Mein “Grenzland extra” – Ausflug nach Südmähren
28. August 2010 von Bernhard Baumgartner
Beim Aufrufen meines Blog bemerkte ich soeben, dass mein letzter Beitrag am 30. Juli (immerhin dieses Jahres) erfolgt ist. Außer zu Kommentaren bei den anderen Beiträgen – vielen Dank ihr fleißigen Wandertipp-Blogger! – hat es bei mir nicht zu mehr gereicht – Lebensbedrohung durch Operation beseitigt, zugleich Lebensqualität ganz schön vermindert… Aber jetzt befinde ich mich sozusagen immer deutlicher auf dem “aufsteigenden Ast”, und stelle außerdem fest – aus dem Hochsommer ist schon fast der Herbst geworden!
Daher steht einer Tour in die wärmeren Regionen nichts mehr im Wege – also ab ins Weinviertel, wo es noch dazu eine neue Jakobsweg-Route zu “erforschen” gilt. Vorerst eine Einstimmung mit einem Ausflug nach Nikolsburg, auf die Pollauer Berge und zu den Weltkulturerbe-Schlössern Feldsberg und Eisgrub (die tschechischen Namen verwende ich im folgenden Artikel).
„Grenzschritte” – von Natur zu Kultur in Südmähren
Nur wenige Schritte über eine heute „grüne Grenze” trennen das niederösterreichische Weinviertel vom südmährischen Gebiet an der unteren Thaya. Dort leiten Felsklippen und Teichfluren zur kultivierten Natur historischer Schlossparke über. Hügelland und Niederungen, die eher den Anschein von Ebenen als von Talmulden erwecken, das sind die landschaftlichen Kennzeichen des Weinviertels. Allenthalben überwiegt intensiv bewirtschaftetes Agrarland, mit Weinrieden und Feldflächen. Dieses Kulturland reicht über die „Hintausgassen” selbst noch in die weitläufigen Siedlungen hinein.
Aus diesem ebenmäßigen Relief, das man je nach Geschmack auch als einförmig bezeichnen könnte, sticht das „Rückgrat” dieses nordöstlichen Landesviertels heraus. Es setzt den am Kahlen- und Leopoldsberg steil zur Donau abfallenden Wienerwald gegen Nordosten fort und beginnt jenseits der sogenannten Wiener Pforte mit dem Riesenbuckel des Bisambergs. Diese von den Geologen als Klippenzone bezeichneten Höhenzüge bilden eine Brücke von den Alpen zu den Karpaten. Nur treten hier statt dem aus Sandsteinen und Mergeln bestehenden Wienerwaldflysch immer mehr Kalkschichten zu Tage. Je weiter nordwärts, desto schroffer erscheinen die Formationen, besonders eindrucksvoll am Ruinenfelsen von Staatz. Diese harten Jurakalke wirken augenscheinlich wie Klippen inmitten der „weichen” Schichten des ringsum ausgebreiteten Hügellandes.
Durch Grenzen verändertes Landschaftsbild
Die Urlandschaft im nordöstlichen Landesviertel Niederösterreichs wird sich vom anschließenden Mähren nicht unterschieden haben. Steppenböden und Laubwälder bedeckten die trockenen Hügelzüge, dazwischen breiteten sich an den Wasserläufen sumpfige, mit Auwald überzogene Talsenken aus. Typische Ortsnamen enden auf -brunn, ein Hinweis darauf, dass gutes Wasser in diesen Niederungen gar nicht leicht zu finden war. Auch als das Land vom frühen Mittelalter an kultiviert wurde, trat keine Änderung ein – wogende Felder, so weit der Blick reicht, von Eichenwäldern und kahlen, steinigen Höhenrücken begrenzt, und dazwischen verstreute Weinrieden. Daran hat sich seit Jahrhunderten nicht allzu viel geändert!
Nicht durch den Menschen mit seiner Agrarkultur hat sich die Landschaft einschneidend gewandelt, sondern durch die politischen Verhältnisse mit ihren geänderten Wirtschaftsformen. Am „Eisernen Vorhang” war hier durch fast ein halbes Jahrhundert eine hermetisch verschlossene Grenze gezogen worden. Diese existiert nach dem Ende des Kommunismus in der Tschechoslowakei und erst recht nach der europäischen Vereinigung nur mehr in der staatlichen Zugehörigkeit und Verwaltung. Dennoch ist diese Grenze selbst im Satellitenbild weiterhin erkennbar! Auf tschechischer Seite überwiegen ungegliederte Kulturflächen, die durch kollektive Bewirtschaftung entstanden sind und nun stellenweise sogar brach liegen. Diesseits der Grenze erscheint das Land kleinräumig strukturiert, trotz großer Felder von bäuerlichem Charakter und vor allem intensiv gepflegt, was auch auf die Siedlungen zutrifft.
Über die Pollauer Berge
Das höchste „Gebirge” im Weinviertel sind die Leiser Berge, und als ihr Gegenstück erheben sich in Mähren die Pollauer Berge (Pavlovske Vrchy). Eigentlich könnte dieses etwa neun Kilometer lange, bis zum Bogen der aufgestauten Thaya reichende Mittelgebirge auch nach Nikolsburg (Mikulov) benannt sein. Denn bereits innerhalb dieser historisch interessanten Stadt beginnen seine steilen, mit Kalkfelsen durchsetzten Hänge. Nordwärts in einzelne Höhenkuppen aufgelöst, entwickelt besonders das „Nordkap” der Pollauer Berge eine ausgeprägte Gipfelform. Noch dazu blickt dort eine mächtige Burgruine über die vom milden pannonischen Klima geprägte weitläufige Landschaft.
Man könnte den gesamten Bergzug auf gut markierten Wanderwegen, wie sie für die touristische Erschließung in unserem Nachbarland typisch sind, auch als anspruchsvolle Tour überschreiten. Wer weniger sportlichen Ehrgeiz besitzt, unternimmt besser eine kürzere Rundwanderung. Vom romantischen Weinbauort Pollau (Pavlov) aus wird die Ruine der Maidenburg (Divci hrady) erreicht, und auf der Berghöhe geht es weiter bis zum 549 m hohen Hauptgipfel Devin. An dessen aussichtsreicher Ostflanke erstrecken sich Trockenrasen und Felssteppen, die beim Rückweg weiter unterhalb gequert werden. Auf der Anhöhe weitergehend, gelangt man zuletzt an Felsabbrüchen vorbei in einen schluchtartigen Einschnitt (Souteska) hinab. Dort zweigt der als Lehrpfad ausgeschilderte Weg scharf links ab. Dieser führt zurück zum Sattel bei der Ruine Maidenburg und damit zum Abstiegsweg nach Pollau (gesamte Gehzeit ca. 3 Stunden).
Der Ausgangspunkt für diese reizende Rundtour befindet sich in einem romantischen Weinort, dem bis zur Erfüllung der berüchtigten Benesch-Dekrete, und damit zur Vertreibung der altösterreichischen Südmährer, Pollau (auch Polau), heute Pavlov, genannten Dorf. Gepflegt sind dort vor allem die Privathäuschen, und Freundlichkeit erfährt man von jüngeren und ganz alten Leuten – ihr Verhalten ist ein Spiegelbild der Geschichte des Südmährerlandes.
Die barocke Residenz
Feldsberg (Valtice) befindet sich knapp jenseits der Grenze und gehörte bis 1919 zu Niederösterreich. Dorthin fährt man am besten über den lokalen Grenzübergang Schrattenberg und kommt so mit schönem Ausblick von der Anhöhe herab in diese Stadt, die zu den ältesten Mährens zählt. Sie war durch mehr als 600 Jahre bis 1945 im Besitz der Liechtenstein. Das Schloss Feldsberg wurde in der Barockzeit unter Beteiligung so bedeutender Künstler wie J. B. Fischer v. Erlach und D. Martinelli als Residenz ausgebaut. Vom bergseitig angelegten Park aus breitmächtig anzusehen, öffnet sich die Schauseite des Schlosses auf die Stadt zu mit imposanten Flügeln. Das oberste Geschoß dieses Prachtbaues bleibt Besuchern verschlossen, die zur Besichtigung freigegebene Etage präsentiert sich in eindrucksvoll renoviertem Zustand. Als Schutz für die Parkettböden mit weichen Filzpantoffeln ausgestattet, kann man mit etwas Glück als nicht-tschechischer Besucher eine deutschsprachige Führung sogar in einer intimen Kleingruppe genießen.
Das Parkschloss Eisgrub
Von Feldsberg verläuft eine 1715 geradlinig angelegt Allee über sieben Kilometer bis zur Liechtenstein´schen Sommerresidenz in Eisgrub (Lednice). Dieser Baukomplex und ebenso die Parkanlagen haben gegenüber der Barockzeit ihren Charakter durch die romantische Umgestaltung im Stil der englischen Neugotik wesentlich verändert. Als Weltkulturerbe ebenfalls viel besucht, erfüllt die Schlossanlage aber nur teilweise die hochgesteckten Erwartungen, denn die Renovierungsarbeiten dürften noch eine lange Strecke vor sich haben. War es schon zur Zeit der „Sozialistischen Republik” sicher nicht leicht, die Mittel für solche Relikte von Monarchie und Feudaladel aufzubringen, dürfte der nach der Wende von 1989 bald installierte Staatskapitalismus vermutlich noch weniger dazu in der Lage sein. Noch dazu wurde Eisgrub während des 19. Jahrhunderts im damals hochmodernen Tudorstil aufgerichtet. Unter dem Mauerverputz steckt überall Ziegelmaterial, und kaum eine andere Bausubstanz dürfte anfälliger für Verwitterung und Zerfall sein. Selbst die restaurierten Schmuckstücke der Anlage vermögen gegen den ruinösen Eindruck etwa der Meiereigebäude kaum aufzukommen, für die es kaum Verwendung und Erhaltungsmittel geben dürfte.
Erfolgreiche Bemühungen zeigt die ans Schloss anschließende Orangerie, ein 1843/45 erbautes Gewächshaus mit subtropischen Blüten, wie sie allerdings heute im Floristikhandel keine Seltenheit mehr darstellen. Dann spaziert man hinein in den Park, nein, das wäre zu bescheiden gesagt – hier lässt es sich wandern, solange Zeit und Energie reichen! Ein „Blickpunkt” folgt dem nächsten, mächtige Baumriesen neigen ihre Äste und Blüten über die Wasserflächen, und aus der Entfernung nehmen sich die Schlosstürme immer schöner aus. Wer bis zum Minarett vorgedrungen ist, weiß sich nun am Wendepunkt des Rundganges. Der Ausblick von der 60 Meter hohen Turmspitze lässt das Labyrinth von Grün und glitzerndem Wasser erst so richtig erfassen. Nicht zu übersehen sind die Vogelkolonien in den uralten, weit ausladenden Baumkronen mit seltenen und in der freien Natur kaum zu beobachtenden Arten. Eine über Teiche und Kanäle geruhsam dahingleitende Fähre bietet überdies eine Abwechslung zum ausgiebigen Fußmarsch (zwei bis drei Stunden Gesamtzeit einplanen). Ohne einen Blick auf die Orientierungspläne gerät hier das Dahinwandern womöglich zu einem Irrweg! Aber gerade diese Möglichkeit macht den Reiz dieser vielfältigen und schier endlosen Parkanlage aus.
Teichspiegel und endlose Alleen
Die Schlösser Feldsberg und Eisgrub sind durch einen mindestens zwei Gehstunden erfordernden Wanderweg verbunden, entlang dessen immer wieder romantische Bauten im Waldgelände auftauchen. Darüber hinaus sollte kein Besucher versäumen, außerhalb der Parkanlagen durch die Landschaft zu streifen. Eine Autofahrt mit ihren flüchtig vorbei huschenden Eindrücken genügt kaum für ein intensiveres Erleben dieser vom Menschen geprägten Natur. Hoch zu Ross wie einst die Adelsgesellschaft – das würde besser in dieses historische Ambiente passen! Aber mit dem „Drahtesel” vorlieb zu nehmen, ist auch nicht zu verachten. Denn die Zeit der hohen Herrschaften ist auf jeden Fall vorbei, egal ob „hüben oder drüben” der mährisch-niederösterreichischen Grenze.
Praktische Hinweise
Wanderkarten und deutschsprachige Führer am besten vor Ort besorgen (z. B. Kioske beim Schloss Eisgrub). Literatur – Historische Stätten Böhmen und Mähren, Kröner Verlag.
1 Reaktion zu “Mein “Grenzland extra” – Ausflug nach Südmähren”
super – interessant
HB