Gipfeljagd oder Jägergipfel? Im oberen Schwarzatal.
15. Dezember 2021 von Bernhard Baumgartner
Seit dem Frühsommer ist mein Wandertipp-Blog wirklich zu kurz gekommen, vor lauter Arbeit an der Natur Niederösterreichs nämlich. Nachdem dieses Doppelprojekt jetzt endlich ENDLICH wird (dem Finale zu geht), kann ich wieder im Blog nacharbeiten. Anlass ist diesmal mein Tipp in der Zeitschrift der Arbeiterkammer NÖ / dem “treff”, der zugleich auch im Internet der Naturfreunde NÖ öffentlich wird.
Zuerst zum Gebiet: Das obere Schwarzatal bei Rohr im Gebirge bzw. bei der Kalten Kuchl. Da gibt es zwei Tausender, bei welchen man sich nicht sicher sein kann, ob es bei den beiden Touren um die Jagd nach Gipfeln geht (siehe das “Tausenderwandern” von meinem Freund und Autorenkollegen Werner Tippelt) im seinerzeitigen “Wandern in NÖ” beim Residenz bzw. NP-Buchverlag in St. Pölten). Da ist zunächst, östlich von Hohenberg gelegen, der …
HEGERBERG – eine 1179 m hohe Waldpyramide nordwestlich von der Kalten Kuchl. Dort hatten Anni und ich am 22. November 2020 ein ganz eigenartiges Erlebnis – um die Mittagszeit (!) von einem Hochstand herunter von einer Jägerin angesprochen, worauf wir rücksichtsvoll – um die Wildbeobachtung nicht zu stören, worum es sich nur gehandelt haben kann – auf den Gipfel verzichteten (Bericht im Blog müsste zu finden sein, > Suche: Hegerberg).
Diesmal ging es aber um den höheren Gipfel, sozusagen den Hausberg von Rohr im Gebirge, nämlich …
DIE JOCHART, beide Touren in meinem Voralpenführer enthalten!
“Normalerweise” besteigt man DIE Jochart (Name kommt aus dem Slawischen und zwar von “ochatz”, was Bergahornbäume bedeutet) von Rohr im Gebirge aus entlang der blauen Markierung über das interessante Schacherbauernkreuz (Wallfahrermarterl aus dem 19. Jh.). Der Abstieg als Rundtour verläuft vom Gipfel östlich über das Hammerleck in den Klausgraben und zurück nach Rohr, wo ich jetzt endlich herausfinden muss, ob die traditionelle Einkehr im Gasthof / Hotel Bauer vorübergehend oder dauernd geschlossen oder doch geöffnet ist (wäre schade um diese gemütliche Einkehrmöglichkeit). Wir fahren aber vom Gölsental aus lieber nur bis zur Roßbachklamm in Innerhallbach (vor der Kalten Kuchl) und besteigen die Jochart von dort aus. Bisheriger Nachteil – es bietet sich keine Rundtour an… oder doch? Beim Kartenstudium und Geländerkundung war mir doch eine Möglichkeit aufgefallen, nämlich Abstieg über die Raidelwiese wieder ins Roßbachtal (diese Wiese war übrigens vor einigen Jahren wegen eines Flugzeugabsturzes sogar in den Medien präsent). Ich war mir so sicher, dass diese Rundtour sogar schon in meinen Voralpenführer Eingang gefunden hat, allerdings nur als “Hinweis” auf die Tourenmöglichkeit.
Zur Tat “schritt” ich (für eine mehrstündige teilweise noch dazu Orientierungs-Wanderung leicht untertrieben) am 13. Oktober 2018, und so konnte ich an diesem traumhaften Herbsttag eine wirklich wunderbare Tour erleben, die ich jetzt schildern will. Für Nachbegeher allerdings zu beachten – der Abstieg ist unmarkiert und führt durch das Gelände eines “Jägergipfels”, wie bei der Überschrift schon angedeutet. Also Zufahrt bis zur Roßbachklamm. Nicht gerade ermunternd, waren dort beim Parkplatz vor einiger Zeit sogar “Befristete Sperrtafeln” vorzufinden (natürlich wie meistens ohne Sperrtermin und Verordnung der BH Lilienfeld, also ungültig). Beim Roßböckhof vorbei (dort wirkte vor langer Zeit ein berühmter “Bauerndoktor”, der “Roßböck”, der sogar durch eine Beschreibung durch den Dichter Franz Nabl in die Literatur eingegangen ist). Uns war nur bekannt, dass unser Gemeindearzt von St. Veit (MR Dr. Otto Hausleitner, mein “botanischer Mentor”) immer wieder dort war. Die Nachfahren des Bauerndoktors, vor allem durch besseres Einrichten von Knochenbrüchen als in den Spitälern bekannt, praktizieren mit ihren Salben übrigens noch im nahen Hegerhof an der Straße Richtung Kalte Kuchl, selbst einmal dort um die heilsame, aber fürchterlich stinkende “Hiaslschmiar” gewesen. Wer den Roßböck jetzt bewirtschaftet, weiß ich nicht, habe nur die Maschinene eine St. Veiter Bagger- und (?) Forstunternehmers dort gesehen.
Durch vorherige Wanderungen schon orientiert, konnte ich gleich eine Abkürzung hinauf zur Roßwiese (unter dem Jochartgipfel, im letzten Bild mit Blick zum Unterberg, im Frühsommer zahlreiche Orchideen) gehen, am besten sieht man den Verlauf aus der folgenden Karte: Nämlich vom Roßböck weiter Richtung Rohr gehen (markierter Weg), nach der großen Sattelwiese am von mir so benannten Roßbbach-Gscheid jedoch auf dem neueren Forstweg weiter (der idyllische alte markierte Waldsteig ist leider abgekommen). Auf dieser Forststraße könnte man bis zum Schacherbauernkreuz weitergehen und dort in die blaue Jochart-Markierung einsteigen. Ich weiß aber, auf einem schon weitaus vorher links abzweigenden Forstweg kommt man ebenfalls zu dieser Markierung (zuletzt etwas verwinkelt, aber immer auf gebahntem Weg bleibend, kann kaum etwas schiefgehen). Nun geht es Jochart-mäßig steil durch den Wald hinauf zur schon beschriebenen Roßwiese und mit nochmaligem Steileranstieg hinauf zum Gipfel. Neben dem Gipfelkreuz gibt es dort ein Rastbankerl mit überraschendem Inhalt, nämlich einem (von mir noch nie leer vorgefundenen und selbst auch nachgefüllten) Schnapsflascher. Andere Wanderer sind dort eine Seltenheit, und wenn wer hier heraufkommt, geht er denselben Weg zurück oder rechts rot markiert über das Hammerleck wieder ins Tal.
Für mich wird es jetzt erst spannend – wie wird sich der Abstieg zur Raidelwiese (von dort talwärts nur mehr Forststraße und problemlos) entwickeln? Aus der Aufstiegsrichtung gehe ich beim Gipfelkreuz also nicht rechts (östlich, Hammerleckmarkierung) sondern links westlich bis zum Waldrand, der hier scharf ausgeprägt ist, denn weiter westwärts erstrecken sich nur mehr freie Flächen von Windbrüchen und Holzschlägen – “frei” ist vielleicht irreführend, denn inzwischen wird der Wald schon wieder aufzuwachsen beginnen. Die Spuren der Rodungsmaschinen und die anschließenden Ziehwege haben mir damals eigentlich den Weg geebnet!
Im Bild sieht man schon ungefähr, wie der “Weg” hier ausschaut – jedenfalls eine Schotterspur, am Waldrand entlang, und nach meiner Erinnerung kam dann bald ein “stärkerer” Forstweg, der mich zur Raidelwiese weiterleitete. Diese Wiesenmulde wird sommersüber ziemlich sicher als Almweide genützt, jetzt im Herbst ist alles steill und einsam, aber der Zweck der Örtlichkeit ist unverkennbar – eine ziemlich neue Jagdhütte, zum Glück ohne Besetzung, außerdem ist ja gerade Mittagszeit, was aber – wie am Hegerberg erlebt – auch nicht vor Jägeranwesenheit schützt…
Eigentlich kann jetzt nichts mehr passieren, denn ein Abweichen von der Forststraße bietet sich keinesfalls an, und diese führt sicher hinunter zum Roßbachgscheid, wie bereits ausgekundschaftet. Die Route wendet sich im Bogen über Süden gegen Südosten und gelangt in den steilen, teils felsdurchsetzten Waldgraben am Südwesthang der Jochart (das ist aber nicht der “Jochartgraben” der Österr. Karte wohlgemerkt). Die Landschaft wird immer wilder, gegenüber türmen sich Felsklippen aus – sie markieren mit ihrem Wettersteinkalk den Stirnrand der Ötscher-Unterberg-Decke, wie er auch am Nordhang des Hegerberges, in der Roßbachklamm und am Unterberggipfel in Erscheinung tritt. Wie die Forststraße zu Kurven gezwungen ist, kommt man unmittelbar in den Bereich dieser wilden Felspartie. Dann aber geht es nur mehr bergab und immer weiter bergab, bis die Sattelwiese erreicht ist und der gemütliche Ausklang beim Roßböckhof vorbei zum Parkplatz vor der Klamm die Tour beendet.
Übrigens ist die nette kleine Wanderung von der Roßbachklamm hinüber nach Rohr mit (fraglicher) Einkehr beim “Franz-Joseph” und dem gleichen Rückweg zu allen Jahreszeiten ein hübsches Erlebnis, noch dazu weil talaus einige bemerkenswerte Feuchtflächen zu finden sind, und außerdem wächst in den Felsen der Roßbachklamm die sonst überaus seltene, in den Voralpen (Retzbachtal bei Türnith, Kothbergtal bei Lunz am See, Ulreichsberger Klamm und sogar Schwarzwalster) aber vereinzelt vorkommende Anemonen-Schmuckblume wächst, Blütezeit im eher zeitigen Frühjahr. jetzt im Herbst bemerkt man kaum mehr die erst nach der Blüte ausgetriebenen Blätter.