Tourenbuch Dalmatien V: Karisnica, ein unbekannter Naturschatz
4. August 2017 von Bernhard Baumgartner
BUKOVICA Im “unteren” Nord-Dalmatien erstreckt sich zwischen den Städten Obrovac – Benkovac – Knin bis auf über 300 m Seehöhe dieses nach den ursprünglichen Buchenbeständen (Bukva = Buche) benannte Karstgebiet. Nur mehr teilweise randlich bewaldet oder verbuscht, wird es von steinigen Heideböden und spärlichen Kulturflächen bestimmt. Einzelne Karsttäler ziehen von Westen, aus dem Karinskoje More, in das abgeflachte Hochland, eines davon heißt KARISNICA. Vom gleichnamigen Karstfluss entwässert und durch artenreiche Fauna und Flora ausgezeichnet gilt es als Natura-2000-Gebiet.
Wir waren durch den Führer “Norddalmatien” (Müller-Verlag, mit Wanderrouten) auf den Poucna staza Karisnica aufmerksam geworden, vor allem weil dieses Tal als Standort der Ophrys lutea angegeben wurde, die wir noch nie (nicht einmal auf Malta) gesehen hatten. Das Franziskanerkloster nahe der Mündung (schon vor Jahrhunderten immer wieder zerstört und wieder aufgebaut, zuletzt 1991) war uns allerdings vom Vorbeifahren schon bekannt und damit der Ausgangspunkt des Naturweges.
Dienstag, 15. Mai 2017
Trotz oder gerade wegen Wolkenstau über dem Velebit ist es gering bewölkt und warm. Die Karisnica erscheint uns als Halbtagestour günstig (noch unwissend, dass wir am Nachmittag die Fahrt bis über Krupa anschließen werden). Wegen Baustelle an der Bundesstraße für wenige Kuna auf der Autobahn bis zur nächsten Abfahrt (Posedarje) und auf Uferstraße mit hübscher Küstenlandschaft das Novigradsko more entlang bis zur Kreuzung oberhalb der Stadt Novigrad, dort Tiefblick auf den fjordartigen Hafen und die imposante, sehenswerte und gerade renovierte Festung. Dann geht es schon auf die Höhen von Prigrada und zur Kreuzung mit der Obrovac und Benkovac verbindenden Hauptstraße Nr. 27, hier Abzweigung zur Küste hinab, wo es bei Karin-Slana einen günstigen Badestrand gibt. Wir halten aber bereits oberhalb von Karin-Plaza in der Straßenkehre vor dem Kloster bei der Infotafel des Naturschutzgebietes.
Der gepflegten Anlage merkt man an, dass alles nach den Kriegszerstörungen von 1991 erst wieder neu aufgebaut werden musste (der Orden der Franziskaner verfügt wohl über reiche Geldmittel und Förderer). Eine Forststraße zweigt hier in das Tal ab, und eine Infotafel (wie zwei weitere) bietet auch eine Orientierungshilfe. Beim Wandern halten wir unermüdlich Ausschau nach der Gelben Ragwurz, leider vergeblich, dafür zeigen sich aber bald wahre Unmengen anderer Ophrys-Arten (wahrscheinlich haben wir nicht die richtige Blütezeit erwischt für die Ophrys lutea – bei Schönfelder angegeben I bis VI, die gesehenen Arten III bis VII).
Außerdem finden wir noch mehrfach leider ziemlich abgeblühten Violetten Dingel.
Auf die einstigen Wirtschaftsverhältnisse weisen mehrere Mühlenruinen hin, aus einer Zeit als in der Gegend noch mehr Ackerbau betrieben wurde, während in der Gegenwart auf dem verkarsteten Boden der einstigen Buchenwälder Viehzucht überwiegt. Nicht nur Schafe und Ziegen werden extensiv gehalten, wir sahen auch mehrfach Kühe, die sich sogar auf den Straßen herumtrieben! Bei der ersten Ruine sind wir am Fluss angelangt, der durch üppig grüne Ufer und wuchernden Bewuchs mit Moosen und Wasserpflanzen besticht, vor allem aber durch sein kristallklares Wasser. Die Talhänge hingegen sind überaus trocken und vor allem mit Kiefern bewachsen.
Wir kommen uns fast wie Naturforscher vor, so unermüdlichen suchen wir die Gelbe Ragwurz, aber es bleibt “nur” bei “Hummeln” und “Bienen”, allerdings in blütenreichen und zahllosen Exemplaren. Auf Felsplatten und im Dolomit- oder Kalkschutt entdecken wir auch eine selten gesehene Pflanze: die Krug-, Becher- oder Büschelglocke / Edraianthus (die Art lässt sich schwer entscheiden, wohl graminifloius agg., vielleicht (H)edraianthus croaticus), ferner gibt es auch hier den Amethyst-Blaustern, daneben noch andere hübsche mediterrane Pflanzen, darunter auch ein Tausendguldenkraut, das wir womöglich auch in Malta gesehen haben (Centaurium erythrea oder spicatum, zu littorale passt der Standort eher nicht).
Bei einer Talweitung gehen wir unter der hohen Betonbrücke der Hauptstraße hindurch, und jetzt schon meist direkt neben dem Bachbett ins Tal weiter hinein. Außer den Infotafeln ist von Markierungen oder Wegpfeilen nichts zu bemerken, im Talschluss verleiten uns sogar einige schwache Farbpunkte zu einem Irrweg! Abgesehen von den engeren Nationalpark-Bereichen scheint das Fehlen von Markierungen in diesem Gebiet Kroatiens ein echter touristischer Mangel zu sein. Genaue Karten habe ich außerhalb der Nationalparks nicht vorgefunden, und das nächste Mal sollte ich mich wohl am besten in den reichlich vertretenen Internetbeiträgen schlau machen….
Ein markanter Punkt erfordert eine Wegentscheidung – über eine alte Steinbrücke biegt die Forststraße nach links ab, vor uns gibt es eine der alten Mühlen. Hier verleiteten die alten Farbzeichen zum Weitergehen auf dem rechts daneben höher führenden Steig, statt unser Ziel – die Karstquelle – direkt hinter der Paulica mlinica zu suchen… Durch lockeren Kiefernwald, später über Wiesenlichtungen, steigt der Weg ziemlich stark an und biegt dann links in den zunehmend freien Hang hinaus.
Beim Weiterweg würden wir auf die Hochfläche hinaus kommen, auf keinen Fall zu einer Quellhöhle! Allerding sieht man auf dem Bild, dass stellenweise Felsstufen aus dem Talrand heraustreten, und nachträglich habe ich im Internet nachgelesen, dass weiter nördlich (bei Minari) die Bijelaschlucht verborgen ist und sogar ein bekanntes Sportkletterrevier bietet. Uns bleibt aber nur der Rückweg ins Tal zum Beginn des Steiges bei der Steinbrücke und der Mühle. Erst am Ende der Tour haben wir von zwei Campern erfahren, dass die Quellhöhle der Karisnica hinter der Mühlenruine versteckt ist (auch auf dem Übersichtsplan der ersten Infotafel wäre das ersichtlich gewesen, aber leider nicht beachtet…).
Nun gehen wir über die Steinbrücke und auf der links wendenden Forststraße bis in den nächsten Taleinschnitt. Hier scheint kaum ein Ausweg zu bestehen, aber doch – beim genauen Hinsehen führt am Gegenhang eine Art Steig talab entlang, mit viel Phantasie sogar mit verstreuten alten Markierungen. Was soll´s – ohne Wagnis kein Erfolg – wir vertrauen uns dieser Spur an! In vorläufig noch überschaubar urigem Gelände kommen wir bis zur Unterquerung der Straßenbrücke, und jetzt gibt es auch kein Zurück mehr, wollen wir nicht über die hoch oben verlaufende Brücke an das anfangs der Tour begangene Ufer wechseln. Zum Durchwaten scheint die Karisnica ja nicht recht geeignet…
Also folgen wir den spärlichen Spuren weiter hinab ins Tal, begleitet von einer Fülle der schon bekannten Orchideen und immer mehr auch von mediterranen Pflanzen (wie dieser Winde). Das Gelände wird nun voll urig, ab und zu sind aber hemmende Sträucher oder Totholz etwas ausgeschnitten, dass die Steigspur verfolgt werden kann. Einmal geht es sogar höher am Hang entlang und immer wieder durch einen Windbruch, aber alles lässt sich irgendwie überwinden, auch wenn es immer heißer wird. Was wir sonst vielfach angetroffen haben, davon bleiben wir bei der Mittagshitze und in diesem “verdächtigen” Gelände verschont – von den sonst so häufigen Schlangen… hier soll es sogar die Leoparden-Schlange geben (Zamenis situla). Dann kommt aber die untere Talweitung in Sicht, wo wir beim Aufstieg höher am Hang auf der Forststraße gegangen sind.
Hier verkehren anscheinend schon die Jäger und Fischer, denn an einen Jagdsteig schließt ein Karrenweg auf der rechts folgenden Plateauhöhe an. Zuletzt landen wir auf der Straße zwischen Karin Plaza und Slana, vor uns das hier von einem Verlandungsgürtel umgebene Karinsker Binnenmeer.
Dieses mit Schilf und Flachmoor bedeckte Ufergebiet heißt Tuvina und ist bekannt für seinen reichhaltigen Lebensraum – diesen Silberreiher haben wir allerdings schon etwas flussaufwärts gesehen.
Über diese (wohl aus der Kriegszeit stammende) Behelfsbrücke kommen wir zurück zum Ausgangspunkt – zuerst am noch leeren Plaza-Camping vorbei, dann neben dem Kloster zur Straßenkehre mit der ersten Infotafel und unserem geparkten Auto. Um 11 Uhr sind wir losmarschiert, nun ist es bald halb drei Uhr – gerade in der heißesten Mittagszeit waren wir unterwegs. Trotzdem verlässt uns nicht der Tatendrang, und nach einer Rastpause machen wir uns an die Fahrt zur Zrmanja und Krupa, wie im Teil IV meines Blog “Tourenbuches Dalmatien” berichtet.