Brandmauer – von gemütlich bis urig!
22. Januar 2014 von Bernhard Baumgartner
Seit mehr als einem Monat hinkt jetzt der Winter so vor sich hin… ohne Frost (für einen ordentlichen Raureif) und ohne Schnee. Also schaut es schlecht aus – auf Pisten und Loipen und im Tourengelände, jeder kann oder will ja nicht unbedingt in den fernen Südwesten fahren, in die Karnischen oder nach Osttirol. Also bleiben nur die näheren Berge und Touren als “Fußwanderer” übrig, zumindest so lange uns die Föhnlage noch voll im Griff hat!
Schon im Oktober haben wir uns an der Brandmauer versucht, dem tollsten Ötscher-Blickpunkt nahe Wastl am Wald und Puchenstuben. Und dabei entdeckt, dass die alten Routen (für die Aktualisierung des 1977 erschienenen Wander- und Landschaftsführers “Ötscherland und Pielachtal”; alle Ötscherführer gemeinsam mit Werner Tippelt; 1. eigentlicher Ötscherführer 1990) nicht mehr aktuell sind – Bericht “Spurensuche” im Blog vom 15. Oktober 2013. Nach diversen Erörterungen mit Werner (er hat den Brandmauer-Westgrat als Extremtour im neuen “Wandererlebnis Ötscher & Ybbstaler Alpen” beschrieben) war es klar, da muss weiter nachgeforscht werden. Nun, die Gelegenheit dazu hat dieser Hochwinter bestens gebracht, und letzten Sonntag, 19. Jänner, war auch das Wetter noch immer passend.
Wir haben von St. Veit an der Gölsen nur eine Anfahrt von 55 km über Annaberg und Wastl am Wald bis zur Kehre vor dem Berghaus Turmkogel (Haus Köstler; der Schnee ist seit einer Woche noch weniger geworden, kein Schibetrieb). Dort gehen wir gleich die obere Loipen-Trasse auf der Forststraße entlang (das Bild ist kurz nach der Kehre aufgenommen). Teilweise aper, vielfach aber auch noch auf Schneeflächen mit Spurresten (ohne viel einzusinken), so geht der Marsch flott dahin, toller Nahblick auf Gemeindealpe und Ötscher.
Der Wärme nach (über 5 Grad plus auf dieser Höhe!) könnten eigentlich die Ötscherbären – soweit es sie noch geben sollte – schon aus dem Winterschlaf erwachen. Als wir in der Hangbucht östlich der ehemaligen Silbergrubenwiese (in der Karte gekennzeichnet) uns von der Forststraße rechts hinauf zum Kamm wenden, scheint auch das für bärige Begegnungen stimmige Gelände erreicht zu sein!
Oben am Kamm, der vom Turmkogel bei der Brandeben herüberkommt, staunen wir nicht schlecht – die Kammhöhe ist von Rodungsmaschinen ‘”überarbeitet” worden, und auf diesen Spuren steigen wir zum Sattel nördlich der nächsten Forststraßenkurve ab, wo unterhalb eine tiefe Doline (in der Karte ehem. Bergwerkszeichen) eingesenkt ist. Nun geht es erst richtig los – steil, aber mit spärlichen Steigspuren den Kamm hinauf, mehrfach durch Windbrüche behindert. Nach einer rechts, über dem Bergabbruch ins Trefflingtal, vorspringenden Felskanzel folgt dann eine Windwurf- und Schlagfläche mit freiem Ausblick gegen Südosten bis zum Schneeberg.
Bald danach öffnet sich inmitten des hier breiteren Bergkammes die geomorphologisch so überaus bemerkenswerte “Karstgasse”, eine Längsmulde mit beidseitig steiler, links sogar felsiger Begrenzung. Wir folgen den Steigspuren an der nördlichen Gipfelschneide entlang, wo sich am höchsten Punkt der Brandmauer mit 1277 m sogar ein kleines Gipfelkreuz befindet.
Vielleicht könnten wir im Kammverlauf weiter sogar über die Steilstufe hinunterkraxeln (Kletterstelle ?). Aber weil zuvor im urigen Buchenhochwald gar so schöne Schneerosen zu sehen waren, gehen wir ein Stück zurück und steigen dann über die niedergebrochenen Baumriesen in die Karstgasse ab.
Durch diese geht es dann auf ausreichend hartem Schnee westwärts bis zum Sattel zwischen nördlicher und südlicher Gipfelschneide hinauf und queren dann rechts zum Hauptkamm. Diesen entlang führt eine Steigspur weiter bis zum Westgrat. Hier folgen markante Felsköpferl über den in die Wandstufen abbrechenden Steilrasen. Diese hervorragende Stelle, zwar nicht der Gipfel aber der beste Aussichtspunkt, ist Anni sogar von einer Tour vor langer Zeit noch in Erinnerung. Damals sind wir von der Loipen-Kehre über einen Steig heraufgekommen, der aber zumindest am Anfang so mit Jungfichten verwachsen ist, dass wir diese alte Spur nicht mehr finden konnten.
Diese Felskanzel am obersten Westgrat der Brandmauer ist sicher der eindrucksvollste Blickpunkt auf den Ötscher – tief unten die Schlucht der Vorderen Tormäuer, wie aus der Vogelschau die Einschichtsiedlungen Trübenbach und Nestelberg, der Ötscher mit Nordwand – Rauhem Kamm – Himmelsleiter, rechts davon Kleiner Ötscher und Scheiblingstein, links in der Ferne die Mariazeller Berge bis zur Tonion und der schon sehr umwölkten Hohen Veitsch.
Seit dem Aufbruch bei der Turmkogel-Kehre sind schon, mit Schauen und Wegsuchen und Fotografieren, gut zwei Stunden vergangen. Um 13 Uhr machen wir uns an den Rückweg – gleiche Route bis in die “Karstgasse”. Wir könnten nun auch den südlichen Begrenzungskamm weiter verfolgen, steigen aber doch lieber in der mit Altschnee gefüllten Rinne bequemer ab. Wie diese entstanden sein mag? Es handelt sich (wie z. B. auch an den “Reismäuern” der Reisalpe) um eine sogenannte Bergzerreißung – die starren Wettersteinkalke des Gipfelzuges haben sich in Längsrichtung gespalten und sind förmlich auseinander “gerutscht”, in unendlich langen, geologisch aber kurzen Zeitspannen. Vielleicht wegen unterlagernder schiefriger Gleitschichten oder wegen der durch die vermehrte Erosion während der Eiszeiten übersteilten Berghänge, um es ganz einfach auszudrücken.
Noch vor dem tiefsten Punkt queren wir rechts über den Rücken hinweg und kommen zu einem tief ausgefahrenen Ziehweg der Durchforstungsarbeiten in den vor ca. 30 Jahren angepflanzten Fichtenbeständen. Dieser leitet uns ganz bequem, über Schnee und etwas matschigen Waldboden hinunter zur Loipen-Forststraße (in der Karte markiert, halbwegs zwischen der Silbergruben-Doline mit altem Bergwerkszeichen und dem Loipen-S, der Wende der Forststraße).
Nach diesen urigen Strecken verläuft der Rückweg auf der Loipen-Trasse wieder ganz bequem. Wir nehmen links die kürzere obere Schleife wie beim Anmarsch, könnten aber auch rechts dem längeren Verlauf der Forststraße folgen.
Von den Aussichtspunkten öffnet sich ein im Nachmittagslicht besonders eindrucksvolle Panorama zum Ötscher und zur Gemeindealpe. Wir sind mit dieser Tour hochzufrieden, denn es hat alles gepasst (vom Wetter, den Boden-Verhältnissen her), und jetzt kennen wir wirklich die aktuelle Route auf den Brandmauergipfel vom Turmkogel her aus eigener Begehung.