Vinschgauer Waalwege und Schloss Juval
29. November 2017 von Bernhard Baumgartner
Bei jedem unserer Urlaube in Lana haben wir eine Tour immer wieder unternommen – den alten Schnalstalweg hinauf zum Schloss Juval.
Seit etlichen Jahren befindet sich Juval im Besitz von Reinhold Messner und ist jetzt eines von mehreren “Messner-Mouintain-Museen” in Südtirol. Man geht aus dem Tal ein bis eineinhalb Stunden hinauf bis zum Schloss, das hoch über dem Vinschgauer Sonnenberg und der Talschlucht des Schnalsbaches förmlich auf einem Hangvorsprung “thront”. Früher führte der Weg ins Schnalstal über Juval, erst später wurde die Straße unten gebaut und neuerdings durch einen Tunnel ersetzt.
Das Wasser zu den Waalen am Sonnenberg wird übrigens vom Walchhof (eigentlich Waalhof) aus dem Schnalsbach entlang der Steilhänge hergeleitet, immer wieder von Steinschlägen bedroht und daher in verrohrtem Lauf.
Ausgangspunkt für den “Juvalweg” ist der Ort Staben (nahe der Abzweigung ins Schnalstal gibt es einen Parkplatz und Shuttlebus über eine schmale Bergstraße zum Schloss). Als wir der Karte nach das erste Mal den Weg suchten, kamen wir unversehens in die Steilhänge hinein, bis wir entdeckten, dass gleich neben der alten Kirche von Staben an einem Haus der Weg sogar “beschildert” ist (sozusagen ein Straßenschild aus alter Zeit).
Zwischen alten Häusern im Bogen bergwärts, gelangt der vielfach mit Steinen gepflasterte, oft hohlwegartig in den Steilhang gegrabene Saumweg hinauf zum Sonnenberg. Vorher geht es noch zwischen Apfelgärten und unter den “Pergeln” der Weingärten durch. Eine Naturschutztafel weist auf das Biotop Sonnenberg hin – extrem trockene Steilhänge, von Felsstufen durchsetzt, bedeckt mit Trockenrasen und Gebüsch. Es gibt aber anfangs auch viele Edelkastanienbäume, und einmal konnten wir beobachten, wie die dort weidenden Ziegen ganz geschickt die Kastanien aus ihrer stachligen Hülle herausknabberten! Die Aussicht ist jedenfalls ununterbrochen fantastisch, hinab ins Tal auf die Ortschaften und die endlosen Apfelkulturen, gegenüber der Bergkamm gegen das Ultental. Im Frühsommer blühen hier viele seltene Blumen (darunter eine als Pulsatilla alpina angesehene Küchenschelle, die aber unser Freund Prof. Karl Oswald als Spezialist doch für eine Variante der Nickenden Küchenschelle / P. pratensis nigricans hält, die auch etwa in Niederösterreich vorkommt). Bei unserer letzten Tour am 19. Oktober war natürlich alles, noch dazu nach dem heißen und trockenen Sommer, weitgehend verdorrt, nur einzelne Sträucher zeigten ihre bunten Herbstfarben.
Dann queren wir einen Wasserlauf, den Stabener Schnalswaal, gehen aber auf dem Hauptweg weiter und kommen im Bogen durch immer freieres Gelände zum Gasthaus Sonnenhof. Die Wege sind hier gegenüber unserem letzten Besuch etwas verändert, wir gehen auf der neu angelegten Route direkt hinauf zum Schloss Juval und kommen dabei noch durch dessen “Bauerhofgelände” mit allerhand Tieren, dickbauchigen Schweinen und einer Menge Hühnern.
Das Schloss selbst und das Museum wollen wir nicht mehr besichtigen, aber bis zum Portal in den Gartenhof können wir noch vordringen, auch hier befinden sich überall Statuen aus Reinhold Messners Sammlungen.
Nach einem Blick ins Schnalstal gehen wir denselben Weg ein Stück zurück und rasten an einem einladenden Platz, wo uns ein kleines Tier als Beweis für die klimatische Gunst des Vinsch´ger Sonnenhangs auffällt.
Beim Gasthof trennen sich die Wege für den Abstieg, wir wählen geradeaus den oberen geradeaus führenden Tscharser Waalweg, zugleich “Vinschger Höhenweg” mit der netten Fußspur, der uns bis nach Kastelbell bringen könnte. Dieser Wanderweg ist bestens ausgebaut und quert mit einigen Aussichtspunkten die Wälder am Sonnenberg – ein ideales Dahinbummeln neben dem munter fließenden Waalwasser, wobei die Neigung manchmal so gering ist, dass man fast meint das Wasser bergauf fließen zu sehen.
In einem schluchtartigen Einschnitt wird das Waalwasser durch eine überbrückende Rinne zur Fortsetzung des Waals geleitet, dann geht es weiter wie gewohnt im flachen Verlauf. Wir verschmähen die abkürzenden Wege zu einem Gasthaus und könnten so bis Kastelbell weitermarschieren. Aber zuvor noch eine weithin zu hörende Besonderheit – eine Waalschelle: Von einem Wasserrad angetrieben schlägt ein Hammer unaufhörlich gegen eine Metallglocke und zeigt so an, dass der Wasserfluss nicht unterbrochen ist. Wenn der Waaler (zur Aufsicht bestellte Person) die Schelle nicht schlagen hört, muss er sich sofort aufmachen, um den Schaden zu beheben, meist den verlegten oder nach Unwettern ausgebrochenen Waal wieder zu reparieren. Man erzählt, viele ausgewanderte Südtiroler würden das Schlagen der Waalschelle selbst in der Ferne noch als “Klang ihrer Heimat” nachempfinden…
Dann führt der Waalweg aus dem Wald heraus zu einer Bergecke, wo ein Asphaltweg von Tschars heraufkommt. Hier brechen wir unsere Waalwanderung ab, denn wenn wir im Tal nicht gerade einen Zug erwischen, könnten wir auch zu Fuß auf dem Radweg nach Staben zurückgehen. Dieser Entschluss erweist sich jedenfalls als höchst angenehm – beim Durchqueren des malerisch am Hang gelegenen Ortes mit seinem hochragenden Kirchturm kommen wir nämlich am “Dorfcafe” vorbei. Die Buchweizentorte dort war ebenso köstlich wie der Kaffee, den wir uns schon ausreichend erwandert hatten!
Von dort oben sind wir hergekommen, und nach ein paar Minuten Wartezeit kommt auch schon ein Zug der famosen Vinscherbahn daher, ein ganz modernes Verkehrsmittel, das zwar den Durchzugsverkehr nicht vermindern wird (obwohl es sogar Pläne zum Anschluss an das Rätische Bahnsystem der Schweiz gibt), sich für Wanderer und sogar Radfahrer aber ganz ideal erweist.
Uns ist schon aufgefallen, dass die Apfelgärten jetzt eifrig bespritzt werden – von Irmgard haben wir dann in unserem Quartier erfahren, dass damit der Blattfall beschleunigt werden soll (indem die Blätter nicht an den Ästen verdorren). Am Sonnenberg (mit dem Stabener Kirchturm ganz rechts unten sichtbar) erkennt man am bunten Baumwuchs, wo die beiden Waale verlaufen, denn dazwischen sind die hellen Felsen und Trockenrasen deutlich zu sehen. Nach ein paar Minuten, kaum dass wir uns niedergelassen haben, heißt es schon wieder auszusteigen – bequemer würden wir mit der Bahn nach Meran weiterfahren. Aber in Staben parkt ja unser Auto, und an der Töll gibt es wieder den schon im Radio angekündigten Stau…