Tourenbuch Dalmatien III: Rund um das Velebitgebirge
25. Juli 2017 von Bernhard Baumgartner
Im Spätsommer 2014 und 2015 konnten wir von Seline / Starigrad aus den südlichen Velebit, bekannt durch die Schluchten und den Nationalpark Paklenica, kennenlernen und erwandern. Nach Pause im folgenden Jahr (durch die Reisen nach Malta) bereiteten wir uns heuer besonders auf das gesamte Gebiet Nord-Dalmatiens vor. Einschließlich des uns noch unbekannten Nationalparks SJEVERNI VELEBIT (Nördlicher Velebit).
Im Internet gibt es dazu eine Menge deutschsprachige Information mit zahlreichen Bildern und einer genauen Karte:
Nationalpark Nördlicher Velebit
Alles ausgedruckt auf die Reise im Mai nach Seline mitgenommen und gleich an den ersten Tagen beim Nationalpark-Zentrum in Starigrad die Spezialkarte besorgt! Beim Nachschlagen wegen der Flora war mir aber schon aufgefallen, die empfehlenswerteste Zeit für Blumenexkursionen auf die bis 1600 / 1700 m aufsteigenden Berge soll eher der Hochsommer sein… Bei der Anfahrt über die Autobahn sahen wir nur einiges Blühendes an den Böschungen. Auf einem Parkplatz irgendwo nahe Gospic blühte in ca. 600 m Seehöhe an einer im Ruderalen übriggebliebenen Rasenstelle das Salep-Knabenkraut / Orchis morio… Außerdem schauten von den Gipfeln Schneefelder herab, etwa auf nur 1500 m trotz der bereits beachtlichen Südlage vom Winter noch erhalten. Wiesen und die vorherrschenden Laubwälder prangten zwar in üppigstem Grün, bergwärts waren die (vermutlichen) Rotbuchen noch nicht einmal belaubt!
Mittwoch, 10. Mai 2017
Durch den auf Südwest drehenden Wind war die nachtsüber noch heftige Bora etwas abgeflaut, und übrig blieb auf den Bergen eine frische Brise aus Nordwest bei 15 Grad, während es an der Küste und im Sonnenschein schon wärmer wurde. Wenn wir für eine Gipfelbesteigung im Nordvelebit zu früh dran wären, wollten wir dennoch in größere Höhe hinauf, und dazu bot sich der ca. 930 m hohe Pass Ostarijska Vrata für eine Rundfahrt an: Seline – Karlobag – Stara Vrata (Alte Pforte der Ostarijska, wobei ich nicht weiß ob dieser alte Name irgendwie mit Österreich zusammenhängt – das Gebiet gehörte im 17. Jh. in den Kriegen gegen die Türken bereits zum Habsburgerreich) – Gospic – Paklenicatunnel – Seline, insgesamt 168 km.
Karlobag liegt gegenüber einem Seitenteil der Insel Pag, von Seline erreicht mittels ca. 45 km Fahrt auf der vielfach äußerst romantisch zwischen Felsen und Steilbuchten verlaufenden Küstenstraße. Diese einstige Hauptverkehrsroute (Jadranska magistrala) ist durch den Autobahnbau im Landesinneren wesentlich entschärft worden und kann jetzt wohl eher als eine attraktive Ausflugsstraße gelten und nicht mehr als gefürchtete, besser zu meidende Lasterroute. Von der barocken Kirche steht nur mehr ein Mauerrest, nachdem dieser Küstenabschnitt wegen der wichtigen Verbindung ins Landesinnere im 2. Weltkrieg schon stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Der Hafen wirkt mäßig malerisch, bezaubert vor allem durch den Blick auf die “Mondlandschaft” der nahen Karstwüste der Insel Pag.
Wie schon bei einer früheren Fahrt (10 km von Karlobag weiter führt eine Fähre nach Novalja auf Pag) wird hier getankt, um während der Passfahrt bis Gospic nicht in Treibstoff-Verlegenheit zu kommen. Ein paar Schritte noch auf der Hafenmole, dann geht es ohne weiteren Aufenthalt (dieser wäre sicher auch lohnend!) an die Bergfahrt!
In anfangs engen Kehren, dann mit einer weiten Schleife, gewinnt die vorzüglich ausgebaute Straße rasch an Höhe, und der Ausblick wird immer traumhafter!
Tiefblick auf Karlobag und weithin über die dalmatinischen Küstengewässer.
Für uns ist es nicht wichtig, möglichst schnell über den Berg hinweg zu kommen, vielmehr wollen wir in geeigneter Höhe noch eine Blumenexkursion unternehmen. Dazu bietet sich die Abzweigung zu den Dörfern Ledenik und Kucista an, wo sich zwischen den steilen Küstenhängen und den eher sanften Gipfelrücken ein bewaldetes Hochtal einlagert. Abgesehen von der nahen Passstraße völlig abgeschieden, ein einsamer Wohnort für die verstreut siedelnden Einwohner, die sich wohl nur mit Schaf- oder Ziegenzucht ernähren können. Trotzdem gibt es Stromleitungen und eine Asphaltstraße, immerhin eine Grundstruktur, auch wenn sie noch so einfach ist…
Wo sich die Straße in ein Hochtal wendet und der Meerblick verschwindet, zweigen wir auf der Zufahrt nach Ledenik und Kucista ab, immer noch auf Asphalt an einem Steinbruch vorbei, bis zur Gabelung Richtung Krasno. Dieses touristische Zentrum im Nördlichen Velebit ist 58 km entfernt, aber nur über Schotterstraßen zu erreichen. Also bleiben wir besser hier stehen und wenden uns in die meerseitig gelegene Hochmulde hinein – voll Erwartung, was da alles blühen könnte! Und wir werden nicht enttäuscht….
Am Nordrand der Mulde entlang wandernd, erreichten wir einen Sattel, wo sich ein ganz wunderbarer Ausblick öffnete. Dann steuerten wir die Mitte der Senke an und stießen ganz überraschend auf einen kleinen Weiher! Trotz des ringsum stark verkarsteten Kalkgesteins, gibt es auch im Velebit immer wieder andere, vor allem wasserhaltende Schichten. Dort finden sich Quellen und halbwegs fruchtbarer Boden als Voraussetzung für die spärlichen und sehr verstreuten Ansiedlung. Für uns war die nächste Überraschung zwei Orchideenarten!
Inzwischen war es Mittag geworden, Zeit für die Weiterfahrt! Also zurück zur Hauptstraße, die uns in vielfachen Windungen hinauf zu einer almartigen Mulde führte. Vereinzelt einige Häuser, eher Hütten neben den erst schwach begrünten Weideböden. Neben den sonst vorherrschenden Laubbäumen, mediterran-illyrischen Arten (etwa Mannaeschen und Hopfenbuchen) sowie landeinwärts mehr verbreitete Rotbuchen, gab es hier auch Föhrenbestände, teilweise vermutlich aufgeforstet. Zum Herumstreifen reichte wohl die Zeit nicht, und außerdem ging es schon in weiten Schleifen auf die Passhöhe zu. Zuletzt durchbricht ein kurzer Tunnel den Sattel, zur Seite noch erkennbar die älteren Straßentrassen, deren Bedeutung durch ein ungewöhnliches Denkmal unterstrichen wird – der Vidicovac Kubus.
Die schon unter den Habsburgern im 17. Jahrhundert auf frühgeschichtlichen und antiken Spuren angelegte Straße wurde Mitte des 19. Jahrhundert auf leichter bezwingbarer Trasse erneuert, der letzte Ausbau erfolgte 1968, dem Zustand der Fahrbahn nach zu schließen hat man auch in letzter Zeit sich um weitere Verbesserungen bemüht. Für sportliche Fahrer ist diese Strecke von Karlobag nach Gospic (oder umgekehrt) ein wahres Eldorado, für Kurvenfanatiker selbstverständlich! Für uns war sie die beste Möglichkeit, rasch in die Hochregion zu kommen – leider mit nur mäßigem Erfolg hinsichtlich der Botanik. Denn jenseits des Passes blühten neben dem historischen Brunnen noch die Dotterblumen…
Ein auffallend zeltartiges mehrstöckiges Hotel verweist auf den Tourismusbetrieb, der hier sogar im Winter stattfinden soll. Zu dieser frühen Jahreszeit (Mitte Mai) herrscht sozusagen “tote Hose”, vor der Kirche parken wir als einziges Auto. Friedhof und Kriegerdenkmal daneben erinnern an üble Zeiten, eine Art Festplatz weist hingegen auf starken Besuch an Gedenktagen oder bei kirchlichen Feiern hin. Der relativ neue Kirchenbau entstand erst vor 1950, als eine weitgespannte Vereinigung von kroatischen Förderern die im 2. Weltkrieg (um 1943) zerstörte Wallfahrtskapelle wieder aufbauen ließ, übrigens in modernen, zugleich bodenständigen Formen.
Historisch ist der während der Bauzeit der “altösterreichischen” Straße errichtete Brunnen, aus einer Sumpfmulde entspringend, der übrigens wegen seines “Fruchtbarkeitswassers” geschätzt wird.
Sonst ist hier, von Almwirtschaft und einigen Ferienhäusern abgesehen, nicht viel los. Die Landschaft entspricht etwa den höheren Voralpen Österreichs – mit Wiesen bedeckte Mulden und sanftere Hänge wechseln mit felsigen Abschnitten, die eine interessantere Szenerie bewirken. Für Wanderer gibt es hier sicher ein vielfältiges Gelände, wenn auch weniger einzelne Gipfel anlocken, sondern ein Weitwanderweg über die Berghöhen des Velebit, der beworben und markiert ist. Man steht oder geht auf diesen Berghöhen immer “zwischen Meer und Land”, dem entsprechend packend sind auch die Ausblicke!
Nach Süden kommt man in das Gebiet der Paklenicaschluchten (diese sind bekannter als die Gipfel). Nordwärts folgt nach wechselhaft geformten Höhen der Nationalpark Sjeverni Velebit mit dem Symbol einer Bärenpfote, also sicher recht urtümlich wie der gesamte Gebirgszug. Höhepunkte sind dort die Höhenstandorte und Berghütten Alan und Zavizan (mit einer berühmten Wetterwarte). Wie in den NP-Informationen richtig angemerkt, lohnt sich die Begehung eher im Hochsommer, denn früher ist die Vegetation noch recht zaghaft entwickelt, am Pass haben wir etwa Kreuzblumen, Täschelkraut und Felsenbirnen blühend gefunden.
Aus der Baske Ostarije genannten Streusiedlung der Passmulde verläuft die Talfahrt bald über steile, von Dolomit und dichten Laubwäldern geprägte Steilhänge hoch über einem scharf eingeschnittenen Tal etwa 10 km hinab zur Hochebene des Landesinneren. Unvermittelt wird die Gegend flach und wieder besiedelt, allmählich kommen wir hinein in die weit ausgebreitete Stadt Gospic. Der Eindruck ist eher dürftig, sicher auch durch die Lage nahe der Frontlinie des “Jugoslawienkrieges” der 1990er Jahre. Zum Glück bemerken wir im Vorbeifahren eine schmucke Pizzeria, denn wir sind schon ausgedörrt und hungrig! Auf der Terrasse des einladenden Lokals werden wir bestens versorgt und genießen das schöne Wetter, luftiger Wind und hübsch am blauen Himmel dahinziehende Wolken.
Die Orientierung ist hier einfach – vor der Baugruppe mit der Kirche biegt die Hauptstraße rechts ab, und dieser wollen wir auch noch ein Stück folgen, erst später zur Autobahn auffahren. Dabei fährt man über eine weitläufige Hochebene im Landesinneren zwischen dem Küstengebirge des Velebit und den Bergen an der Bosnischen Grenze. Mit Waldstreifen durchsetzte Wiesenflächen, kleine Äcker und Gärten dazwischen, ein nur wenig eingesenkter Flusslauf. Dieses Karstgewässer heißt Lika und hat nur einen “unterirdischen” Abfluss zum Meer. Ähnliche Verhältnisse gibt es nördlich davon bei der Stadt Otocac, wo das Wasser sogar zu einem Kraftwerk bei Senj zur Küste geleitet wird, oder etwa beim südlich gelegenen Gracac mit dem Druckstollen an der Zrmanja. Zur Orientierung – von Otocac bzw. Gospic weiter gegen Nordosten kommt man in den Nationalpark Plitvicka Jezera.
Einmal nähert sich die Straße einem Flussbogen der Lika, leider versäumen wir diese malerische Stelle, wohl weil es schon später Nachmittag wird… Rechtzeitig bemerken wir noch seitwärts eine steilen, nicht zu hohen Bergkegel, den wir leicht erklimmen können. Der vorletzte Höhepunkt dieses herrlichen Tages – herunten eine üppige Orchideenwiese, vom felsigen Trockenrasen des kleinen Gipfels eine umfassende Aussicht über diese schlichte, aber recht anmutende Landschaft östlich des Velebitgebirges.
Durch einsames Gebiet mit Wäldern, verstreuten Weiden und abgelegenen kleinen Ortschaften langen wir bei Sveti Rok an. Dort sollte eigentlich eine Bergkirche zu besuchen sein, aber dafür ist es zu spät. Wir fahren auf die Autobahn, und auf dieser geht es zügig über das Gebirge hinweg zur Küste – ein fast schon abendlicher Prachtblick über den Velebit-Kanal und das Novogradsker Binnenmeer. In dieses mündet der Fluss Zrmanja, der unser nächstes Ziel sein wird….