St. Lorenzen am Speikkofel – das Bergdorf am Pilgerweg
13. Juni 2010 von Bernhard Baumgartner
Eigentlich heißt St. Lorenzen “in der Reichenau”, das aus ein paar Häusern und einem Gasthof bestehende Dörfchen mit seinen zwei Kirchen schmiegt sich aber in eine Hangverflachung an den weitläufigen Südhängen des Speikkofels in 1477 m Höhe. Damit ist die 1216 geweihte “Capella S. Mariae et S. Laurentii in alpibus” die höchstgelegene Pfarrkirche Kärntens. Der weitgehend ursprünglich erhaltene kleine Ort kann als eines der wenigen “Original-Kirchdörfer” gelten – ohne jegliche touristische Einrichtungen, außer dass man beim Pertlwirt wohnen und dort die echte Kärntner Küche genießen kann. Ja, geheiratet wird auch – in der Annakirche oberhalb am Waldrand, mit dem Anger davor und dem Blick über die harmonischen Nockberge ein vorzüglicher Platz für so einen “Lebenstag” (bei der Einkehr am Ende der Tour hat sich ein junges Paar gerade von der umsichtigen Pertlwirtin beraten lassen…).
Der Speikkofel ohne Eis und Schnee
Bei meinen Winter-Tourentipps und als Schneeschuhtour im Naturfreund 1/2010 habe ich den Speikkofel schon vorgestellt und hege die besten Erinnerungen an meine Backcountry-Tour auf diesen 2270 m hohen Nockriesen. Diesmal wollten wir ihn sommerlich kennenlernen – vom strahlenden Wetter her geglückt, aber entlang der Baumgrenze waren noch nicht einmal die Lärchen begrünt! Dafür erlebten wir die frühe Alpenflorablüte mit Enzian, Anemonen und Zwergprimeln. Interessant war die Route auch zur Erkundung des “Hemmaweges”, einer der Pilgerrouten nach Gurk, die hier von der Turrach aus vorbeiführt.
Unser Wanderweg
Zuerst hinauf zur Annakirche am Waldrand hinter dem Dorf, schon zeigen sich die ersten Enziane, während auf dem Falkert gegenüber und auch hoch auf dem Speikkofel und auf den zur Turrach ziehenden Gipfeln noch Schneefelder leuchten. Von der Kapelle führt ein Querweg links zur Markierung, die von St. Lorenzen direkt heraufkommt, und der anschließende Weg durch Lärchen- und Zirbenwald gehört zu den stimmungsvollsten, die ich je erlebt habe – ein Teppich aus Moos unter unseren Füßen…
An der Baumgrenze öffnet sich der fantastische Ausblick gegen die Südalpen, sogar jetzt bei Sommerwetter sind die markanten Gipfelgestalten, in deren Mitte der Triglav hervorsticht, klar auszunehmen – von den Steineralpen über die Karawanken bis zu den Karnischen und den Dolomiten, um nur das Fernpanorama zu nennen. Beim 1914 errichteten und 2006 zuletzt erneuerten “Lorenzer Kreuz” ladet der “Lorenzer Brunnen” zur Rast ein. In einer Stunde sind wir schon so hoch hinauf gekommen (über 1800 m), dass der Gipfel auch leicht erreichbar wäre, aber dort oben herrschen noch die trüben Farben des Winters. Außerdem wollen wir den Pfad hinüber ins Andertal für den Abstieg suchen.
Dorthin gibt es zwar eine Markierung in den Karten, aber kaum Spuren im Gelände. Zu finden ist die Route aber ganz leicht. Vom Brunnen bzw. Kreuz leicht links ansteigend kommt man zu einem ausgeprägten Steig, der weiter oben bei einem Zaunüberstieg beginnen dürfte. Wir erwischen den einladenden Weg und queren oberhalb eines typischen Tobels und durch Zwergstrauchheiden mit aufwachsenden kleinen Zirben (angepflanzt ?) westwärts zur wiesigen Bergschulter und weiter zur nahen Lorenzer Hütte. Die Almleute sind gerade dabei, sich für die Saison vorzubereiten (zur selben Zeit, am 24. Mai, lag im Vorjahr noch meterhoch Schnee, heuer ist alles längst ausgeapert). Nach einer Rast inmitten von Alpenanemonen machen wir uns an den Abstieg.
Durch das Andertal nach St. Lorenzen
Überall wie sonst in den Almbergen gibt es auch hier lauter neue Straßen (wo diese fehlen, wird keine Almhütte mehr bewirtschaftet, wie es scheint). Daher folgt auch nun eine Marsch auf der Almstraße, gut markiert um eine später folgende Kehre herum (der links bergauf abzweigende Forstweg hätte uns – durch unsere nicht mehr aktuelle Karte – fast in die Irre geführt), so kommen wir gut zur Wiesenlichtung am Moritzsattel. Hier erfolgt die Wendung Richtung St. Lorenzen, auf dem von der Turrach über Saureggen und durch das Gartental kommenden “Hemmaweg”. Bald leitet dieser von der Forststraße weg, gelangt durch urigen Bergwald zur eben neu ausgebauten Hoazhütte und gleich wieder abseits der Straße in den langgestreckten Kessel des Andertals.
Das Hochmoor im Andertal
Zuerst quer über die sumpfigen Wiesen (bei Nässe besser rechts haltend an der Jörglhütte vorbei), dann auf der nachmittags angenehm schattigen Forststraße geht es – schon auf gleicher Höhe mit St. Lorenzen – an einem ausgedehnten Moor vorbei. In diesem mit Latschen bewachsenen Hochmoor wurde noch bis 1968 Torf abgebaut, heute ist es ein Natura-2000-Gebiet. Bei der schon eingestürzten Torfstecherhütte kann man auf Steiglein ins Moor hineingehen, wo eingebaute Sperren das Ausrinnen des Feuchtbiotops verhindern sollen. An Blüten war nur die Rosmarinheide zu finden, etwas verwunderlich – kein Sonnentau und keine Moosbeeren, Heidel- und Rauschbeeren natürlich im Überfluss.
Ein letzter schöner Rückblick über eine Dotterblumenwiese im Auslauf des Moores, dann folgt nur mehr ein kleines Straßenstück hinauf nach St. Lorenzen. Unter dem Pertlwirtshaus wird gerade von Gästen der üppig blühende Löwenzahn gepflückt. Meine Frage an die Wirtin, ob sie noch Mehlspeis für uns übrig hat, wird bejaht, und schon sitzen wir in der urigen Gaststube bei einem wunderbaren Kaffee samt ebenso köstlichem Topfenstrudel. “Keinen Schlagobers bitte” (statt: “aber bitte nicht mit Sahne”, wir kommen ja aus dem nahen Osten und nicht dem fernen Norden…) - das erwies sich als unnötig, denn das ist hier heroben ohnehin nicht üblich. Dafür locken auf der kleinen Speiskarte die Spezialitäten – so die von der Wirtin selbst verfertigten Kärntner Nudeln, das sind Teigtascherl mit verschiedener Füllung. Gerandelt hat sie´s nicht, meint die mitteilsame Pertlfrau bescheiden, aber sie würden sicherlich perfekt schmecken…
Das werden wir auch noch ausprobieren, wenn wir einmal wieder kommen – zur Speikblüte im Hochsommer am Speikkofel. Da könnten wir auch über den Lattersteig hinüber zur Turrach und auf dem Hemmaweg zurück wandern, oder den Übergang zum Berggasthaus Ladinig auf der Flattnitz machen und übers Hochrindl ebenfalls auf dem Hemmaweg die Runde beschließen. Vorläufig müssen wir uns mit einer kleinen “Fotoorgie” begnügen, denn wie die Lorenzerkirche im Nachmittagslicht mit ihrem vom Kreuz im Friedhof himmelwärts weisenden Turm in die Schönwetterwolken aufragt, einen solchen beseeligenden Augenblick könnte man sich höchstens erträumen…
Zur Annakirche: Der Vorraum ist offen, alles urig mit Schutzengelbild (wie es Anni von der Kindheit her kennt) und in althergebrachter Bauweise und Einrichtung, ins schön eingerichtete Kircheninnere blickt man durch zwei kleine Fenster. Auf den Kirchenstühlen liegt das “Gotteslob” bereit, daher werden sicher öfters Andachten abgehalten, eine Messe gibt es hier regelmäßig an den Feiertagen 26. Juli, 15. August und 8. September, in der Fastenzeit an jedem Freitag um 9 Uhr. Wer mehr über St. Lorenzen und seine Gepflogenheiten erfahren will, wende sich an die Frau Pertlwirtin, die gibt sicher gern Auskunft und auch Quartier (Tel. 04275/219). Wer den Hemmaweg erwandert, sollte unbedingt dieses überaus stimmige und althergebrachte Gotteshaus besuchen. Die Quelle unterhalb ist – dem sicher uralten Kultplatz entsprechend – zwar vorhanden, aber ziemlich außer Betrieb, eigentlich schade… Das trübt allerdings keineswegs das spirituelle Erlebnis dieses “Kraftortes” !