Schloss Bitov und Frainer Stausee
13. Juli 2019 von Bernhard Baumgartner
GRENZSCHRITTE VOM WALDVIERTEL-NORDOST
Donnerstag, 4. Juli: Nachmittagsausflug im Anschluss an die Radfahrt von Dobersberg nach Slavonice / Zlabings
Von meinem dritten Waldviertel-Führer an habe ich auch immer wieder versucht, das “Land jenseits der Grenze” einzubeziehen. Zuerst war es das Gebiet um Gratzen / Nove Hrady, dann im Anschluss an die länderübergreifende Landesausstellung 2008 auch das “Böhmische Kanada” bei Slavonice / Zlabings und Teltsch, ebenso zuletzt der gesamte Nationalpark Thayatal / Podijy zwischen Vranov / Frain und Znaim. Eigentlich gehören diese Gegenden jenseits der Grenze im Nordosten Niederösterreichs nach einer neueren tschechischen Gebietsordung zu Mähren, bis 1918 und von 1938 bis 1945 bestand hier das Land der Südmährer, überwiegend deutsch-(altösterreichisch)-sprachig. Erst mit dem Aufbau des Eisernen Vorhangs in den späten 1940er Jahren, nachdem die “Volksdeutschen” schon am Kriegsende vertrieben worden waren, entstand nicht nur der Todesstreifen entlang der Grenze, sondern auch das tiefer ins tschechische Binnenland reichende Sperrgebiet. Die dort gelegenen Dörfer – alle mit altösterreichischen Namen (sogar in der offiziellen Österr. Karte noch enthalten) – wurden systematisch entsiedelt und großteils zerstört. Erst mit dem Ende des kommunistischen Regimes 1989 und schließlich durch die Vereinigung in der EU kam es wieder zu einigermaßen normalen nachbarschaftlichen Beziehungen.
Das Schloss Vranov / Frain hatten wir schon anlässlich einer Tour besichtigt – äußerst eindrucksvoll, wie meine Diaaufnahmen von damals festgehalten haben. Von Frain flussaufwärts hat sich durch den Bau des Schwellkraftwerkes die Thaya in einen endlos langen Fjord verwandelt, der ziemlich den gesamten tschechischen Thayabogen zwischen den (entfernteren Orten) Drosendorf und Hardegg einnimmt. Im Gegensatz zu den eintönigen Feldlandschaften der Hochfläche ist dieser vielfach gewundene Tallauf mit seinen Schlingen und Umlaufbergen eine landschaftliche Besonderheit erster Güte, ähnlich wie im Nationalpark. Obwohl die Ufer infolge der restriktiven Reisepolitik der Kommunisten als Ausweichziel für die tschechischen Urlauber im eigenen Land dienten und daher stellenweise unglaublich “verhüttelt” wurden, ergeben sich hier lohnende Wanderrouten, vorbei an den Wahrzeichen alter Burgruinen und Schlösser. Mich wundert selbst, dass wir dort noch nie unterwegs waren, und beim aktuellen Aufenthalt in Drosendorf bot sich endlich die beste Gelegenheit dazu!
Nach der Radtour am Vormittag des 4. Juli fuhren wir von Dobersberg gleich auf folgender Route zu unserem Ziel, dem Ort und Schloss Bitov / Vöttau: Dobersberg – Karlstein – Weikertschlag an der Thaya – Schaditz (die Strecke über Fratres war durch die Baustelle bei Drosendorf-Altstadt zu vermeiden) – Hluboka – Mesovice – Uhercice (dort gibt es auch ein beachtenswertes Schloss, das in den letzten Jahren renoviert worden sein sollte) – Vysocany. Damit sind wir am Ende der Feldgegenden und fahren in die Wälder am nördlichsten Thayabogen mit dem tief und steil eingeschnittenen Tal. Die Straße windet sich eine Anhöhe hinauf, führt rechts hinab zur Thaya, über eine Brücke und wieder über dem Ufer hoch zu einer Kreuzung. Hier erwischen wir die falsche (rechte) Abzweigung und müssen umkehren, dabei umfahren wir die mächtige Ruine Zornstein. Weiter ins Tal hinab zur nächsten Brücke (auf obigem Bild zu sehen) und dann steil in Windungen hinauf nach Bitov, einem recht lebhaften Touristenort. Da bereits die Mittagszeit überschritten ist, halten wir nach einer Einkehrmöglichkeit Ausschau und finden sie gleich neben dem Parkplatz – Pension und Restaurant Tesar mit eigener Brauerei. Anfangs macht das Personal in diesem gut ausgestatteten Lokal einen etwas reservierten Eindruck, aber sobald sie uns die deutsche Speisekarte gebracht haben, geht alles ganz vorzüglich. Über das Bier und die Böhmische Küche brauche ich mich ja nicht zu verbreiten, auffallend und immer noch selbstverständlich – die Rechnung (in Kronen und Euro ausgewiesen) beträgt gerade so viel, wie wir in Waidhofen an der Thaya anderntags bei “Oswald´s” für einen Imbiss bezahlt haben… (zwei Hauptspeisen, Getränke, Nachspeisen kaum 25 Euro).
Frisch gestärkt geht es dann weiter und von der Landstraße abzweigend Richtung Burg Bitov, die wir bei spärlichen Ausblicken während der Zufahrt schon imposant gesichtet haben. Nach einem Restaurant mit Aussichtsturm folgt gleich ein großer Parkplatz, und dann hat man die Wahl zwischen Waldweg und Asphaltstraße, jedenfalls bergab zum Eingang der Burg. Die Besichtigung bezahlt man nun je nach den gewünschten Etagen – die niedrigste bietet selbstverständlich am wenigsten, nur den weitläufigen Burghof, allerdings ohne jede Ausblicksmöglichkeit! Daher wäre eine Führung bis hinauf zur höchsten Etage sicher am besten gewesen, bei uns machte sich jedoch allmählich die Nachmittagsmüdigkeit bemerkbar, so verzichteten wir (leider!) auf die große Besichtigung. Irgendwie haben sich im Lauf der Geschichte die Dimensionen umgekehrt – früher riegelte man sich in der Burg vor den Feinden außerhalb halb ab, jetzt sind die Besucher innerhalb der hohen Mauern eingesperrt…
Nach dieser leichten Enttäuschung ging es an die Weiterfahrt, nicht ohne eine Empfehlung abzugeben: Den Thayabogen bei Bitov muss man erwandern. Ich entdeckte nachher im Buch des von mir sehr geschätzten Vorgängers als Voralpenwanderautor eine wahrscheinlich schöne Tour, wo man wirklich zu allen interessanten Plätzen kommen müsste, und die Markierungen dazu sind ja wie üblich bei den tschechischen Wanderorganisatoren mehr als vorzüglich!
Helmfried Knoll konnte ich selbst bei meiner Anfangstätigkeit in den 1970er Jahren beim Pressehaus St. Pölten / NP Buchverlag kennenlernen. Er war ein genauer und sehr ambitionierter Autor, allerdings Nichtautofahrer, und in Begleitung des Lektors Dr. Horst Trimmel hat er etwa in der Zeit, als der Eiserne Vorhang Geschichte wurde, die gesamte Grenzregion der tschechischen Seite von der Mühlviertler Nachbarschaft bis nach Bratislava erkundet und genau beschrieben. Das Buch ist sicher schon längst vergriffen, es taucht aber (wie meine eigenen frühen Werke) jetzt immer öfter aus Nachlässen antiquarisch auf. Für Liebhaber der altösterreichischen Gebiete als Wanderer ein wahrer Schatz, auch von ziemlichem historischen und kulturellen Wert! Leider habe ich zu beiden genannten Personen keine Kontaktmöglichkeit gefunden.
Weil der direkte Rückweg über Fratings nach Drosendorf durch die lästige Baustelle versperrt war, blieb nichts anderes übrig, als den weiten Bogen über Frain zu nehmen. Von der Nebenstraße bei der Weiterfahrt von Bitov auf die Hauptstrecke Richtung Znaim abzweigend, dann bei Lesna Richtung Frain mit tollem Schlossblick und nostalgisch-morbiden Eindruck einer alten Sommerfrische. Bei Safov geht es wieder über die Grenze nach Langau bzw. über Riegersburg, bis wir nach 130 km Autofahrt wieder in Drosendorf einlangen.