Ansichten und Aussichten – Abschied vom Ötscher?
15. November 2012 von Bernhard Baumgartner
Selbstverständlich werde ich mich nicht vom Ötscher verabschieden, noch dazu wo gestern der “Tagesabschied” zwischen letztem Sonnenlicht und erstem Nebelbrauen so stimmungsvoll war. Aber mit den Ötschertouren ist es jetzt, auch wenn der Schnee noch ein bisschen auf sich warten lässt, ziemlich vorbei…
Bei der Auffahrt zum Josefsberg ergab sich dieses spätherbstliche Ötscherbild. Dann konnte ich die Wandbilder im Pfarrhof wieder “durchfotografieren”, diesmal endlich digital, und wer weiß, wann sich wieder eine Gelegenheit dazu ergibt. Bei diesem Beitrag sind es nicht Details aus der Arbeit der Holzknechte, sondern Ansichten der Gegend um den Ötscher, die von der Arbeit der Holzknechte geprägt waren.
Ursprung von Josefsberg war die Einsiedler-Klause auf dem “Saurüssel”, wie der 1026 m hohe Bergsattel vordem genannt wurde. 1644 ließ der Lilienfelder Abt eine Kapelle zu Ehren des hl. Josef erbauen. Nachdem Maria Theresia (fälschlich immer wieder als Kaiserin bezeichnet, sie war nur die Frau des Kaisers… halt auch eine bei uns übliche Tradition…) im Zug einer alljährlichen Wallfahrt 1757 den Wunsch nach einer eigenen Seelsorgestation ausgesprochen hatte, wurde hier eine Lokalie von Annaberg errichtet. Die kinderreiche Monarchin hatte nämlich eine Bäuerin “aus dem Ötscher” im Schneesturm eines späten Frühlingswintertages angetroffen, die mit ihrem “neugeborenen” (?) Kind nach Annaberg zur Taufe unterwegs war. Etwas Wahrheitsgehalt mag wohl in dieser legendenhaften Begebenheit stecken… 1783 war Josefsberg eine eigene und zugleich auch die höchstgelegene Pfarre Niederösterreichs, die auch die evangelische Ansiedlung Mitterbach umfasste.
Dieses Bild in der Nordostecke zeigt das Arbeitsgebiet der Holzknechte “im Ötscher”, samt Holzschlag, Ansiedlung und vermutlich der Kirche St. Johann in der Wüste beim Hinterhagen. Auf einem Felsen sitzend, hat sich vielleicht der Schöpfer dieser forsthistorisch und volkskundlich einmalig wertvollen Secco-Wandbilder, Pater Chrysostomus Sandweger, selbst verewigt (immerhin sitzt er hier schon seit 1830…). Ähnlich informative Bilder, allerdings von Landschaften und Pilgern an der Via Sacra, hat der Maler Eduard Gurk angefertigt, als er mit Kaiser Ferdinand dem Gütigen (dem Vorgänger Franz Josephs) unterwegs war. In meinem Buch “Pilgerwege” hat es mir der Verleger, Herr Robert Ivancich vom Kral-Verlag ermöglicht, diese Bilder abdrucken zu lassen.
Die Wandbilder befinden sich im sogenannten Prunkzimmer des Pfarrhofes. Hier steht ein hoher Kachelofen zwischen dem “Holzrechenbild” und dem “Holzschlagbild”, andere Bilder laufen über die Zimmerecken hinweg. Die Seccomalereien wurden zwar restauriert (zuletzt laut Gästebuch vor etwa zwei Jahren, aber nur an den gefährdetsten Stellen), aber insgesamt ist der Originalzustand ziemlich erhalten. Fast ein Wunder, dass die Bilder bei der unwirtlichen Lage des Hauses und dem sicher auch rauen Raumklima die lange Zeit so unbeschadet überstanden haben.
Dieses Eckbild ist sehr bekannt – die Holzknechthütte mit dem Fischer am Teich und dem Vogelfänger, aus dem Wald oberhalb läuft die Holzriese in das nächste Bild zum Lagerplatz und den zwei Holzknechten, die bergwärts stapfen, der eine sogar mit Schneetellern!
Beliebte Ausflugsziele der biedermeierlichen Mariazellpilger waren (nachdem sie ihre religiöse Pflicht erfüllt hatten, wie der Alpenreisende F. C. Waidmann beschreibt) der damals noch üppig überflossene Lassingfall und der Erlaufsee. Auf diesem sieht man im Detail das Fischerboot und die mit irgendeinem Zubehör nachrufende Frau, aber auch eine Bootsjagd auf einen Hirsch (rechts im Bild), alles überragt von der hohen Gemeindealpe.
Eine fast fotografisch genaue Ansicht vom “Durchschlag” am Gschaidl, dem von den Brüdern Huebmer vom Mürzgebiet bei Neuwald-Lahnsattel zum Preinbach (weiter über Schwarza und Wiener Neustädter Kanal für den Holztransport nach Wien) angelegten Tunnel. Schwemmkanäle für von Pferden gezogene Kähne und ein Holzaufzug (wie der Stollen eine technische Höchstleistung dieser Zeit) sind hier autentisch abgebildet.
Von den beiden folgenden Bildern kann man die Örtlichkeit aber nur vermuten! Hier mischen sich Phantasie und erlebte Szenen des Pater Chrysostomus.
Oben ist links der Holzlagerplatz, schon bereit für die “Abmaß-Kommission”, deutlich zu erkennen. Wo aber der doppelte Wasserfall herabstürzen soll? Vielleicht sind hier Wasserfälle in den Ötschergräben (Mirafall) oder den Tormäuern (Trefflingfall) gemeint? Aufgefallen ist diese Naturszenerie bisher noch nicht, allerdings hat Frau Dubbert (die Betreuerin des Pfarrhofes) rechts den auf einem Felszacken sitzenden Adler schon entdeckt gehabt.
Unten ist das “Holzrechenbild” – ganz klar dargestellt der Arbeitsvorgang, aber wo? Mein Freund Werner und ich nehmen mit ziemlicher Sicherheit an, dass es der Erlaufrechen in Neubruck bei Scheibbs ist. Dazu passt ein biedermeierliches Bauwerk – in diesem “Schlössl” soll ein Teil der NÖ Landesausstellung 2015 stattfinden. Nahe dem Josefsberg ist es Wienerbruck, und ich möchte nur hoffen, dass der Pfarrhof Josefsberg mit seinem einmaligen “Bilderzimmer” auch eingebunden wird!
Bei der Heimfahrt konnte ich nicht widerstehen, den Abstecher über den Joachimsberg zu machen. Es war etwa um 15.30 Uhr, und kann man sich einen stimmungsvolleren Spätnachmittag vorstellen? Daher Abschied vom Ötscher – nur für kurze Zeit!
Daher habe ich auch gleich mein Headerbild erneuert und (statt dem strahlenden Ötscherpanorama von der Gemeindealpe aus) den Ötscher zwischen letztem Sonnenlicht und den aus dem Erlauftal heraufsteigenden Talnebeln festgehalten:
Wegen der Überbreite muss man die beiden Bilder extra “aufmachen” ! Zum Abschluss noch ein letztes Abendbild des Ötschers mit dem Koller und der Landschaft zwischen Steinwandhof und Reith im Mittelgrund, vom Joachimsberg aus.
Mit Bildern geht unsere “Bucharbeit” gleich weiter! Denn der neue Ötscherführer (mit Ybbstaler Alpen & Mariazeller Bergen) ist im Entwurf bereits fertig, und morgen werde ich mit meinem Freund und Mitautor (wie schon bei etlichen Standardwerken der Wanderliteratur) die geplante “Extremwanderungen” durchgehen (geistig, denn bergsteigend ist das vor allem von Werner schon geschehen).