewisse Zweifel an der Klimaveränderung müßig erscheinen…
“Nicht desto Trotz…”, oder wie der Spruch lauten mag – ich freue mich schon auf diese Bichleralm-Route im nächsten Frühsommer, oder vielleicht doch mit Tourenschi vorher?