Wir haben diesen einsamen und kaum den Anrainern bekannten Standort schon vor (unglaublich!) einem halben Jahrhundert entdeckt, als wir bei einer Wanderung aus der hintersten Perschenegg von der Kukubauerhütte wieder ins Tal hinabstiegen. Damals habe ich noch ein Dia mit Anni vor den schon etwas austreibenden Rotbuchen gemacht.
Inzwischen in St. Veit an der Gölsen ansässig, sind wir immer wieder dorthin gegangen (auf unserem Insiderweg vom Kerschenbach) und waren jedesmal gespannt, wie weit oder überhaupt die “Märzenbecher”, wie wir hier die Frühlingsknotenblumen / Leukojum vernum nennen, schon in Blüte seien. Von Schneeflecken mit knospenden Märzenbechern bis zu mehr Grün ringsum, bereits austreibenden Buchen und schon vielfach abgeblüht, so haben wir alle Stadien erlebt und fotografisch dokumentiert. Erwähnt ist dieser Standort mit anderen nahe gelegenen botanischen Besonderheiten auch im Naturfreunde-Führer “Wandern im Wiesenwienerwald” (2003 und 2004, Seite 48).
Einmal waren wir sehr erschrocken, als der Besitzer vom Göllersreiter-Hof (der uns gut bekannte Büchinger Leopold) versucht hat, diesen Wiesenwinkel wirtschaftlich nutzbar zu machen. Der Sumpfboden, in den man nicht einmal zu den trockensten Zeiten mit einem Traktor hineinfahren kann, widerstand jedoch allen Bemühungen. Im ersten Bild, das die ungestörte Wiese zeigt, befindet sich inmitten der grünenden Blumenfläche nun der Entwässerungsgraben. Diesen entlang und in den Wald hinein gedeihen jedoch die Märzenbecher umso üppiger und zahlreicher!
In den letzten Tagen – wir wollten ohnehin schon dringend zur “Märzenbecherwiese schauen gehen” – kam eine über die Marktgemeinde vermittelte Anfrage von Blumenfreunden zu diesem Standort. Bei der Gelegenheit habe ich die Karte mit dem offiziellen Zugangsweg zusammengestellt und gleich einmal wieder nachgelesen: Interessant wurde das im “Janchen / Flora von Wien, NÖ und Nordburgenland”, denn dort entdeckte ich, dass im Wienerwald überhaupt keine Frühlingsknotenblumen vorkommen! Mir war dieser Standort bisher nur deshalb so bedeutend erschienen, als hier die Flora der inneren Kalk-Voralpen auf die Flyschzone übergreift. Die schwach giftigen Frühlingknotenblumen sind nämlich bodenvagierend, das heißt nicht an den Kalkgehalt des Bodens gebunden. Es gibt sie nämlich auch im Dunkelsteinerwald und im Waldviertel, jedoch – mit Ausnahme unserer “Märzenbecherwiese” – nicht im Wienerwald!
Ich habe in der Karte den sozusagen offiziellen Zugangsweg eingetragen: Von der Sattelhöhe am Durlaß zwischen Rohrbach an der Gölsen und Michelbach (Parkplatz) am Grubbauer vorbei auf Asphaltstraße zum letzten Parkplatz bei der Rechtswendung zum Brennhof und der Sternwarte Anthares. Von hier zu Fuß auf dem Fahrweg weiter über die Jubiläumsweide zur Kukubauerhütte und auf dem markierten Wanderweg-404 zum malerischen “Alpenblick” und bergab zur Sattelwiese mit Kapelle (derzeit wieder gelb, vorher länger blau gestrichen) und dem dahinter befindlichen, von der Familie Knoll vulgo Hochedler jüngst erneuerten “Windkreuz” (historischer Grenzpunkt, Rotes Kreuz, nördlichster Punkt des Bezirkes Lilienfeld). Dann im Wald weiter zum nächsten Sattel nach Punkt 705 m der Österr. Karte, wo der Wanderweg leicht rechts in den Wald weiterführt, während die MTB-Donaublick-Strecke leicht links zum Gehöft Göllersreiter führt (zugleich Wanderweg von St. Veit an der Gölsen). Vom Sattel mit Blick über St. Pölten bis ins Waldviertel und Kamptal mit Stift Göttweig geht man am rechten Waldrand entlang in nördlicher Richtung weglos bergab bis zum flachen Sumpfboden am unteren Waldrand. Bei den Vegetationsverhältnissen im zeitigen Frühjahr kann es keine Bedenken wegen der Begehbarkeit geben, später in der Vegetationsperiode ist die Örtlichkeit ohnehin nicht interessant. Noch etwas ist mir beim Erstellen der Karte aufgefallen – die “Märzenbecherwiese” befindet sich noch auf St. Veiter Gemeindegebiet!
Eigentümlich ist, dass die von mir als “Märchenbecherwiese” bezeichnete Lichtung, also der flache Sumpfboden, zumindest zum Zeitpunkt dieses Besuches keine Frühlingsknotenblumen aufwies, was wir aber anders in Erinnerung haben. Vielleicht kommen sie dort später, wie es bei vielen Frühlingsblumen üblich ist, die zuerst in den Gebüschen und an den Waldrändern blühen? Jedenfalls ist der linke (= westliche) Waldrand der Lichtung auch bemerkenswert und wartet – anfangs unverdächtig – mit einer Überraschung auf. Im Gebüsch ist nämlich ein kleiner Tümpel aufgestaut (vielleicht im Sommer botanisch etwas Interessantes?), der von einer oberhalb am Ende des Waldzwickels entspringenden dauerhaften Quelle gespeist wird. Ein kleines Stück oberhalb befindet sich im Unterholz am zufließenden Bächlein ebenfalls ein überaus kräftiger Bestand von Frühlingsknotenblumen (wie in den vorigen beiden Bildern).
Unseren Rückweg in den Kerschenbach wählen wir über die Kammhöhe südlich der Bauernhöfe Göllersreiter – Molln – Nekam (alle mit Hausgeschichte im St. Veiter Häuserbuch von Mag. Wilfried Gram und mir, erhältlich im Gemeindeamt St. Veit, eine Fundgrube für alle lokalhistorisch Interessierten). Von diesem Hauptkamm des südwestlichen Wienerwaldes (ich benenne ihn westlich von der Klammhöhe mit dem von mir kreierten geographischen Begriff “Wiesenwienerwald”) ergibt sich ein fantastisches Alpenpanorama mit den Schaustücken Schneeberg und Ötscher!
Die Wetterverhältnisse waren zwar nicht grandios, aber immerhin gut zum Fotografieren und mit relativ klarer Fernsicht. Diese und nächste Woche, vielleicht auch noch länger, wird die Märzenbecherblüte noch anhalten!