Goldene Herbsttage in Südtirol
31. Oktober 2011 von Bernhard Baumgartner
Zum sechsten Mal in Lana bei Meran – im “Hofmannhof” bei Irmgard und Sepp Pircher. Im Gegensatz zu den Voralpen und dem Wienerwald ist in den niedrigen Gebieten Südtirols alles noch grün. Aber in den Hochlagen ab 1800 m (bei unserem heurigen Urlaub von 9. bis 23. Oktober) leuchten die Lärchen in schönstem Gold. Dazu zwei Wochen Sonnenschein, nur ein Tag mit Hochnebel, aber trocken (ein typischer Museumstag).
Den zweiten frühen Wintereinbruch dieses Herbstes merkt man am Neuschnee auf den Bergen. Bei der Anreise über den Brenner lagen neben der Autobahn noch mehr als 10 cm Schnee, aber nach Wolken und Regenschauern an der Alpennordseite lachte in Bozen bei Nordföhn schon herrliche Sonne!
Nicht nur im Botanischen Garten von Schloss Trauttmansdorff (so die richtige Schreibweise!) merkt man das submediterrane Klima des Talbodens von Meran südwärts. Palmen und andere empfindliche Pflanzen überwintern hier ohne Probleme. Trotzdem wurden in Trauttmansdorff die Tropenpflanzen bereits mit Foliendächern versorgt. Diese botanische Wunderwelt feiert heuer übrigens ihr zehnjähriges Jubiläum, wieder mit einer neuen Attraktion - einem Felsstollen, der das unterirdische Leben vorführt.
Nach der bewährt ruhigen Anreise am Sonntag ging es nach dem Dienstag im Botanischen Garten schon am nächsten Tag ans Wandern. Zufahrt nach Algund bis zur alten Kirche am Berghang (unten im Ort erlebten wir 2009 die Gedenkaufführung zu “200 Jahre Andreas Hofer”, bei der unser Hausherr mit mehreren hundert Mitwirkenden auftrat und uns den Besuch der Generalprobe ermöglichte). Knifflige Engstellen waren bis kurz unterhalb vom Waalweg zu bewältigen, und einen Parkplatz zu finden, ist fast schon die “Schlüsselstelle” einer solchen Tour (ebenso in Bozen oder Meran, das man am besten mit den verblüffend billigen öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht). Den Algunder Waalweg samt der Tappeiner Promenade hatten wir schon von Partschins bis Meran begangen, diesmal wanderten wir von unserem Einstiegspunkt jeweils eine Stunde in beide Richtungen (gerade unserer etwas eingeschränkten Gehkapazität angepasst). Aber am Abend ging es schon wieder hinaus – zur Kirche St. Hyppolith, die wir auf einer Bergspitze des Mittelgebirges stets vom Balkon unserer Ferienwohnung vor Augen haben.
Nach dieser herrlichen Abendstimmung von der Hyppolithkirche (aus dem 8. Jahrhundert mit Siedlungsvorgängern bis in die Steinzeit, sogar ein Langobardischer Fürstensitz soll sich dort befunden haben, neu ist ein Erinnerungsweg an den vorletzten Papst) lockte uns das Unterland. Der Wein war überall schon abgeerntet, weil es im Spätsommer und Frühherbst dort eine gewaltige Hitze gab (über 40 Grad, sogar die Äpfel hatten “Sonnenbrand-Flecken” und konnten teilweise nur als Schnittobst verwertet werden).
Von der Schnellstraße zwischen Meran und Bozen geht es hinauf ins “Überetsch”, einer weiten sonnigen Hangmulde mit dem berühmten Kalterer See. Überall Weingärten (der Talboden bis in den Vinschgau hinauf ist eher mit Apfelgärten vollkomen zugepflanzt), malerische alte Ortschaften, ein Schlösschen nach dem anderen und dazwischen uralte kunsthistorisch bemerkenswerte Kirchen. Aber auch Verkehrsprobleme wegen dem starken Besuch (bei anderem Urlaub konnten wir gar nicht an den Kalterer See heran). Diesmal machten wir eine Runde durch Kaltern und fuhren dann nach Tramin weiter. Die berühmte Jakobskirche mit ihren Fresken hatten wir schon einmal besichtigt, diesmal war gerade Zeit zur Mittagseinkehr, und in der neu eingerichteten Kellerei versorgten wir uns mit den Spezialweinen fürs nächste Jahr…
Nach so viel Naturkultur und Kulturkultur sollte es am nächsten Tag (es war bereits Freitag, zum Glück erst der ersten Woche!) wieder in ursprünglicheres Gelände gehen. Unser Traumweg im unteren Vinschgau führt von Staben hinauf zum Schloss Juval. Dort blühen im Frühjahr am Sonnenhang (Naturschutzgebiet) die Alpen-Küchenschellen und typische Trockenhangpflanzen. Der mit Steinen ausgelegte Karrenweg reicht offensichtlich endlos weit in die Vergangenheit zurück, außerdem quert er zwei Waale, die allerdings jetzt im Herbst schon abgekehrt sind. Weitab von den fleißig gesammelten Edelkastanien (vielfach “Aufklaubverbot”!) ist dort alles freies Gelände, und zu unserem Erstaunen sahen wir im Herbsturlaub 2004 eine Menge Ziegen, die die stacheligen Früchte öffnen und futtern konnten. Wir besuchten diesmal am Sonntag die “Kastanientage” in Völlan oberhalb von Lana, wo die Bauern in durchlöcherten Pfannen die “Kästn” (Maroni heißen sie erst südlich der Salurner Klause) auf offenem Feuer braten. Stark angekohlt scheinen sie fast nicht genießbar, aber das täuscht, und den letzten “Suser” (Rotweinsturm) erwischten wir auch noch, bevor wegen der frühen Ernte der letzte Tropfen vergriffen war.
Die Mittagszeit “verjausneten” wir am Dorfplatz von Staben, wo die Vinschger Bahn in kurzem Takt vorbeifährt. Bis zum Schloss Juval stiegen wir diesmal nicht auf, denn wir wollten noch ins Schnalstal hinein, das wir auch schon im Herbstgold erlebt hatten. Die neu ausgebaute Straße mit ihren Tunnels und Galerien führt zum Vernagtspeicher und zum Schigebiet nahe der Bellavistahütte (von der hatte ich bei einer Ötztaler-Durchquerung 1963 die Weißkugel bestiegen). Zuerst besuchten wir das von einem schwindelnden Hangvorsprung herabblickende Katharinaberg, zu meiner Beruhigung sind die meisten Nebenstraßen perfekt ausgebaut und mit Leitschienen versehen! Kartaus ließen wir dann abseits liegen und suchten den uralten Pfad vom Marchegghof zum Kofler, wo wir 2004 ein uraltes Marterl und die Reste eines Waals gefunden hatten. Statt dem hl. Martin gibt es dort jetzt einen Klettergarten, aber die “Kändln” des Waales hängen noch immer in den Felsschlünden. Auf den Spuren vom Eismann “Ötzi” sind wir dort nicht gewandelt, denn der wurde im Nachbartal beim Tisner Joch (auf österreichischer Seite Hauslabjoch) gefunden. Auch dieser Fund hat heuer ein Jubiläum – 20 Jahre, mit einer phänomenalen Ausstellung im Bozner Archäologie-Museum. Dorthin fuhren wir am Samstag mit der Bahn, weil unter der Woche beim Bahnhof in Lana / Burgstall kaum ein Parkplatz zu bekommen ist! Am Wochenende gibt es da keine Probleme (wie auch die Autobahnen ohne Laster viel leichter zu bewältigen sind), und sogar beim “Fenstergucken” zur Eismumie gab es kein Anstellen (ein ganzes Zugangslabyrinth verrät den Ansturm an nicht so günstigen Tagen).
Das Wochenende brachte dann eine als ganz “grauslich” angekündigte Kaltfront – außer Wind und wenigen Tropfen, oberhalb 2000 m einigen Schneeflocken, hat dieser dritte herbstliche Wintereinbruch im Meraner Talkessel nichts gebracht. Die Front sauste durch, bewirkte im Appenin und bei Rom Hochwasser und Erdrutsche, hier am südlichen Alpenhauptkamm brachte der Nordföhn bereits wieder herrliches Wetter. Dieses nützten wir für eine Tour in Martelltal aus, eine mehrstündige Runde über die Zufritthütte und zum historischen Gletscherschutzdamm von 1893. Lärchengold, wie man es sich nicht vorstellen, aber zum Glück fotografieren kann, dahinter bereits tief winterlich der Cevedale und ein Dreitausender, den wir 2002 bei unserem Urlaub in Nauders von Sulden aus bestiegen haben.
Nach diesem Ausflug ins Hochalpine war es dann Zeit für die Lärchenwiesen von Jenesien. Die Aussichtskuppe von Langfenn ist das bevorzugte Ziel vor allem deutscher Gäste. Die Wege sind von Bretterzäunen umgeben, damit die Weiden nicht betreten werden, außerdem wird fleißig gegüllt (das hätten wir zuhause auch). Richtig romantisch wurde es erst in Kampidell, das wir auf schmalen asphaltierten Güterwegen erreichten. Auch hier ein übewältigendes Panorama vor allem in Richtung Schlern. Wir wurden von einem Ausflügler angesprochen, wo hier die Wiesen mit den vielen Pferden seien. Wohl in Hafling? Wahrscheinlich war aber das Dörfchen Flaas gemeint, denn dort begrüßte uns eine ganze Herde von blondmähnigen Haflingern.
Mitte der zweiten Woche fiel dann der “Museumstag” an – sobald der Nordföhn nachlässt, bilden sich Hochnebel über dem tiefen Tal. Aber es war trocken und so richtig passend für Sigmundskron mit dem MMM (Messner-Mountain-Museum), wieder ausgeprägte Parkplatzprobleme vor lauter Besucherandrang. Weil gerade ein Fernsehbeitrag über das Museum vom ZDF gedreht wurde, begegneten wir dem Gründer dieser vier großartigen Museen selbst – Reinhold Messner. Allein schon diese Leistung, ganz abgesehen von den sportlichen Extremen, hebt ihn weit über alle berühmten Zeitgenossen hinaus. Eine weitere außerordentliche Persönlichkeit lernten wir in Prissian kennen, das wir nach Einkehr im “Gasthaus zum guten Tropfen” in Eppan / St. Paul erreichten. Auf Schloss Katzenzungen stellte der Maler Ernst Müller aus Lana seine Bilder aus, packende Motive, nicht nur aus Südtirol, in ganz ungewöhnlichen Formaten, Stimmungen und Farbgebungen der letzten Werke.
Schon war der vorletzte Urlaubstag gekommen – mein Wunsch- und Traumziel durfte nicht länger warten, noch dazu bei diesem einmalig schönen Wetter. Auf der Gampenstraße ging es ein Stück hinauf zum malerischen Ort Tisens und über Prissian zum letzten Weiler dieses Bergwinkels, nach Grissian. Dort ragt eine Jakobskirche auf einem schmalen Felssporn – die Besonderheit sind romanische Fresken, wobei der unbekannte Künstler als Hintergrund die von Wolken umkränzten Berggipfel der Dolomiten gemalt hat, übrigens die älteste Darstellung dieser Traumberge. Tritt man dann ins Freie, erblickt man die Spitzen des Rosengartens, genauso wie sie der Maler vor mehr als 1000 Jahren vor sich gesehen hat, ein einmalig bewegender Moment, wie man ihn nur selten erleben kann…
Siebenmal in Meran gewesen und noch nie das Schloss Tirol besucht – diesmal aber war es soweit! Um dorthin zu kommen, gingen wir es ganz raffiniert an. Mit Öffis, aber nicht mit dem strapaziösen Autobus von Lana über Marling (mit der Burggräfler Kellerei!) nach Meran, sondern bequem mit dem Auto nach Burgstall zum Bahnhof. Mit dem Zug nach Meran und direkt vom dortigen Bahnhof per Bus nach Dorf Tirol (Fahrkosten hin und zurück pro Person mit Wertkarte ca. 3 Euro!). Dieser Tag hätte nicht schöner sein können, allerdings schon eine Temperaturstufe niedriger – anfangs der ersten Woche konnten wir noch spätsommerlich am Balkon zu Mittag essen! Nun kehrten wir nach der eindrucksvollen Besichtigung auf der Glasterrasse des Restaurants Sonnblick zwischen Schloss und Dorf ein, bei typischer südtiroler Herbstkost – mit Speck übergossene Kastaniennudeln, dazu ein milder Vernatsch (wahrscheinlich vom Küchelberg zwischen Dorf Tirol und Meran, wie wir beim Nachkosten zuhause jetzt feststellten) und ein köstlich mürber Apfelstrudel (die Apfelernte der mittleren Sorten war ja voll in Gang).
Als Abschlussbild das Schloss Katzenzungen in Prissian, wo links unterhalb der Brücke sich der angeblich größte Weinstock des Landes befindet (fast wie ein Fußballplatz auf den “Pergeln” gezogen). Dieser lange Bericht besteht eigentlich aus den “Albumblättern” unserer Urlaubsbilder (außer den Museumsansichten von Anni aufgenommen), die jedes ein eigenes Kapitel ergeben könnten und allmählich auch sein werden…
3 Reaktionen zu “Goldene Herbsttage in Südtirol”
Einfach super, jetzt habe ich quasi eine halbe Stunde in meiner Heimat “verbracht” !
DANKE !
HB
Wir können uns vorstellen, dass gerade Du unsere Urlaubseuphorie nachempfinden kannst! Wir haben schon geglaubt, dass volle Programm zwischen Tramin und Vinschgau erledigt zu haben, aber es bleibt immer noch genug für einen weiteren Lanaurlaub übrig!
LG Anni und Bernhard
Gut so !
Hauptsache gesund bleiben, was ich von Herzen wünsche !!
Daß ab und zu mal eine Schraube zu drehen oder eine Beilagscheibe zu erneuern ist, das gehört halt zum Leben…..
Derzeit schwelgt man allerortens in der vollen Farbenpracht des Herbstes, jeder Tag ein Juvel , nicht nur in Juval (mein Gott, bin ich mal wieder witzig ……….)
HB