Vom Tonalepass zum Tovelsee – unser längster Tourentag im Trentino
18. November 2018 von Bernhard Baumgartner
Für unseren heurigen Aufenthalt in Lana hatten wir uns vor allem auch neue Ziele vorgenommen. Besonders verlockend war selbstverständlich der Nonsberg, weil wir dort das Bergdorf Proveis so wunderschön erlebt hatten (Oktober 2017), für mich nostalgisch vor allem wegen der Grundschule mit den paar Kindern… Diesmal wollte ich mehr in diese Gegend vordringen, wobei allerdings aus Proveis nichts geworden ist. Vielmehr machte ich mit Karte und Internet schlau über das westlich anschließende Val die Sole mit den Abzweigung nach Madonna di Campiglio. Vom Wetterbericht her passte der Tag nach unserer Wanderung bei Meran 2000 auch recht gut, also machten wir uns
am Freitag, 21. September
zur Fahrt über den Gampenpass auf. Mit Anni am Steuer (ich als “Navi” mit Karte daneben) ging es zügig über den Gampenpass hinauf, am Wallfahrtsort St. Maria und der Ortschaft St. Felix vorbei, dann aber in Fondo abzweigend (ich glaube Richtung Madonna di Campiglio). Über Castelfondo (dort sind wir immer noch nicht hingekommen) hätten wir nach Laurein und Proveis fahren können. Wir aber querten die weiten Hangterrassen über des Novellatales von Brez bis Revo, ein wahres Paradies von Apfel- und Weingärten. Nun waren wir schon über dem Beginn des St. Giustina-Stausees angelangt, wo man südwärts nach Cles gelangen kann (unsere Abzweigung bei der Rückführt), und es ging westwärts weiter in vielen Kurven oberhalb des tief eingeschittenen Schlucht des Noce-Flusses in das dann weitläufiger ausgebreitete VAL DI SOLE hinein. Hier kam wir schon rascher voran, fast auf einer Schnellstraße, die aber bald nach Malé wieder von einer normalen Talroute abgelöst wurde. Malé ist auch ein wichtiger Kreuzungspunkt, von uns allerdings nicht ausgenützt (nordseitig ins Rabbi-Tal, südseitig ins Schigebiet von Madonna über den Sattel Campo Carlo Magno) – wir fuhren durch die Touristenorte mit den Liftanlagen zur Folgarida weiter immer auf den Tonalepass zu. Zuletzt auf einer etwas kühnen Bergstraße mit einem museal eingerichteten Sperrfort aus dem 1. Weltkrieg vorbei und ersten Blicken auf die wilden Presanellagipfel auf die Passhöhe. Fahrdauer zwei Stunden, geschätzte 80 km.
Das bis zum Sattel ansteigende Ortsgebiet von Passo di Tonale hat uns ziemlich enttäuscht, nicht nur wegen dem flauen Sommerbetrieb, sondern vor allem wegen der herabgekommen wirkenden Gebäude und noch dazu einiger Touristenburgen (Hochhäuser, wie sie in den Alpendestinationen Italiens und Frankreichs normal erscheinen). Wir landeten etwas an der Wasserscheide auf einem riesigen, ziemlich leeren Parkplatz neben einem monumentalen Kriegerdenkmal (hier ringsum herrschten die Gebirgskämpfe des 1. Weltkriegs wie in den Dolomiten). Noch dazu hatten wir uns auf sehr warmes Wetter eingestellt und mussten feststellen, dass hier heroben auf 1888 m durchaus keine sommerlichen Temperaturen herrschen. Um das Beste daraus zu machen, machten wir uns auf zu einem längeren Spaziergang, natürlich an der Sonnenseite, wo es noch halbwegs angenehm war. Vom Hang mit seinen Sessellift-Trassen schaute ein eigenartiges Gebäude herab, das uns interessierte. Es war zwar als Bar Mirandolina tituliert, aber insgesamt war es das alte Hospiz mit einem angebauten Kirchlein, denn der alte Saumweg führte nicht durch die versumpfte breite Passmulde weiter unten, sondern am besser gangbaren Hang entlang.
Nicht nur unsere Kleidung war mangelhaft, sondern auch die Vorinformation! Zwar ergaben sich bei unserem Spaziergang rechts überraschend hübsche Bilder, belebt von einer wie daherpreschenden Herde von Schafen und sogar Ziegen. Aber die Hauptattraktion haben wir leider versäumt (ich mit kurzer Hose habe sicher nichts versäumt…). Denn jenseits der Passhöhe, hinab in Richtung des berühmten Schiorte Ponte di Legno erkannten wir eine Seilbahntrasse, die hoch zur Dreitausenderzone der Presena geführt hätte. Ob wir es schaffen werden, wieder einmal in diesen Alpenwinkel zu kommen und dort hinauf zu fahren? Auf die Presanella sicher nicht, und auf dem Adamello waren wir ja schon 1969 oben!
Vor 14 Uhr machten wir uns dann an die Rückfahrt, vom Sperrfort noch ein letzter Blick auf die Eis- und Felswelt der wilden Presanella.
Unser nächstes Ziel, nach der Fahrt durch das schöne Val di Sole mit den Seitentälern nach Pejo und Rabbi am Südrand der Ortlergruppe, war die Stadt CLES auf den weitläufigen Kulturterrassen über dem Giustina-Stausee. Mit Glück erwischten wir die richtige Zufahrt zum Hauptplatz und konnten uns dort erst so richtig laben, zuerst Pizzeria und dann Café – überall freundlich und wohlschmeckend, wir hatten die Stärkung auch schon notwendig! Anschließend stimmten die Vorbereitungen – Zielort an einer Seitenstraße hinein in die Brenta die Ortschaft Tuenno. Dahinter scheint das Ende der Welt zu liegen, so wild erheben sich die Felsmauern der Brenta, tief unten eine gewaltige Schlucht, nach Äpfel- und Weingärten nur mehr steilstes Wald- und Felsgelände! Die Ausflugsstraße windet sich hinein in ein Hochtal mit Schutthalden und Bergstürzen, vorbei an einer Menge von Parkplätzen, zum Glück bis zum letzten hochgefahren. Nun sind wir im Nationalpark Brenta mit den Brentabären als Thema, zahlen die Parkgebühr und stellen das Auto auf nicht gefüllten, aber ausgedehntesten Parkflächen ab. Ringsherum Blockwald und südalpiner Laubmischwald, vorherrschend die urigen Rotbuchen, wie es der Höhenlage entspricht.
Hier am Lago di Tovel / Tobelsee befinden wir uns in einem Herzstück des Naturparks Adamello Brenta! Eine urgewaltige Natur, die am Licht des späten Nachmittags (es ist bereits 16 Uhr Sommerzeit) mit den letzten, zwischen Wolkenfetzen hereinleuchtenden Sonnenstrahlen einen überwältigenden Eindruck macht. Organisiert ist hier alles vortrefflich (wenn wir auch die Bären-Station auslassen müssen), ein kurzes Stück Zugang zum Seeufer und dann einen anfangs schwächer, dann breit ausgebauten Seerundweg entlang. Immerhin hat die Umwanderung gut zwei Stunden gedauert und uns einmalige Bilder geboten, wenn auch der Lichtkontrast fast nicht zu bewältigen war (am besten eine Mischung von Originalbildern und behutsamer Photoshop-Bearbeitung).
Die Rückfahrt in die Finsternis hinein über Sanzeno (wo wir voriges Jahr das Heiligtum des Romedio besucht haben) mit einer kleinen Irrfahrt, aber dann doch zügig über den Gampenpass nach Lana führt schon weit in die Abendfinsternis hinein und dauert noch zwei Stunden, insgesamt ein langer Tag mit 233 Fahrkilometern, einer kleinen Enttäuschung auf dem mit großer Erwartung angepeilten Tonalepass, aber dafür einem kaum wiederholbaren Erlebnis bei der Runde um den Tobel- oder Tovelsee!
Nicht