Durchs Eiserne Tor… ins Retzbachtal
21. Januar 2016 von Bernhard Baumgartner
Beim “Eisernen Tor” denkt man zu allererst wohl an den Hohen Lindkogel bei Baden, wo es vor dem Schutzhaus wirklich ein eisernes Tor gibt. Eine von hohen Felswänden gesäumte kurze Klamm bei Türnitz heißt jedoch auch Eisernes Tor und führt von der Weidenau ins Retzbachtal, wo wiederum die Falkenschlucht bekannter ist als der Retzbach selbst.
Die Forststraße durch das voralpin-romantische Retzbachtal wäre keine so reizvolle Wanderstrecke, wenn nicht der muntere Bach, mehrfach sich öffnende Höhlen und vor allem die vielfältige Vegetation als Abwechslung wirkten. Neben Feucht- und Waldpflanzen sind es vor allem die an Dolomitschrofen auftretenden subalpinen Pflanzen auf dieser relativ geringen Höhe, darunter die bereits im Frühjahr blühende sehr seltene Anemonen-Schmuckblume.
Bei für Spaziergänge oder leichte Wanderungen zu hoher Schneelage ist die geräumte Forststraße durch das Retzbachtal ein großer Vorteil, noch dazu weil die Zufahrt von Türnitz durch die Weidenau jederzeit (auch bei widrigen Verhältnissen) gut passierbar ist. Und noch dazu, nach einer so strengen Frostnacht wie vom 18. auf 19. Jänner! Denn wo Wasser und Kälte zusammenkommen, dort gibt es nicht nur häufig Raureif, sondern auch meist bizarre Eisbildungen.
Die sonnige Straßenstrecke an den Bauernhöfen der Weidenau vorbei hätte auch schon zum Marschieren verlockt (nur ganz wenige Autos fahren da). Doch wir wollten gleich ins Talinnere hinein und parkten daher nach dem letzten breiten Talboden beim Bauernhof vulgo Habritzer, wo Kleinkraftwerke betrieben werden und wo nach der zweiten Brücke ein Parkplatz ausgeschoben ist. Weiter bis zum Parkplatz nach dem Eisernen Tor zu fahren, das wäre allerdings wirklich zu schade, denn wie in der Weidenau begleiten hier mit funkelndem Raureif überzogene Sträucher und Bäume den Bach.
Dann treten aus dem steilen Wald beiderseits unvermittelt Felsstufen hervor, und aus dem klüftigen Wettersteinkalk der hier beginnenden Klamm zum “Eisernen Tor” entspringen Quellen, besonders rechts sich direkt in den Retzbach ergießend bzw. sogar spritzend.
Dann geht es um die Felsecke herum aus dem Eisernen Tor hinaus zur folgenden noch immer engen, aber nicht als Klamm ausgeprägten Waldschlucht. Gleich neben dem dort angelegten letzten Parkplatz (mit Infotafeln des “Anthof-Naturparks”) quillt ein besonders hübsch vereistes Bächlein unter den Felsen hervor.
Nun geht es, den Talwindungen folgend, flott dahin, gerade nur von kurzen Fotohalten unterbrochen, aber länger aufhalten kann man sich wegen der Kälte ohnehin nicht. Die Sonne zeigt sich kaum in dieser Bergenge, nur ab und zu brechen ein paar Strahlen durch die dunklen Baumwipfeln oder bewirken einen warmen Lichtschimmer im Bachgeriesel.
Der Schnee am Rand der Forststraße ist erstaunlich hoch aufgehäuft, alles ringsum tief verschneit oder mit Raureifkristallen vereist. Das anscheinend malerische Hütterl entpuppt sich dann nicht etwa als Holzknecht- oder Jagdhütte, sondern ist das Turbinenhaus eines Kleinkraftwerkes. So modern diese Erschließung wirkt, so einsam ist das Retzbachtal längst geworden, während einstens hier sogar Bauernhöfe bestanden. Ein Knecht von einem dieser längst aufgelassenen Gehöfte hat vor über 150 Jahren hier den letzten Bären dieser Voralpengegend geschossen, nachdem er angeblich noch nie einen Schuß aus einem Gewehr abgegeben hat! Wahrscheinlicher ist jedoch, dass er die kärgliche Kost als Wilderer immer wieder aufgebessert hat; und ich bilde mir ein, dass eine solche (oder diese hier hausende) Bärenfamilie im Naturalienkabinett des Stiftes Lilienfeld ausgestellt ist. Hinweis – das Bezirksheimatmuseum mit der Zdarsky-Sammlung ist überaus sehenswert, aber daneben wird das Stiftsmuseum – vor allem mit dem genannten Naturalienkabinett – leider oft übersehen!
Nach dem Stauweiher des Kleinkraftwerks geht es noch zügig durch das enge Tal weiter, aber eine rechts hinauf ziehende Bergwiese kündigt schon das nächste aufgelassenen Haus an – den Reiftaler. Während meiner Zeit als Volksschullehrer in Annaberg kam ich einmal sogar, vermutlich vom Kaufmann Hofmayer Franz (heute Haus Gundi) oder vom Ing. Samer (der Straßenbaufirma Lenikus) mitgenommen ins Reiftal, das damals sogar als Gasthaus in Betrieb war. Leider verfällt das in leicht historischem Alpenstil gehaltene Haus allmählich, und was mich besonders ärgert, sogar die zahlreichen Fensterscheiben sind wie an den Nebengebäuden offensichtlich zerschlagen – unverständliche Zerstörungslust, die nur grenzenloser Stupidität entspringen kann…
Bevor es danach in die nächste Felsenge geht, kehren wir dann um. Im März würden wir wohl trotz Schneelage weitergehen, denn an den folgenden Felsschrofen zur Linken könnten dann die Anemonen-Schmuckblumen zu knospen beginnen. Im Bergfrühling blühen dort vielfach Aurikel, Großblütiger Enzian, Clusius- Primeln und noch viele andere “Subalpine”. Nach der schattigen Enge im zunehmend wieder abkühlenden Retzbachtal wirkt die gemütlich breite Weidenau wie eine “Sonnenoase”. Zum Wochenende (wahrscheinlich wochentags nicht geöffnet, möchte aber keine Gäste abschrecken!) könnten wir noch im Gasthaus Plöttigmühle einkehren oder jedenfalls in Türnitz. Wenn man nicht die Umfahrung nimmt, sondern durch den historischen Markt fährt und vielleicht noch die Kirche besucht, wo die auf einer Säule stehende Madonna nach altem Pilgerbrauch umschritten wird – wir sind ja an der “Via Sacra”, der Heiligen Straße nach Mariazell.
Wir halten uns nicht auf, denn erforscht haben wir das alles intensiv genug, für das “Wandererlebnis Pilgerwege” (Neuauflage 2015) ebenso wie für mein ebenfalls 2015 ganz neues Buch “Wandererlebnis Voralpen. Die schönsten Wanderungen vom Pielachtal bis zu den Mürzsteger Alpen”. Hoffentlich wird nicht übersehen, dass der Hauptteil dieses Buches die Lillienfelder Waldmark ist!
1 Reaktion zu “Durchs Eiserne Tor… ins Retzbachtal”
Ausgezeichneter, stimmungsvoller Bericht über diese wirklich wunderschöne Gegend. Seit meiner Kindheit eine meiner Lieblingsspaziergänge….Danke !