Wildnisgebiet Dürrenstein – Urwald Rotwald – Exkursion mit der Forschungsgemeinschaft Lanius
22. Juni 2019 von Bernhard Baumgartner
Das Wildnisgebiet Dürrenstein hat in letzter Zeit sogar die höchsten internationalen Anerkennungen erreicht. Wegen der Sensibilität dieses “echten” Urwaldes besteht ein strenges Betretungsverbot, und für Exkursionen besteht eine lange Warteliste. Umso erfreulicher war es, dass die Forschungsgemeinschaft LANIUS (Sitz in Spitz an der Donau) eine Exkursion dorthin ausgeschrieben hat, wobei Anni und ich trotz größter Eile gerade noch die zwei letzten Plätze ergattern konnten. Einmal hatten wir schon frührt, allerdings bei Regenwetter, an einer Urwald-Rotwald teilgenommen. Im Vergleich zum “Miniurwald” Lahnsattel (leicht erreichbar und auch interessant) ist der Rotwald natürlich eine viel höhere Liga der Naturraritäten!
Im Vergleich zu unserer ersten und seither letzten Urwald Rotwald-Tour um 1990 war die heurige wirklich ein toller Erfolg – vom Wetter begünstigt (erst fünf Minuten vor dem Autoabstellplatz begann es zu regenen) und vor allem durch die überaus ambitionierte und fachkundigste Führung des Wildnisgebiet-Rangers Förster Reinhard Pekny. Es war insgesamt eine Intensivvermittlung hinsichtlich Biologie, Geschichte (auch soziale und ökonomische Aspekte) und darüber hinaus eigentlich auch ein philosophisches Seminar…
Trefffpunkt am 20. Mai (Fronleichnamstag) um 9 Uhr in Langau, in Fahrgemeinschaften über Holzhüttenboden – Oisklause – Amaißhöhe – Jagdhaus Langböden (rund 11 Uhr, vor allem historische Einführung) – Gindelsteinbrücke – Umkehrplatz bei ca. Rothhausbach / Moderbach (Parkplatz). Alter Fußweg Moderbach-Nordseite und in weitem Bogen durch den Großen Urwald, höchster Punkt etwa an der Lichtung der Urwaldlahn (nach 2000 eine hundertjährige und in den Jahren nachher noch eine gravierende weitere Lahn, um noch 200 m länger den Wald “rasiert”). Übrigens Bäume im Lawinengrund gleichsam “entastet”, im zur Seite geschobenen Randbereich noch mit Ästen, zurück über den Rothausgraben und zuletzt (bei einsetzendem Regen) über das unterste Stück der Bärwiesstraße. Dauer der Urwaldtour ca. 5 Stunden!
In einem so geschlossenen Waldgebiet wie dem Urwald kann man wegen der Sonnen- und Schattenwirkung keine befriedigenden Landschaftsaufnahmen machen Daher versuche ich diese Route – selbst für uns als Geher nur schwer nachzuvollziehbar – zu beschreiben, und zwar mittels einzelner Schwerpunkt:
Zunächst ist es die ungeheure Wucht und Größe der Bäume – ein “normaler” Wald erscheint dagegen wie ein “Stanglwald”, sogar im Vergleich etwa am Lahnsattel zu erleben. Dazu kommt noch unmittelbar der wüste Eindruck mit all diesen irgendwann gestürzten und oft ineinander verkeilten Stämmen. Auf und in dem (nur scheinbar) toten Holz herrscht ein vielfältiges Leben, die Pilzgeflechte gehören ja zu den größten Lebewesen der Erde! Kadaverwuchs, Stelzenwurzeln und frisch gekeimte Pflanzen bilden sozusagen ein lebendiges Wirrwar, das keineswegs in einem Ruhezustand verharrt, bis es wieder zu Erde wird, sondern dabei in unglaublichen Wechselwirkungen mit der umgebenden und ineinander dringenden Natur begriffen ist. Viele Vorgänge von Bakterien, Pilzen usw. können wissenschaftlich noch gar nicht völlig durchschaut, keinesfalls aber reproduziert werden. Diese Wunderwelt hat uns Förster Pekny eindringlich und verständlich vermittelt!
Die hohen Baumkronen bilden zugleich einen Schutz für das Leben darunter, das sich aber auch erst wieder entwickeln kann, wenn Sonnenlicht durch Schneisen von gefallenen Bäumen eindringen kann. Das Bild des Waldbodens und der darauf wachsenden Riesen wechselt ständig und lässt bei der “Begehung”, eher einem mühsamen Vordringen – drüber und drunter – kaum Müdigkeit aufkommen.
Man kann kaum woanders von so viel Lebendigem umgeben sein wie in einem solchen Urwald! Trotzdem fallen Einzelheiten umso mehr auf – zunächst sind es die hier massenhaft vorkommenden Alpensalamander und riesige “Baumschwammerl”. Einen ganz seltenen, mit nur zehn Vorkommen in ganz Europa (wenn ich richtig verstanden habe), sehen wir zweimal – den Duftenden Feuerschwamm. Zwei Forschern sind wir hier auch begegnet, die sich ganz der Jagd nach Mäusen widmen, so wie etwa Thomas Hochebner (unser “Vogellehrer”) sich auf das “Urwaldgeflügel” spezialisiert hat.
Manche Begriffe haben wir überhaupt erstmals gehört – z.B. “Geotopie” – das heißt Baumschwämme wachsen immer horizontal: Im Bild sieht man einen älteren Baumschwamm, auf dem nach einer Lageänderung ein zweiter wieder horizontal gewachsen ist.
Das letzte Bild zeigt in seiner grünen Farbe auch ein Lebewesen (Pilz, Alge, Bakterien… in der Fülle der Eindrücke nicht gemerkt…), das für´s Zersetzen der Holzmasse zuständig ist. Übrigens gibt es in der Erd- und Lebensgeschichte einen Zeitpunkt, wo die Holzmassen nicht zersetzt wurden, sondern sich in dicken Schichten abgelagert haben – nachfolgend überdeckt, unter Druck, Erwärmung und Luftabschluss zu Steinkohle geworden. Da seit diesem Zeitpunkt der Evolution alles Holz zerfällt bevor es zur Inkohlung kommen kann, bilden sich seither keine Steinkohlenlager.
Ein markanter Platz ist jener “Holzschlag” (im Sinn von Lichtung), wo die Urwaldlahn vom Dürrensteinmassiv herab gekommen ist. In den letzten beiden Jahrzehnten zweimal als hundertjähriges und fünfhundertjähriges Ereignis! Danach haben wir bald auch den höchsten Punkt erreicht, und von nun an ging´s nur mehr bergab – aber wie………….. immer noch über Stock und Stein auf schwacher Spur, die man ohne den Führer kaum finden würde. Als wir den hellen Streifen einer Forststraße im späten Nachmittagsdämmern erblicken, ist auch schon höchste Zeit, dass unsere “Wanderung” schön langsam oder eher schnell zu Ende geht – denn die letzten fünf Minuten bis zu den Autos regnet es schon. Geschüttet hat es zum Glück erst später am Abend, als wir schon längst aus den “abgründigen Gegenden” des hintersten Oistals herausgefahren waren.
Ein einmaliges Erlebnis im wahrsten Sinn des Wortes, das wir wohl kein weiteres Mal werden genießen können!
Vielen Dank an die Laniusgemeinschaft und unseren Führer Reinhard Pekny – es war traumhaft!!!