Eigentlich habe ich keinen geografischen oder lokalen Namen für das Küstengebiet südlich von Labin, zwischen der Bucht von Rabac und der fjordartigen Mündung der Rasa, gefunden. Daher nenne ich diesen bis gegen 500 m ansteigenden Bergrücken des südöstlichen istrischen Küstengebirges einfach “Labin-Halbinsel”.
Den kleinen Landzipfel bei Duga Luka mit dem Kap Trget haben wir ja schon einige Tage früher kennengelernt (mein Istrisches Tagebuch III / 2018). Am Donnerstag, 4. Mai, setzten wir unsere Fahrt nach der Besichtigung von Labin fort. Beim Kreisverkehr neben dem Friedhof von Labin ging es daher rechts ab Richtung der bekannten Feriendestination San Marina. Doch so weit kamen wir zunächst gar nicht, denn in einer ausgeprägten Kurve vor der Ortstafel Kranjci Donji hielten wir an. Hinter Steinmauern eine verheißungsvoll schimmernde Wiesenfläche – das könnte ein interessanter Blumenstandort sein”!
Zwischen Berghang und Wiesenfläche führt ein Karrenweg weiter, und diesen entlang reihen sich hohe und voll blühende Purpurknabenkräuter! Erst recht innerhalb der von dem oberhalb gelegenen Dorf Kranjci aus bewirtschafteten Fluren gibt es einen dichten Bestand von Orchideen – vor allem Serapis und Dreizähniges Knabenkraut, verblühte Orchis morio, leicht vorstellbar welche Arten noch aufblühen werden (wenn die Wiese nicht vorher gemäht wird).
Weiter geht die Fahrt am Weiler Majal vorbei, bis uns ein Wegweiser von der lokalen Hauptstraße links abzweigen lässt – über weitläufige Waldhänge auf der offensichtlich viel befahrenen Seitenstraße hinunter zum Meer, wo sich der bekannte und schon weit vor Labin angekündigte Campingplatz MARINA befindet. Eigentlich benannt nach einer kleinen Kirche Sveti Marina am gleichnamigen felsigen Kap. Unser Erstaunen ist groß, als sich diese Anlage entgegen der Ankündigung in unserem Istrien-Reiseführer (allerdings 2004) als eine wahre “Nobeldestination” entpuppt, betrieben von (ja wem schon?) Valamar! Zuerst aber landen und parken wir in einer kleinen Bucht, um dann eine Runde durch diesen “Ferienpark” zu gehen. Vor allem bemerken wir viele polnische Gäste, die vor allem zum Tauchen kommen dürften – Infotafeln dazu weisen zu den Einstiegen ins klare Wasser hinab. Bei der Rezeption erfahren wir – noch ruhig zu dieser Zeit, aber wer noch nicht gebucht hat, bekommt im Sommer sicher keinen Platz mehr, kein Wunder – alles “pippifein” und großzügig ausgestattet, von der Lage gar nicht zu reden! Naturerlebnis ist vor allem der prächtige Ausblick, und was sich unter Wasser abspielt, damit können wir ja nicht viel anfangen…
Beim ersten Bild (von Anni) das weiterführende Küstengebirge, am zweiten (von mir) sieht man im Hintergrund die Halbinsel mit Duga Luka. Die Weiterfahrt zwischen den am Hang gedrängten Häusern der kleinen Ortschaft gegenüber der Halbinsel Marina mit dem Campingplatz ist überraschend noch besser ausgebaut als unsere Zufahrtsstrecke, und nach einigen Kehren langen wir wieder an der lokalen Hauptstraße bei der Ortschaft Crni an. Weiter über Drenje und Ravni sieht man immer wieder bestens instand gesetzte oder neu gebaute Häuser, also eine beliebte Feriengegend, wenn auch anscheinend nicht überregional bekannt, allerdings hoch über dem Meer in Wäldern und auf Hanglichtungen gelegen.
Bald verschmälert sich die Asphaltstraße fast zu einer “Einbahn”, meist zwischen Steinmauern und zum Glück mit kaum Gegenverkehr! Was jetzt eigentlich unser Ziel sein soll, dazu verhilft uns eine kleine Radwanderkarte vom Camping Marina – Ziel ist jedenfalls das Bergdorf Skitaca, einst sogar ein lokales kirchliches Zentrum, nun eine fast entvölkerte Einschichtsiedlung auf einem hohen Bergpass mit zwei Gipfeln. Der östliche Orlic ist 470 m hoch und mit einem Senderturm besetzt, der westliche annähernd gleich hoch, aber naturbelassener und noch dazu mit einer berühmten Quelle der Heiligen Lucija, einem “Augenbründl” oder einem Schalenstein, wie man bei uns sagen würde. Das müssen wir uns anschauen! Zuerst parken im Schatten eines riesigen Zürgelbaums, daneben ein Kriegerdenkmal aus der Partisanenzeit, gegenüber eine Zisterne – wie die Rohrleitungen von nahen Dächern zeigen, vom Regenwasser gespeist, denn Quellen dürfte es so hoch oben im Karstland kaum geben.
Vom Parkplatz neben der Kirche und dem voll “in Betrieb stehenden” Friedhof (im Gegensatz zur verfallenden Ansiedlung) müssen wir uns erst den Weiterweg suchen. Er wendet sich im Bogen über West nach Nord und hat etwas spärliche Markierungen, immerhin ist der Hinweis auf Sveti Lucija am Berg Brdo bemerkbar. Einzeln stehende Häuser, renoviert oder nur erhalten oder schon verfallen, säumen den wie überall hier zwischen Steinmauern verlaufenden Fahrweg, kleine ummauerte Wiesen sind teilweise gemäht, daneben ist alles verwuchert – eigentlich ist die Vegetation karg, aber zugleich sehr üppig, ein scheinbarer Gegensatz. An einem Bildstock vorbei wandernd, warten wir schon auf die Abzweigung zum Brdo, die auch eindeutig zu finden ist, denn im Westen zieht ein immer steiniger werdender Höhenrücken zu einem abgeflachten Gipfel. Wieder eine Hinweistafel zur Luzija-Quelle, zu der vom Gipfel(karren)weg abzweigend ein schwach markierter Steig führt. Zuletzt stehen wir im von Wacholderbüschen, Mannaeschen und anderem Krüppelwuchs durchsetzten Blockkarst, und über einer solchen geschärften Kalksteingruppe ragt ein großes Kreuz. Darunter die sogenannte “Quelle”, eigentlich nur eine Aushöhlung, schmal und tief, aber in einem der beiden Löcher tatsächlich etwas Wasser. Ob das so bleiben wird? Hier hat es unlängst geregnet… Geziert ist dieser hohle Stein von einer Marienfigur (aus Plastik) und etlichen Rosenkränzen. Es hat den Anschein, dass hier wirklich noch ein lokales Wallfahrtsziel besteht – als Touristenattraktion dürfte es kaum Bestand haben.
Das Kreuz ist wegen der heftigen Winde eigens abgestützt, und sogar an diesem eigentlich schönen Tag, bläst eine heftiger Wind über die Klippen! Übrigens soll hier heroben ein bis in die Vorgeschichte zurückreichender “Platz” (ob Kult- oder Schutzfunktion oder Aussichtswarte?) bestanden haben. Die Aussicht ist jedenfalls – abgesehen von der dunstigen Atmosphäre – rundum gewaltig. Fest gegen den stürmischen Wind angestemmt turnen wir über Geröll und Blöcke hinauf zum höchsten Gratrücken, der mit einigen Steinmännern besetzt ist. Darunter befindet sich eine Art “Kral”, ein kreisförmiger Unterstand ohne Dach, wobei ich am ehesten an einen Beobachtungsstand (wie auch am Kap Kamenjak) denke, ein Schafpferch würde wohl nicht so hoch am Gipfel errichtet worden sein.
Beim Rückweg kommt immer mehr die Sonne zur Wirkung, also können wir froh sein, dass der Tag nicht wolkenlos war. Kurzer Aufenthalt noch beim Parkplatz neben dem Friedhof, dann verläuft die Fahrt auf schmaler Asphaltstraße in Bögen mit wunderbarer Aussicht wieder vom Bergrücken hinab. Die Vegetation wird etwas üppiger, erste Häuser tauchen auf, hier wieder besser instandgehalten und bewohnt. Nach Einmündung in die Hauptstraße kommen immer wieder Laster vorbei, die zur Zementfabrik Kobomacno am Ende der Halbinsel unterwegs sind. Leider haben wir die Abzweigung zur Halbinsel Ubac nicht genützt, denn dort soll sich an der windgeschützten Bucht Tunarica ein Touristenzentrum befinden, und die Halbinsel selbst hätte vielleicht noch ein Stück unberührter Natur geboten.
In Erinnerung geblieben ist uns jedenfalls Skitaca wie ein eigenartig “verwunschener” Ort hoch oben auf den Karstbergen, wo man die Rauchfänge wegen der starken Winde ganz eigenartig bauen muss und wo in der Einschicht von allen Seiten die Menschen zusammenkommen, weil dort oben ihre Vorfahren begraben sind. Nach der anfangs erlebten Orchideenwiese gab es eher nur mediterrane “Trivialflora”, innerhalb eines Schafpferchs blühte allerdings die (uns schon bekannte) Gelbdolde. Das letzte Bild des Dreizähnigen Knabenkrauts (mir erscheint es jetzt fast wie ein Helm-Knabenkraut, das wir aber sonst nicht gefunden haben) verweist auf den nächsten Ausflug. Die Rückfahrt erfolgt nämlich auf einer westseitigen Hangterrasse der Labin-Halbinsel, die über eine Anhöhe hinweg zum Rasa-Fjord abfällt. Diese “verstreute” Gegend heißt Brgod (nach einer der kleinen Ansiedlungen). Dort haben wir vor ein paar Jahren das erste Mal ein Schmetterlings-Knabenkraut gesehen – und das wollten wir am nächsten suchen!