Tourenbuch Dalmatien VI: Pag – die grüne Seite
6. August 2017 von Bernhard Baumgartner
P A G Auf einer Länge von 60 km und 2 bis 10 km breit ist die mehrfach durch langgestreckte Buchten gegliederte Insel Pag dem Küstengebirge Norddalmatiens vorgelagert, getrennt durch den Velebit-Kanal. Dem Velebit weist Pag seine von Stürmen der Bora kahlgefegte Nordostseite zu, während gegen das offene Meer mit seinen vorgelagerten Inseln eine zwar auch vielfach verkarstete, aber doch “grünere” Landschaft vorherrscht.
Neben der durch ihre Salinen bedeutende Stadt Pag, geographisch und historischer Mittelpunkt der Insel, ist das weiter nördlich gelegene Novalja das touristische Zentrum. Dorthin fuhren wir 2015 von Seline über Karlobag bis zur Fähre ca. 10 km danach bei Gradina, um die Insel von Norden her zu erkunden. Heuer wollten wir wieder von Süden her die Insel befahren und vor allem einige kleine, wenig bekannte Küstenorte an der “lieblicheren Seite” von Pag besuchen.
Freitag, 12. Mai 2017
Südwind bringt zwar dunstige und diesige Bewölkung, aber dabei ist es immerhin warm und trocken. Bei Posedarje (Richtung Zadar) zweigt die Hauptstraße nach Pag ab, als meist benützte Zufahrt von der Autobahn her gut ausgebaut und auf einem Höhenrücken verlaufend, jenseits des Velebit-Kanals ragen die kahlen Berg über den Paklenica-Schluchten auf. Auch entlang der Pagser Straße wird die Landschaft immer mehr verkarstet, bis an der Ljubacka vrata nur Felsen überwiegen. Der trennende Meereskanal wird von einer bei starkem Sturm gesperrten Brücke übersetzt, und unten auf den Klippen erinnert eine Festungsruine an diesen in Kriegszeiten strategischen Punkt. Dann führt die wie eine Bergstraße am Hang der nächsten Bucht verlaufende Strecke bald wieder in eine freundlichere Landschaft. Die kanalartige Bucht setzt sich nämlich über eine verlandete Zone in den Meeresarm bzw. die Salinen von Pag fort, vorwiegend grün und beiderseits begleitet von steinigen Anhöhen.
Die Abzweigung der Seitenstraße zur Südwestküste der Insel kann leicht übersehen werden, und wenn bereits die Salzbecken vor Pag auftauchen, ist es schon zu spät. Überhaupt empfiehlt es sich auf Pag, abseits der Hauptstrecke wegen des verwirrend gegliederten Geländes von Buchten, langgestreckten Meereskanälen und Halbinseln immer gut auf die Beschilderungen zu achten und im Auge zu behalten, wo man sich momentan überhaupt auf der Straßenkarte befindet… auf dieser Fahr gleich mehrmals erlebt!
An der Überbrückung des hier schon vielfach sumpfigen Geländes in der Längstalmulde steht sogar ein steinernes Denkmal mit Kreuz, den daneben sitzenden Vogel können wir leider nicht bestimmen. Nach kurzem Aufenthalt für die Fotos biegen wir am jenseitigen Talrand links ab, und nach Aussicht zum Binnensee Veliko Blato kommt (von eher spärlich bewirtschaftetem Kulturland begrenzt) das erste von uns angepeilte Dorf in Sicht – VLASICI. Nach dem Reiseführer liegen hier die saftigsten und grünsten Wiesen von Pag!
Der Ort zieht sich am Hang hinauf, neben der relativ stattlichen Kirche, wo sogar Ausgrabungen stattfinden, gibt es um einen kleinen Platz gedrängte Häuser, hinter schmalen Gassen geht es bald wieder hinaus ins teilweise ruderale, aber auch als Gärten kultivierte Gelände. Auf jeden Fall wollen wir das Auto hier stehenlassen und ein ordentliches Stück marschieren. Überraschend stellt sich Begleitung ein – der freundlich wedelnde Köter lässt sich nicht verscheuchen und folgt uns unablässig. Daneben läuft er auch in Häusgärten hinein oder sogar Balkonstiegen hinauf, ist sicher ortsbekannt und oftmals verscheucht worden, unten am Strand nimmt er ein Bad, zuletzt friss er sogar noch unsere vom Vortag übrig gebliebene Jause – aber erst nachdem er seine Kumpane beschnuppert hat. Zum Bellen hat jetzt keiner der Buschen mehr Zeit…
Auf der oberen Ortsstraße geht es meerwärts hinaus, vorbei an unterschiedlich erhaltenen Häusern, vom mühsam renovierten Altbau bis zu fast pompösen Landhäusern und Ruinen von im Krieg vor einigen Jahren beschädigten oder auf der Flucht verlassenen Gebäuden. Manche Gärten sind intensiv bebaut, neben Blumen vor allem auch Lebensnotwendiges wie Gemüse, Naturblüten auch an den Steinmauern…
Wir haben den richtigen Fahrweg erwischt, denn er führt uns geradewegs zum Strand hinab, zu einer Mole mit Sport- und Fischerbooten, bei einem werden gerade die Reusen zum Fang von Scampi oder Tintenfischen vorbereitet, wenn ich den stolz in seinem Boot stehenden freundlichen Herrn richtig verstanden habe.
Im Hintergrund des letzten Bildes erkennt man schon, was sogar der Reiseführer anmerkt – ein Feinkiesstrand und darüber die Konoba-Bar (alles noch in Ruhezustand der Vorsaison). Was unser Entzücken weckt, ist aber der Hang oberhalb des Strandes! Da kommen Ton-, Geröll- und Erdschichten zum Vorschein, wie sie typisch in den Mulden zwischen den verkarsteten Höhenrücken abgelagert sind. Sie vermögen das Wasser der winterlichen Niederschläge aufzusaugen, noch verstärkt von Quellen an der Unterseite der Kalkmassen, und darauf erstrecken sich nicht nur die Kulturflächen mit Wein oder Gemüse, sondern bei großer Feuchtigkeit auch seltene Orchideenwiesen.
Nach dem wunderhübschen Strandspaziergang steigen wir beim Lokal, das sich in der Sommersaison sicher als beliebtes Gasthaus mit Gästezimmern präsentieren wird, hinauf zur Seitenstraße bei den üppig grünen Talwiesen und spazieren zurück in die Ortschaft zu unserem Auto.
Auf der Straße zurückfahrend, geht es an einem großen, aber desolaten Erholungsheim und einigen Sportanlagen vorbei, danach haben wir die Karte zu wenig beachtet oder eine Richtungstafel übersehen. So entgeht uns die kleine Bucht von Smokvica, vielleicht gerade diese recht idyllisch, aber nahe dem Veliko Blato vorbei stoßen wir dafür auf eine riesige Herde von Schafen.
So landen wir wieder an der Kreuzung nach der anfänglichen Talquerung und nehmen die besser ausgebaute Straße über die Anhöhen hinweg, dabei ganz nah am See vorbei, bis zur nächsten gar nicht so kleinen Ortschaft POVLJANA. Hier kämen wir rechts zum Kap Dubrovnik mit einer neu gebauten üppig aufstrebenden Feriensiedlung (solche Investoren könnten kleine Orte wie Vlasici brauchen, verlören aber dadurch wohl ihre spezielle Anziehungskraft). Wahrscheinlich haben uns Wegweiser durch das Ortsgebiet geführt, auf welchen eine uralte Kirche angekündigt wird. Oder wir haben selber mit Glück die richtige Spur gefunden, jedenfalls stehen wir bald an einem wiesigen Strand mit sommerlich betriebenen Anlagen, daneben aber ein wahrlich historisches Bauwerk!
Der von feuchten Wiesen mit vielen Orchideen (Orchis laxiflora) gesäumte Strand wäre sicherlich ein schöner Badeplatz. Am nächsten Hügel stehen die Ruinen etwa von Hotelanlagen aus der Zeit vor dem letzten Jugoslawienkrieg.
Inzwischen naht schon die Mittagszeit, für ein Bad ist es noch zu kühl, und den Appetit wollen wir uns für ein Restaurant in Pag aufheben. Also geht es flott weiter, von der Zufahrtsstraße Pofljanas abzweigend am Kleinen Binnensee (Malo Blato) vorbei. Dann nehmen wir aber nicht den Seitenweg am Bergrand (obwohl in der Straßenkarte eingetragen, aber im Gelände nur eine wenig Vertrauen weckende Fahrspur), sondern fahren zur Hauptstraße und an Pag vorbei den Berg hinauf zu einem der schönsten Aussichtspunkte des Gebietes.
Von der vorzüglich ausgebauten Hauptstraße Richtung Kolan und Novalja geht es aber bald seitwärts bergab nach KOSLJUN, eine öde geradlinige Strecke durch Ödland und Macchie bis zu dem an einer großen gleichnamigen Bucht gelegenen Ort. Dieser soll einst sogar eine Schiffstation des Österreichischen Lloyd gewesen sein, und aus solch alter Zeit stammt auch der Wald aus Aleppo-Kiefern. Aber wie die einst wehrhafte Burgen, Schlösser und Villen allmählich zu Ruinen werden, scheint es auch diesem Kiefernwald zu gehen. Auf dem weitläufigen freien Platz am Strand parken wir mit dem einzigen Auto, aber die Bauten lassen auf einen sonst belebten und bevorzugten Platz von Touristen oder besser Freizeitsitzern schließen. Für uns bliebt Pofljana in Erinnerung durch den flotten Wind, der das Meer aufgischten lässt und durch einen kleinen Spaziergang am Ufer entlang.
In der Ferne sieht man die Insel Vir, eines unserer nächsten Ziele, im Sommer würden wir uns wohl trotz des steinigen Strandes einen Platz zum Baden suchen, so aber streben wir – mit Umweg – unserem Tagesziel Pag zu. Zuerst nochmals die Gerade durch die karstigen Hänge hinauf zur Hauptstraße, dann diese durch eine aussichtsreiche Gegend mit viel blühendem Salbei (sonst kaum gesehen) entlang. In den Hafenort Simuni fahren wir nur ein kleines Stück hinein, nichts als Neubauten und Bootsanlagen. Zum Glück erwischen wir eine kleine Seitenstraße am Meer entlang und finden die Abzweigung zum nächsten Küstenort MANDRE.
Auch diese Ortschaft ist vollflächig mit Neubauten überzogen und offensichtlich sehr beliebt, hat aber eine kleine Strandpromenade neben dem Fischerhafen, was Mandre ein recht malerisches Flair verleiht.
Interessant wäre noch der Ort Kolan als Käsereizentrum des Paski Sir, aber nun geht es endgültig zielstrebig nach Pag, wieder die Bergstraße hinauf zum Aussichtspunkt über der Bucht von Pag, dann hinab zur Stadt zum Parkplatz neben dem Salinen-Museum. Über die hohe Steinbrücke spaziert man von dort durch die Vela Ulica (rechts auf der Promenade kämen wir zum empfehlenswerten Restaurant Natale – leider Ruhetag). Auf dem Platz mit der Basilika (ab 1483 in zwanzigjähriger Bauzeit errichtet, daneben der nie vollendete Turm von 1562) und dem Museum, zuerst an der Käsehandlung vorbei, geht es durch die Kraja Zwonimira mit dem Fürstenplatz zur Hafenmole. An das alte Benediktinerkloster schließen sich hier Richtung Ausgangspunkt eine ganze Galerie von Restaurant an, in einem davon essen wir Traditionelles, sehr gastfreundlich betreut.
Die Rückfahrt nach Seline verläuft auf den gut ausgebauten Straßen und beim geringen Verkehr der Vorsaison recht zügig, aber immerhin sind 188 km zusammengekommen, ein voll ausgefüllter Tag auf der bekannten Insel Pag mit einigem (für uns) Neuentdecktem!