“Frühlingschauen” im Ybbstal
3. Mai 2019 von Bernhard Baumgartner
Für die Anemonen-Schmuckblumen u. a. subalpine Frühblüher war ich am 23. März im Retzbachtal bei Türnitz noch ziemlich zu früh dran, aber immerhin schon wenige Erstexemplare gefunden:
Nach all den Berichten im Facebook, vor allem auch mit subalpinen Blüten auf den schneefreien Gipfelregionen (z. B. Student), schien es mir nun höchste Zeit, wieder Nachschau zu halten. Noch dazu weil ich mich gerade mit den Naturschätzen Niederösterreichs beschäftigt hatte. Und für die Schmuckblumen gibt es halt keinen intensiveren Standort (meiner Erfahrung nach) als das Kothbergtal bei Lunz am See. Kurz zuvor vom Osterfamilienurlaub in Grado zurückgekommen, schien mir am 25. April schon die Fahrt durchs Pielachtal Richtung Eisenwurzen recht lang, und tatsächlich kamen bis am Abend 213 km Fahrtstrecke zusammen… Also muss das Interesse schon sehr schwerwiegend sein, dass sich solche Unternehmungen auszahlen (“auszahlen” sowieso nicht…)!
Kürzeste Zufahrt genommen: Geiseben – Kirchberg – St. Anton – Gaming, bald nach der Tankstelle von der Grubbergstraße rechts abgezweigt Richtung Pfaffenschlag. Auf der Bodinbachstraße geht es schon abwärts auf die Ybbs zu, und hier muss man achtgeben, den richtigen Startpunkt zu finden, weil etliche Gräben in die einsame Berggegend hinüber zur Kleinen Ybbsitz führen (Hoamat, Gscheid mit dem Pilgerweg). Aber “Stockgrund-Kothbergtal” kann man nicht verfehlen, und gleich am Anfang der Seitenstraße parkt man am besten. Nun geht es auf der Asphaltstraße weiter, die das Kothbergtal eigentlich dominiert. Denn dieses besteht daneben nur aus dem südlichen Steilrand und dem munteren Bach. Jenseits erkenne ich am steilen Dolomithang eine Wegspur, die ich mir für den Rückweg merke.
Landschaftsbilder kann man in diesem engen Graben kaum lohnend machen, aber dafür stehen die Hauptaktöre – Clusius-Primeln und Anemonen-Schmuckblumen – in schönster Vollblüte. Daneben noch unscheinbare Begleitflora, aber überraschend fehlen – Aurikel, Enzian, Silberwurz… und die hier auch schon zahlreich gesehenen Steinröserl (Daphne cneorum). Die kaum 1,5 km lange Schluchtstrecke nimmt wegen dem Suchen und Fotografieren ganz schön Zeit in Anspruch, obwohl ich bereits bei der ersten Brücke rechts hinein in den Jägergraben abzweige. Dort gibt es an der weniger steinigen als rasigen Böschung noch einmal ein Riesenaufgebot an Schmuckblumen. Für die geplante Rundtour (nach dem “Naturerlebnis NÖ”) soll ich jetzt auf einen alten Steig rechts hinauf abzweigen – die Stelle ist nicht zu verfehlen, denn ein “Jagasitz” und eine Verbotstafeln markieren den Beginn des Jagdgebietes, könnte als Wegweiser gar nicht besser passen!
Der unbezeichnete Steig, stellenweise als alter Karrenweg erkennbar, führt durch die Steilhänge leicht steigend rechts eigentlich talaus in den Kothberggraben. Von einer Waldmulde geht es auf einem Forstweg, ein paarmal durch Windwürfe behindert, weiter zu einem Sattel mit einem etwas desolat wirkenden Landhaus, gleich danach abwärts. Dort steht oberhalb eine Hütte, bereits für “Urlaub am Bauernhof” beschildert. Die Landschaft wird hier durch kleine Wiesen zwischen Waldrändern bestimmt, nach leichter Gegensteigung folgt eine mehrfache Kreuzung, und rechts voraus erblickt man schon das Haus Hinter Breiteben.
Hier muss man gleich rechts neben dem Haus (samt Badetopf für die Urlauber) auf der Wiese weitergehen, eine Baumzeile entlang. Ich folge dem rechten Fahrweg – allerdings mit Prachtblick auf die Voralm mit Stumpfmauer und Tanzboden – und merke zum Glück, dass diese Richtung in die Irre führt. Davon links auf einem schmäleren Forstweg abzweigend wäre ich auch richtig gegangen, aber zur Sicherheit überquere ich den Waldkogel zur Linken und komme zu den wunderschönen Wiesenböden zwischen Hinter und Vorder Breiteben.
Nun wird es immer frühlingsmäßiger, nicht nur wegen dem intensiven Grün der vielfach gedüngten und auf jeden Fall “geräumten” Wiesen, sondern auch Kirschbäume und Kastanien haben es schon eilig, der Garten vom bewohnten und bewirtschafteten Haus Vorder Breiteben (der Besitzmittelpunkt) pragt ohnehin schon mit Tulpen und Narzissen. Hoher und noch schneebedeckter Hintergrund sind Hetzkogel und Dürrenstein. Der Abstieg und Rückweg erfolgt nun problemlos auf dem asphaltierten Güterweg und der Bodingbachstraße. Wie wir seinerseits mit Werner gegangen sind, weiß ich nicht mehr, nehme aber nach der Straßenkurve den zweiten abzweigenden Seitenweg (nicht den ersten erwischen!), der mich höchst angenehm in den vorderen Kothberggraben hinabführt. Dort sehe ich endlich oberhalb auf der Dolomitwand die ersten Aurikel und Enziane! Aber nur schwer erreichbar – ebenso wie die Straße, wo das Auto steht. Mir bleibt nichts anderes übrig, als einer flachen Stelle den Bach zu durchwaten!
Nun beginnt die Suche nach der Enzianwiese am sogenannten “Zigeuner”, dem Übergang vom Kothbergtal nach Kogelsbach. Zuerst halte ich mich zu weit links und lande nach einem Gehöft mit Sägewerk zwar auf einem Sattel, aber nur mit Wirtschaftswiesen. Die MTB-Wegweiser sind keine Hilfe, denn die führen im Kreis. Besser geht es mit den spärlichen Markierungstafeln des Wanderwegs Richtung Kogelsbach (zweimal rechts haltend). So komme ich endlich zu einer Kapelle mit Kastanienbaum nach einem landhausmäßigen Bauernhof. Überhaupt ist der weitläufige Talhintergrund erstaunlich bewohnt, merkt man an den Autos und einzelnen Wohnhäusern. Die bäuerliche Bewirtschaftung ist eher großflächig von einigen Höfen aus, aber sehr intensiv. An die Wiesen neben dem Sattel kann ich mich erinnern, vor etwa 20 Jahren hat uns hier Werner die vielen Clusius-Enziane gezeigt und beklagt, dass sie immer wieder ausgegraben werden (Hauptursache für Verschwinden mancher schmucker Blumen in die lokalen Hausgärten, wie besonders in Annaberg mit dem Frauhschuh!). Nun ist von solchen ursprünglichen Enzianwiesen nichts mehr übrig, alle halbwegs abgeflachten Stellen sind begüllt und geputzt, nur mehr einförmiges Rasengrün ist übrig geblieben. Da hat man wirklich versäumt, ein Naturdenkmal rechtzeitig zu installieren – wie schwierig das ist, merkt man ja an anderen Stellen (Hauswiesenmoor in St. Oswald / Yspertal mit dem Siebenstern, Liasnböndlwald am Hainfelder Kirchenberg mit dem Zungen-Mäusedorn, beides überregional bedeutenden und unersetzlichen Raritäten). Übrig geblieben ist nur der kleine Steilhang hinauf zum rechten Waldrand, und hier stehen sie endlich – nach der Vopperei durch einige Flecken mit Wiesenenzian – die Kalk-Glockenenziane / Gentiana Clusii. Sie sind gerade am Aufblühen, die Blattrosetten von der Trockenheit etwas beeinträchtigt. Gleich geblieben ist auch der fantastische Blick zur noch tief verschneiten Stumpfmauer und dahinter zu einem weiteren Gipfelzug in den Ennstaler Alpen.
Nun ist es schon halber Nachmittag! Ich freue mich schon auf die Einkehr beim “Schnesl”, der Konditorei in Göstling, aber die hat leider Nachosterurlaub. So fahre ich noch ein Stück in den wirklich wilden Steinbachgraben hinein, wo allerdings nach dem Parkplatz für die Ybbstaler Hütte schon das für Autos gesperrte Wildnisgebiet beginnt. Daher nur diesen Eindruck gespeichert und weiter nach Lunz zur Seeterrasse am Lunzer See mit kurzem Aufputscher (interessant der Preisvergleich mit Grado, wo wir in einem Cafehaus dasselbe um den halben Preis bekommen haben…). Die Hänge vom Scheiblingstein sind noch überwiegend kahl, oben noch alles verschneit, also für Touren noch nicht geeignet, höchstens man will noch einmal per Schi unterwegs sein. Ich fahre weiter über Langau (die Krokuswiese bei der Taverne lasse ich aus, wahrscheinlich schon abgeblüht). Einen Stopp gibt es noch kurz vor Neuhaus, wo vielfach noch Schneewandeln die Straße begleiten. Bei der Steigung vom Holzhüttenboden her entspringt nämlich eine mächtige Karstquelle mit Wasserfall. Dann bin ich endlich, beim schönsten Sonnenschein in Taschelbch.
Neben den vielen Krokusstandorten in den Voralpen ist die Krokuswiese in Taschelbach zwischen Neuhaus und dem Zellerrain noch die simpelste – gekennzeichnet durch die Infopunkte von Gaming und Eisenstraße. Allerdings gibt es hier nur den Weißen Frühlingskrokus / Crocus albiflorus, während die von der Herkunft etwas umstrittene Besonderheit – Crocus purpureus / Neapel- oder Adriatischer Krokus im Kerngebiet zwischen Kleiner Erlauf und Ybbsitz überwiegt. Von Neuhaus ins Faltltal gehend (gegenüber der großen Wildfütterung) findet man übrigens beide Arten, aber dort liegt sicher noch zu viel Schnee, und mir ist es an diesem Tag schon zu spät.
Von der jetzt auch nicht mehr neuen Zellerrainstraße aus zeigen sich die Mariazeller Gipfel noch tief verschneit, die Zellerhüte wie im tiefsten Winter, und drunten am Erlaufsee schaut die Gemeindealpe immer noch pistenmäßig herunter. Bei der Fahrt zwischen Mitterbach und Wienerbruck erfahre ich noch, wie es in den Ötschergräben ausschaut (subalpine Blüte und Schneereste), weil ich zwei asiatische Damen mitnehme, die eben diese Tour mit großer Begeisterung gemacht haben.