Istrien: Bergfrühling in der Cicarija – Korita
6. Mai 2010 von Bernhard Baumgartner
Das höchste Bergmassiv in Istrien ist die Ucka (oder der “Utschka”), der Monte Maggiore der Italienisch sprechenden Istrier, mit einer Gipfelhöhe von 1401 m. Das nördlich davon bis gegen die slowenisch-kroatische Grenze weiterziehende und in Sichtweite der Buchten von Koper und Triest aufragende Berggebiet heißt Cicarija – gesprochen “Tschischaria”, was an den alten Namen aus der Monarchie erinnert – damals “Tschitschenboden” genannt.
Darüber berichtet sogar unser Kunsthistorischer Reiseführer: Die Cicarija ist ein karstiges Gebiet mit faszinierenden Landschaften aus unendlichen Wiesen und Wäldern. Aus diesen Wäldern bezog Venedig das für die Herstellung von Rudern benötigte Holz. Auch heute noch gehört die Holzwirtschaft zu den wichtigsten Einnahmequellen der Bevölkerung. Die Bewohner der Cicarija (Cici = “Tschitschi”) waren auch für ihre Produktion leichter Holzkohle bekannt, die in ganz Istrien, Rijeka und Triest verkauft wurde. Viehzucht nahm in der lokalen Wirtschaft die zweite Stelle ein. Über den Winter verließen die Hirten ihre Weiden und stiegen zur Küste hinab. Wo sie überwinterten, ist die Erinnerung an diese Wanderhirten und ihre Herden lebendig, die deutliche Spuren in Traditionen und Gebräuchen des istrischen Küstenlandes hinterlassen haben.
Unser Wanderziel liegt im Naturpark Ucka
Als Ausgangspunkt für die Tour über die Alm Korita und auf den Planik (diesen 1272 m hohen Gipfel bestiegen wir im Oktober 2008) ist das winzige Dörfchen Brgudac (ital. Bergozza). Von der Schnellstraße bei Lupoglav abzweigend (Richtung Buzet) führen verschlungene Bergstraßen (Richtung Lanisce) hinauf in die Bergwelt des “Weißen Istrien” – in einem freundlichen Hochtal liegt das förmlich am Hang klebende Dorf Semic, darüber erheben sich schon wie auch talwärts helle Kalkfelsmauern. Immer wieder treten zwischen diesen klüftigen Schichten wasserstauende und leicht verwitternde Mergelschichten auf (ähnlich dem Flysch im Wienerwald). Den daraus entspringenden Quellen – die mächtigste Karstquelle ist die nach Kaiser Josef II. (!) benannte an der Südrampe der Ucka-Pass-Straße – bilden die Lebensgrundlage für die verstreuten Bergdörfer und ebenso für die Alm Korita.
Aufstieg auf dem alten Korita-Almweg
Von der Forststraße an der Grenze des Naturparks (Infotafel am Ortsende nahe einem Partisanendenkmal) zweigt bald ein mit Steinstufen ausgelegter uralter Weg steil in den aus Hopfenbuchen und Eichen (Flaum- und Zerreichen) gebildeten Bergwald hinauf. Die Frühlingsflora ist – entgegen unseren Hoffnungen – sehr spärlich (einige Leberblümchen, an wenigen Stellen Buschwindröschen und Erdprimeln, etwas häufiger die Echte Arzneiprimel, hie und da ein Täschelkraut). Als Besonderheit gibt es an einer Stelle des Aufstieges die Gelbe Osterluzei, wesentlich öfters eine gerade blühende Nieswurz (ohne Blattaustrieb, ähnlich unserer Grünen Nieswurz, die aber auf ehem. jugoslawischen Gebiet nicht vorkommen soll – wir tippen auf die Kreisblättrige Nieswurz / Helleborus cyclophyllus). Weiter oben kommen zahlreich Schwarzföhren und Wacholder dazu. Dann wird der Weg schon flacher, der Ausblick an der Ucka vorbei und über das istrische Binnenland bis zum Meer öffnet sich, und schon sind wir im Almgebiet der Korita.
Die Quelltröge der Korita und auf den Brajkovfelsen
Die Eigenheit der Korita ist das beiderseits von einem hohen Kalkfelsen (Brajkove stijene) in eigenartig erodierten Rinnen auftretende Flyschgestein. Am Fuß des Felsens entspringt die angeblich wundertätige Korita-Quelle, die in einer Reihe von Holztrögen zur Viehtränke aufgefangen wird und unterhalb sogar einen kleinen Teich speist. Bei unserer Herbsttour zum Planik hatten wir es eiliger, aber diesmal müssen wir hinauf auf den darüber aufragenden Felszacken! An der linken Seite geht es auf einem nicht schwierigen, aber teilweise rutschigen und abschüssigen Steig mit Handhilfe hinauf – Anni greift dabei fast in eine sich sonnende kleine Kreuzotter! Der Gipfel ist der Eckpunkt des nordwärts verlaufenden Brajkov vrh (Brajkovberg, 1091 m hoch). Wir folgen ein kleines Stück dem rot markierten Weitwanderweg (wäre interessant, die beschilderte Route zum Orlik (Adlerberg) zu verfolgen), bald aber weist der besser begehbare Normalweg an der Ostseite hinunter ins sanftere Gelände. Nach dem Steig zwischen Felsstufen folgt ein Föhrenwald mit Schneeglöckchen (!), unterhalb stoßen wir auf die zweite Flyschrinne mit blühendem Huflattich – auch keine Sensation, aber dafür gibt es im sandigen Mergel, der wie Dünen wirkt, kleine Eisenkonkretionen!
Ein schwerer Fehler am Abstiegsweg
Von den Holztrögen führt ein älterer Forstweg weiter, biegt unter der zweiten Flyschrinne nach rechts – dort wäre rechts abzweigend der deutliche schöne Abstiegsweg verlaufen! Leider machen wir den größeren Bogen, vorbei an der nahe links gelegenen Korita-Schutzhütte (nur im Sommer zum Wochenende angeblich bewirtschaftet), dann an der ebenfalls links wegführenden Route zum Planik vorbei, weiter immer wieder etwas ansteigend um die riesige, von Blockmassiven und Wald umgebene Wiesendoline des “Laniscak” herum…. jedenfalls war die steinige Forststraße die blödeste Abstiegsroute, die ich mir ausdenken konnte! Leider haben wir den direkteren Waldweg verschmäht und dafür gebüßt. Insgesamt ca. 3 Stunden unterwegs.
Brgudac und die Bergheide Ravna
Trotzdem kommen wir gut beim Auto in Brgudac an und gehen noch zu der vom Friedhof umgebenen Dorfkirche hinauf. Überraschend aufwändig gestaltete Gräber bis in die letzten Jahre, die Kirche außen saniert, innen ziemlich ausgeräumt – zum Bedenken ein Grabstein mit Bildern (der Vater vor dem Krieg verstorben, die fünf Frauen der Familie von der Mutter bis zum jüngsten Mädchen mit dem Todesjahr 1944…).
Für eine Rast finden wir vom urigen Dorf, das im Kreis durchfahren wird, an der Zufahrtsstraße weiter weg einen schönen Rastplatz, wo ein Heideboden – in der Ucka-Naturpark-Spezialkarte mit “Ravna” bezeichnet – einen weiten Sattel bildet. Die mitgeführten Liegen erweisen sich jetzt als nützlich, üppige Mittagsjause angesichts des weitläufigen Berghanges, umgeben von Wiesenflächen mit Wacholder und zahlreichen Küchenschellen in allen Blühstadien – Pulsatilla montana (wie wir sie auch aus dem Vinschgau kennen), auch vereinzelt Lungenkraut.
Orchideenblüten bei Boljun und wieder kein Halt im Bergdorf Paz
Zurück bei der Hauptstraße in Lupoglav suchen wir uns etwas mühsam nach der Spezialkarte die Abzweigung auf verschlungene Nebenstraßen, die einen prachtvollen Höhenrücken mit Blick auf die Ucka entlang führen. Am Straßenrand und in den Baumheiden in Massen die Spinnenragwurz, Kleines Knabenkraut ohnehin schon zum Übersehen, dafür Purpurknabenkraut, das weiter unten schon aufblüht. Ziel ist die Burgstadt Boljun – diesmal durchfahren, weil wir seinerzeit im Oktober schon jeden Winkel abfotografiert haben. Im weiten Tal angesichts der Ucka-Nordseite, wo wir im Mai 2008 prachtvolle Orchideen- und Gladiolenwiesen gefunden haben (an einer verlegten Straßenabzweigung noch vor dem Talgrund rechts), zweigen wir Richtung Paz ab. Dieser malerische Ort auf der Berghöhe wäre eine Erkundung wert – Kirche, Burgreste u.a., alles schön zum Anschauen und im Kunstführer hervorgehoben!
Unsere Kapazität ist aber schon erschöpft, wir wollen auch noch zum üppigen Abendbuffet im Hotel zurecht kommen, und es ist bereits nach 18 Uhr… Bei Cerovlje kommen wir auf die Schnellstraße und brausen zurück nach Porec – im Gegensatz zum Oktober noch bei hochstehender Sonne, während wir im Herbst die schönsten Sonnenuntergänge während der Rückfahrt erlebten. Insgesamt 178 Tageskilometer (auf der Schnellstraße, die bis vor Pazin gerade vierspurig ausgebaut wird, rasselt der Kilometerzähler).
1 Reaktion zu “Istrien: Bergfrühling in der Cicarija – Korita”
wie immer hochinteressant, kaum zum ” satt- lesen ”
HB