Am berühmten Badacsony – Nationalpark und Weinkultur
9. November 2013 von Bernhard Baumgartner
Von allen Seiten, ob von den beckenförmigen Talmulden des Hinterlandes oder vom Plattensee aus betrachtet, ist der “Bodotschon” ein mächtiges Bergmassiv (allerdings nicht an alpinen Verhältnissen gemessen). Der Badacsony ist auch neben der Halbinsel Tihany das bekannteste und beliebteste Ziel der wandernden Urlauber und Einheimischen. Sein Seepanorama kann als unübertrefflich gelten, und die Wege über den Gipfel sind teilweise sehr kurios als Stiegen ausgebaut.
Unsere “Rundum-Überschreitung” am 23. April 2012: Eine rote Markierung (in der Karte P) umkreist den Gipfelaufbau, die Zustiege vom Tal bzw. See aus sind gelb markiert (S), die eigentlichen Bergwege verlaufen entlang blauer Markierungen (K).
Der beliebteste Ausgangspunkt ist das Kisfaludy-Haus hoch am südlichen Berghang mit Zufahrt von der Romai ut (Römerstraße). Wir nahmen damals den Aufstieg am Rozsakö (Rosenstein) vorbei und wanderten an der Ostflanke bis zum “Steintor” (Kökapu, selber Ortsname wie auf dem Georgsberg, aber nicht so eindrucksvoll wie dort), durch diesen Einschnitt Aufstieg ins Höhengelände und zum Kisfaludi kilato. Anschließend Weiterweg am südlichen Bergrand, Abstieg über die “Fluchtstiege” und auf dem Kurutzenring zurück zum Parkplatz am Ausgangspunkt.
Sonntag, 27. Oktober 2013 – dieser letzte ganz Urlaubstag war dem Badacsony vorbehalten, allerdings auf einer zwar bekannten Route, aber mit anderem Zustieg. Wegen der Überlegung, dass an einem Sonntag die Kisfaludy ut überlastet sein müsste, suchten wir die gelbe Markierung, die von der Bahnstation Badacsonylabdihegy her ansteigt. Gar nicht so einfach – Zufahrt von Tapolca nach Badacsonytördemic (im Nordwesten des Gipfels) und bei Rechtsbiegung der Straße Richtung Szigliget geradeaus auf die Romai ut (diese erinnert daran, dass schon die Römer hier in der Provinz Pannonien Weinbau betrieben). Aber wo bergwärts abzweigen? Erster Versuch endet in steilen, hohlwegigen Sackgassen (zu knapp nach der auffälligen Ignatius-Kapelle abgezweigt). Richtiger Wegweiser ist letztlich die gelbe Markierung auf der beschrifteten Tourist ut – warum nicht gleich, logisch – Touristenstraße! Diese endet irgendwo hoch oben, aber soweit kommen wir gar nicht, da Anrainer ihr Auto mitten auf dem Fahrweg abgestellt haben (oberhalb wäre sogar ein Parkplatz ohne Beschriftung angelegt). Also stellen wir den Wagen kurz unterhalb in eine schmale Seitengasse. Überraschung (oder schon aus Erfahrung eigentlich keine) – eine ältere Frau (aus Budapest, daneben in einem kleinen Häuschen wohnend) kommt heraus und vermittelt uns mit vielen Gesten, sie würde auf unser Fahrzeug achten, und noch dazu schenkt sie uns zwei riesige Äpfel aus ihrem Garten als Wegzehrung…
Zur Erläuterung: Unterhalb der Stiege befindet sich das einstige Touristenhaus und in der KP-Ära Betriebsferienheim Rodosto. Das Haus wurde nach dem späteren Verbannungsort des Fürsten Rakoczi, des Führers im Freiheitskampf der Kurutzen, benannt. Zur Erinnerung an die ungarischen Freiheitskämpfer, die nach ihrer Niederlage emigrieren mussten, wurde die steile, aus Basaltsteinen gefügte Steintreppe auch als “Flüchtlingsstiege” bezeichnet.
Die gelbe Markierung führt uns im Zickzack, aber verlässlich auf Weingartenwegen höher hinauf, vorbei an der “Piroschka”, einem geschlossenen Weinlokal mit Aussichtsturm in herrlicher Lage, jetzt Ende Oktober oder überhaupt schon verwaist. Ebenso wechseln gepflegte Weinrieden und Landhäuser mit vernachlässigten oder aufgelassenen Besitzungen. Schließlich erreichen wir den Waldrand des steilen Gipfelkegels und gehen nordwärts der roten Markierung mit Infotalfeln des Nationalparks nach bis zur “Fluchtstiege”. Deren 95 Höhenmeter sind in 10 Minuten und etwas außer Atem zügig erklommen, und oben geht es auf moderatem Waldweg den Bergrand südwärts entlang.
Eine Gedenktafel erinnert an hochherrschaftlichen Besuch im Jahr 1871 – offensichtlich erst vor kürzerer Zeit angebracht und ein Symbol für die sentimentalen Erinnerungen an die “gute alte Zeit”, obwohl die Ungarn bis zur Zweiteilung des Habsburgerreiches durch den “Ausgleich” wenige Jahre zuvor immer wieder mit dem österreichischen Herrscherhaus in Konflikt lagen! Nun folgen einige markante Aussichtspunkte, hier auf die Hügel von Szigliget und den Plattensee Richtung Kesthely.
Über das Ranolder-Kreuz habe ich schon bei unserer vorjährigen Tour berichtet (im Blog > Suche: Balaton oder Badacsony). Diesmal ist der Sonnenglanz im leichten herbstlichen Dunst noch ausgeprägter, und die Aussichtskanzel darunter befindet sich noch dazu auf den Deckplatten gewaltiger, annähernd im Achteck geformter Basaltsäulen.
Blick zu den Bergen der Halbinsel Tihany im Osten über das Seepanorama bis gegen Szigliget und die Berge vor Kesthely.
Die Aussichtsplattform auf dem “Steinhaus” bringt auch keine Steigerung, vielmehr sind es die bunt belaubten Waldwege, die jetzt im Herbst bezaubern. Die Höhenwanderung zum Aussichtsturm ersparen wir uns diesmal, und bald geht es zwischen Basaltstufen und großteils wirklich auf Steinstiegen steil in Kehren hinab. Der Paholy-Felsen (von einer für uns unlesbaren Gedenktafel erläutert) unterbricht kurz den Bergwald, und dann kommen wir an der roten Markierung des Gipfelrundweges (im Vorjahr begangen) vorbei. Eine nette Begegnung lässt uns allerlei Interessantes erfahren – ein junger Mann, mit dem wir uns in Englisch gut verständigen können, war anscheinend beim UNO-Einsatz mit Österreichern im Kosovo zusammen, und er bemüht sich sehr um unser lokales Wissen. Denn nun sind wir schon am Waldrand zu den mit Steinmauern abgegrenzten Weinrieden und suchen wieder vergeblich nach dem “Rosenstein” – obwohl direkt davor stehend, wie wir von ihm erfahren!
Für uns ergibt sich ein Jahrzehnte-Familienbild, 45 Jahre nach dem Rosenstein-sitzen…
Wie erwartet wird nun und weiter bergab zur Kisfaludistraße der Touristenverkehr immer dichter. Wir gehen beim Restaurant noch vorbei, in der vergeblichen Hoffnung auf eine urigere Pince, und biegen dann in die Bogyai ut ein, eine mit Basaltquadern gepflasterte Seitenstraße, die uns wieder zurück zum Ausgangspunkt führen soll. Die Markierung stimmt (gelbes Kreuz), aber sonst hat sich hier allerhand verändert. Von einem Weinmuseum oder dem Panorama-Weingarten keine Spur mehr, aber stattdessen gehen wir bald an einem futuristisch gestalteten Weinkeller vorbei. Die LAPOSA BIRBIRTOK hat sich auf den “Basaltbor” (bor = Wein) spezialisiert, bietet im Papa-Weinhaus beste Spezialitäten, aber keinen Imbiss dazu – überraschend, denn sicher privat. Unternehmerische Weinerzeuger ohne staatlichen Hintergrund haben zumindest teilweise die Staatsgüter abgelöst, wie vielfach zu bemerken.
Die später in einen Hangweg übergehende Basaltstraße bringt uns nordwärts wieder dem Abstieg zum Autostandplatz näher. Sehr gepflegte Rieden, wo die Weinstöcke für die vermutete Spätlese in grellblaue Netze gehüllt sind, welchseln mit Ruderalstandorten, die vielleicht zur frühsommerlichen Blütezeit interessant wären. Der Ausblick ist jedenfalls fabelhaft, buntes Weinlaub und im Hintergrund der schimmernde See.
Als wir wieder zu unserem Privatparkplatz kommen, empfängt uns die “Hüterin des Autos” noch dazu mit einem köstlichen Apfelstrudel – also eine solche Gastfreundlichkeit haben wir noch kaum jemals erlebt! Dann geht es wieder durch die Schlucht der Weingartenmauern auf der Tourist utka hinab zum querenden Römerweg. Vorbei an der Abzweigung der Kisfaludistraße halten wir schon immer mehr nach einer Einkehrmöglichkeit Ausschau!
Da ist sie schon! Alles hübsch beisammen, eine Riesenspeisekarte, viele Gäste parken ihre Autos davor (meist ein guter Hinweis), das als Restaurant mit Gästezimmern geführte Haus mit nostalgischem Ambiente. Gut getroffen, wir sitzen im Garten heraußen – eine echte ungarische Gulaschsuppe und Topfenknödel, mehr geht nicht in Anbetracht des abendlichen Buffets im Hotel Pelion, fast schade… Dafür decken wir uns im dazu gehörenden Weinkeller mit Spezialitäten ein – charakteristischer “Blaustengler” (mit unaussprechlichem ungarischen Namen) und als berühmtester der “Graumönch”. Da wissen wir noch nicht, welch ebenso klassisches Weingebiet wir am nächsten Tag bei der Heimfahrt kennenlernen werden…
1 Reaktion zu “Am berühmten Badacsony – Nationalpark und Weinkultur”
Die Fotos sind traumhaft. Tapolca und Umgebung ist immer wieder einen Besuch wert. Ein sehr interessanter Bericht. Da seid ihr auf Plätze gestoßen, die wir dort noch nicht entdeckt haben. LG von uns Allen.