4. = Südböhmen-Abschlusstag mit Bucherser Kirtag
20. September 2016 von Bernhard Baumgartner
Sonntag, 11. September: Wieder ein wunderschöner Morgen in Gratzen! Wir haben vor, die Route für die Heimfahrt über Buchers zu nehmen und uns dort wieder ein wenig “umzuschauen”. Beim Besuch von Annis Freundin Dorli haben wir allerdings gehört, dass um diese Zeit der Bucherser Kirtag angesetzt ist. Nicht ein gewöhnlicher Kirtag, sondern zugleich das Treffen der vor gerade 70 Jahren vertriebenen deutsch sprechenden Bewohner des Ortes, der seither fast völlig verödet ist.
Ein Besuch des Grenzlandes auf der tschechischen Seite, das jetzt wegen der rückentwickelten Natur als “Grünes Band” bezeichnet wird, gleicht fast einer Expedition in die Vergangenheit. Man wandert durch Waldeinsamkeiten, wo bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts noch Dörfer und Siedlungen bestanden, die zu einem Großteil von sogenannten Sudetendeutschen bewohnt wurden. Der Begriff ist allerdings völlig falsch und wurde wohl aus politischen Gründen verallgemeinert, denn in Südböhmen und Südmähren handelt es sich um “Altösterreich”, wie es bis zu den Friedensregulierungen nach dem 1. Weltkrieg bestanden hat. Noch eine Klärung zum Ortsnamen Buchers, auch tschechisch Pohore na sumava – wir befinden uns hier in den Gratzener Bergen / Novohradske hory, die geographisch mit dem benachbaren Waldbergland im Wald- und Mühlviertel als “Freiwald” zusammengefasst werden. Der Weinsberger Wald (wie man auf örtlichen Infotafeln lesen kann) befinden sich weiter im Osten, der Böhmerwald / Sumava jedoch noch entfernter im Westen jenseits der von Linz nach Prag führenden Senkung und am Dreiländereck Österreich / Deutschland / Tschechien.
Unsere Fahrt geht wieder über die Wallfahrtskirche Brünnl / Dobra Voda und den historischen Kur- und heutigen Wochend-Ausflugsort Heilbrunn / Hojna Voda nach Cerne Udoli / Schwarztal, diesmal aber nicht ins verlockende Zofin, sondern weiter ins Grenzeck zwischen Tschechien bzw. Ober- und Niederösterreich hinein nach Pohorska Ves / Theresiendorf. In dieser Ansiedlung, die wahrscheinlich gerade noch außerhalb der Sperrzone am Eisernen Vorhang gelegen war, ist der Rückstand gegenüber den entwickelteren Gebieten am Gebirgsrand überaus spürbar. Die nächste Siedlung ist Leopoldov / Leopoldsdorf, die Siedlungsnamen erinnern an die Erschließungszeit vor 300 bis 400 Jahren unter den Buquoit, den Gratzener Grundherren. Danach verschließt sich das Tal zu einem von dichten Wäldern umgebenen Graben. Wo es aus den Engstellen hinaus geht ins flachere und waldfreie Gelände vor Buchers, sehen wir links den hübschen Teich, wo wir vor einigen Jahren sogar gebadet haben – wie viele Autos uns unterwegs begegnet sind, können wir an einer Hand abzählen!
Zwischen brachen und gemähten Wiesen den Hügel hinauf zum von uralten Baumreihen umschlossenen Dorf Buchers – plötzlich befinden wir uns einem fast schockierenden Trubel! Überall parken (vom österreichischen Stadelberg zugefahrene) Autos, Standeln und ein Festzelt sind aufgestellt, Menschen strömen zusammen, viele in “Dirndlg´wand”, aber ganz unterschiedlich wie die Altersgruppen.
Wir kommen gerade zurecht, denn in einer Viertelstunde beginnt die Kirtagsmesse, schon marschiert die Musikkapelle heran, die später im Festzelt aufspielen wird (aus Leopoldstein), und die Bankreihen in der “Kirche unter freiem Himmel” füllen sich zusehends.
Die Messe wird von einem Diakon sehr einfühlsam gestaltet, Besinnung ohne Bitterkeit und mit aktuellen Bezügen, vorher die Ansprache vom Obmann des Bucherser Vereins aus Stadelberg. Insgesamt eine ganz eigenartige Stimmung, vor allem wenn um die Hintergründe dieser Veranstaltung weiß, und die ich mit den folgenden Bildern einzufangen versucht habe…
Was sich nicht alles in Buchers verändert hat! Wo 2011 noch rohe Ziegelmauern waren, ist jetzt alles sauber verputzt, und ein altes Bild hingegen zeigt den vom Dach schon entblößten Kirchenraum und darin aufwuchernde Jungbäume. Dazu ein Hinweis auf eine Quelle (die sonstigen Erinnerungen sind in der Bucherser Kapelle bei der Grenze in Stadelberg gesammelt), die ich im Internet entdeckt habe:
Die Arbeit von 2008/2009 “Vysidlena obec” (anscheinend eine Serie über die wissenschaftliche Aufarbeitung des Grenzraumes am ehem. Eisernen Vorhang?) enthält nicht nur interessante Bilder (Luftaufnahme von Buchers um 1940 u.a.), sondern vor allem auch drei Karten der wesentlichen Landesaufnahme zur Zeit der Österr.-Ungar. Monarchie (Josephinische Kriegskarte 1764/68, Katasterkarte von 1836 – 1852, Alte Landesaufnahme 1 : 75 000 von 1877 / 1880). Zwar konnte ich mich mit Hilfe des Google-Übersetzers nur halbwegs durch den Text hanteln, aber eine kurze Zusammenfassung über die Geschichte Buchers gibt es auch in meinem “Wandererlebnis Waldviertel mit Wachau & Südböhmen” von 2012, die durch die demnächst erscheinende Neuauflage im Kral-Verlag erhalten bleiben wird.
Zurück zum Bucherser Kirtag! Ich habe den Schmied, der hier seine sehenswerten Waren anpreist, und Anni die Kleiderln fotografiert. Bevor ich die Bilder vom “neuesten Buchers” zeige, noch ein Hinweis – über den Friedhofsgang bringe ich einen eigenen Beitrag.
Übrigens – kurz vor dem Bucherser Kirtag fand die Hubertusmesse der Tschechischen Forstverwaltung statt, wie dieses Plakat zeigt.
Während immer noch eine Autokolonne über die Staubstraße von der Grenze herab zum völlig zugeparkten Kirtag strömt, verlassen wir Buchers und lassen diesen “Tripp in die Zeitgeschichte” hinter uns… Es waren interessante Tage, sportlich und touristisch sehr ergiebig, dazu der angenehme Aufenthalt in Gratzen, den wir möglichst im Frühjahr wiederholen werden. Das Waldviertel empfängt uns abschließend mit Sonne am Frauenwiesteich bei Langschlag, mit letzter Schwammerlausbeute rund um die “Goaß” und einer opulenten Pizza mit netter Gastlichkeit in Groß Gerungs.