Das “Wunder” vom Stadelberg
20. September 2019 von Bernhard Baumgartner
Gemeint ist der Hochstadelberg zwischen dem Annaberger Lassingtal und Wastl am Wald.
Nicht gemeint sind der Idealblick auf den Ötscher und das Panorama bis zu den Hochalpen – sondern der “Minisee” (eigentlich eine kleine Lacke) zwischen dem Westgipfel mit dem Kreuz und dem Ostgipfel mit Rastbank und Gipfelbuch:
Doch zuerst der Reihe nach – am 20. September – Schwammerlkontrolle vergeblich… Daher, wenn schon an Ort und Stelle, gleich hinauf zu unserem kleinen Lieblingsgipfel (übrigens mein erster Tausender vor SIEBZIG Jahren, mit Karl Reitmayr und den Erlaufbodner Buben).
Am Parkplatz stehen schon mehrere Autos, alle Wanderer schon unterwegs zur Anna-Alm, für die der “Stadelberg” eigentlich nur ein Irrweg oder ein kleiner Abweicher ist. Die Wegstücke abseits der Forststraßen sind viel begangen und stark ausgetreten, nur der alte Steig über den Schlag hinauf (Abkürzung der Forststraßenschleife) beginnt schon immer mehr zuzuwachsen. Im oberen Wald, neben dem Steig zum Gipfelkamm wurde etwas gerodet, aber “keine Schwammerl angebaut” – weder auf den hier eingestreuten versauerten Heidelbeerböden noch auf den saftigen Moospolstern.
Im Gipfelbuch finden sich bei diesem schönen, fast spätsommerlichen (aber nur in der Sonne!) Wetter fast jeden Tag Eintragungen. Heute wäre der richtige Termin für ein Gipfelpicknick, doch haben wir überhaupt nichts dazu mitgenommen. Schade, so bleibt nur der Genuss der weithin klaren Aussicht… und der Weiterweg. Etwas hat sich geändert hier heroben, denn der Waldrand wurde gleich neben dem Kreuzgipfel ein Stück abgeholzt, und ebenso sind in der folgenden Gipfelmulde einige der Riesenfichten entfernt worden. Erstaunlich, dass die Mulde zum kleinen Teich hinab – für uns das “Wunder vom Stadelberg” – sogar abgemäht wurde. Die Wollkopf-Kratzdisteln sind daher dort frisch aufgewachsen noch gar nicht verblüht und außerdem meterhoch, wenn´s stimmt, deutet das wieder auf einen schneereichen Winter hin.
Dass auf dieser Höhe ein gar nicht so kleines Gewässer sich gebildet hat, wirkt wirklich erstaunlich, denn der gesamte Gipfel besteht ja aus Gutensteiner und Reiflinger Kalk. Allerdings haben diese Kalke einen wohl nur leichten tonigen Anteil, der bewirkt, dass sich beim Verwittern sogar ein lehmiger Boden bilden kann. Auf ähnlichen Gipfeln der Lilienfelder Alpen hat man sogar (unter Zuführung von Lehm) die typischen Tränklacken angelegt: In einer (mit den Boden verdichtenden Lehmschichten versehenen) Mulde wurden Rinder so lang im Kreis getrieben, bis der Untergrund relativ wasserdicht war und das Regenwasser festhalten konnte (berichtete mir einmal ein Bauer aus Obermitterbach). Hier ist die nordseitige Senke zwischen den beiden Stadelberggipfeln anscheinend ein durch die Gesteinsschichtung begünstigter Quellhorizont, in dem kaum bemerkbare Quellen oder einfach das gipfelnahe Grundwasser hervortritt – paradoxerweise höher oben nahe dem Sattel die gar nicht so kleine Lacke bildend (trocknet anscheinend nie aus, obwohl eher seicht) und anschließend bergab eine sumpfige Rinne. Libellen schwirren da herum, außergewöhnliche Pflanzen konnten wir aber (noch!) nicht beobachten. Der Alpenrachen / Tozzia alpina wächst nämlich auch die Hänge hinauf und eher nicht im sumpfigen Gelände, die Orchideen halten sich an den felsigen Gipfelhang. Ob im Winter oder wie heute an einem strahlenden Herbsttag – die Stimmung bei dieser Lacke hat immer etwas Besonderes, gerade zur Mittagszeit, wenn sich die noch hochstehende Sonne im grünlich oder schwärzlichdunkel schimmernden Wasser spiegelt.