Wildnis auf Wienerwald-Art: Gföhlberg
6. Januar 2014 von Bernhard Baumgartner
Selbst der Jahreswechsel hat keine Änderung im Wetter und den Schneeverhältnissen mit sich gebracht, und es wir wohl auch noch einige Zeit so weitergehen…
Warum also weiter wegfahren? Zum Wandern ohne oder mit nur spärlichem Schnee muss man nicht etwa nach Annaberg (von uns aus) hinein. Da tut es auch schon der Wienerwald vor der Haustür, und besonders urige Waldstellen gibt es auf dem Gföhlberg. Dieser ist nach dem Schöpfl nur die zweithöchste “Wienerwald-Majestät”, aber irgendwie wirkt er kompakter und im Gipfelbereich interessanter als der weitläufige Schöpfl. Für iene Vormittagstour nach dem Neujahrsfeiertag also gerade richtig (2. Jänner 2014).
Von Stollberg sind schnell am Gföhlsattel oben, und der Ausblick über das Gölsental ist trotz leichtem Dunst wie jedesmal ein landschaftlicher Höhepunkt – auch wenn man den Ötscher mit dem Tele schon sehr heranziehen muss!
Der netteste Weg auf den Gföhlberg führt – seit die Markierung von der Bernau bei Hainfeld beeinträchtigt ist – von der Gern zwischen Klamm und Stollberg zum Gipfel. Wir stoßen auf diese rote Markierung im Sattel unter dem oberen Nordostkamm, wo auch die blau markierte östliche Gipfelumgehung von der Klammhöhe herkommt. Markant ist hier eine dreistämmige riesige Rotbuche, und weiter oben am Kamm wird der Wald immer uriger. Dort steilen Sandsteinstufen auf, oft bizarre Baumgestalten und gestürzte Stämme dazwischen – im März etwa findet man im Gipfelbereich die im Wienerwald verzeinzelt vorkommenden Schneeglöckchen, ich habe den direkten Aufstie auch schon bei Tiefschnee mit Schneeschuhen unternommen. Ganz schön zapfig!
Wir bleiben diesmal auf dem markierten Steig, der leider immer mehr zuwächst (vor einigen Jahren bot eine Lichtung noch etwas Ausblick). Beim Gipfelsteinmann haben Kinder ihre herzigen Spuren hinterlassen – man muss sich nur immer etwas einfallen lassen! Und in der Gföhlberghütte, die an diesem Tag allerdings geschlossen ist, haben sie sicher auch Spaß gehabt, gibt es doch dort eine richtige kleine Kletterwand.
Aussicht bietet der Gipfel leider keine, man kann sich aber vorstellen, welch toller Platz das für die um 1900 errichtete Aussichtswarte gewesen ist. So bleibt man auf den “Raxblick” nahe der Hütte angewiesen, und die Lichtung am Ende des Anstieges von der Klammhöhe ist auch vom Baumwuchs freigehalten. Das Panorama reicht dort vom Hocheck bis zum Göller, in Bildmitte der Unterberg, dem der Schneeberg gerade noch über die Schulter schaut. Fabelhaft ist die digitale Auswertung einer Aufnahme in die Dunst- und Nebelschichten hinein, wo man mit freiem Aug die Ruine Araburg kaum erkennen kann. Im extremen Zoom mit Bearbeitung ergibt sich ein Foto, das an Spionagebilder nach dem technischen Standard des beginnenden Kalten Krieges erinnern könnte…
Oberhalb dieser “Panoramalichtung” befindet sich ein uriger Altholzbestand, der sich weiter oben am Ostkamm fortsetzt. Den nordöstlich der Schutzhütte anfangs noch breiten Rücken entlanggehend, folgt dann der mit Sandsteinblöcken, Geröll und verwitterten Bäumen bestandene Ostkamm. Sobald dieser einen flacheren Waldboden erreicht (vorher noch eine bizarre Geröllhalde in kleinformatiger Wienerwald-Art, irgendwie zum Biosphärenpark am besten passend), führt ein Ziehweg scharf rechts wieder zur blauen Markierung zurück – dein sehr lohnender Abstecher von der Gföhlberghütte.
Bei der Gföhlberghütte können wir uns nur angesichts der noch immer ausgehängten “Speisetafel” ein wässrigen Mund holen… So bleibt uns nur der bequeme Rückweg am dem Hüttenfahrweg, doch auch dort ergibt sich noch ein ganz prächtiges Panorama, und außerdem stehen hier die meisten der beschrifteten Elsbeerbäume.
Für den Rückweg vom Gföhlsattel zum Stollberg empfehle ich die kleine westliche Runde – am Kasberg vorbei (dem eigentlichen Gipfelpunkt dieser Hainfelder Katastralgemeinde) bis zum Gehöft Sonnleiten, dort rechts an der schönen alten Kapelle und einem interessanten Gesteinsaufschluss vorbei auf dem Waldweg weiter. Dabei erkennt man die mitten im Sandsteinwienerwald eingelagerten Kalkklippen der sog. “Klippenzone”, die früher für die Kalkbrennerei und sogar für Bausteine ausgenützt wurden. Wir kürzen diesmal jedoch ab und werden diesen Weg erst wieder begehen, wenn alles reizvoll verschneit ist oder schon die Frühlingsblumen blühen. Jetzt haben wir einmal genug vom einförmigen Graubraun der Laubwälder, auch wenn die Natur immer irgendwie schön ist…
Die Umgebung von Schöpfl und Gföhlberg gehört zu den am spätesten gerodeten und besiedelten Gegenden des Wienerwaldes, als sich im Lauf des 18. Jhs. Holzarbeiter mit Kleinbauernwirtschaft hier niederließen. Von den alten Wald-Handwerken hat sich nur die Köhlerei erhalten – im Kleindurlas Richtung Michelbach kommen wir bei der Heimfahrt an einem frisch aufgerichteten und einem schon zum Auskohlen bereiten Rundmeiler vorbei. Übrigens die Fahrt über den Stollberg und den Durlaß (oder Durlas) empfinden wir immer wieder als eine der malerischesten Routen durch den Wienerwald - eigentlich “meinem Wiesenwienerwald”!