MEDJUGORJE – ein “Pilgerausflug” von Makarska
16. Juni 2019 von Bernhard Baumgartner
Obwohl uns schon bei der Vorbereitung unseres Urlaubs an der Makarska-Riviera auffiel, dass der berühmte Wallfahrtsort relativ nahe gelegen ist, gab es doch mehrere Gründe für die Fahrt dorthin. Am entscheidendsten dafür war, dass Anni bereits vor rund 30 Jahren, also in der Anfangszeit dieses nun weltberühmten Pilgerorts, mit ihrer Freundin Dorli dort gewesen ist. Damals war Medjugorje noch ein kleiner, eher armseliger Ort irgendwo in Bosnien-Herzegowina. Sie nächtigten privat bei einer Familie, und rund um die Kirche erstreckten sich nur Wiesen und Felder. Immerhin haben sie den Kreuzberg und den Erscheinungsberg bestiegen, alles noch ohne die heutige touristische und auf die Millionen Pilger ausgerichtete Erschließung.
Am Sonntag, 26. Mai, von Makarska durch den Biokovo-Tunnel zur Autobahn und auf dieser südwärts Richtung Dubrovnik, bis sich die Strecke gabelt und der Zubringer nach Bosnien (Mostar, Sarajevo) der Grenze zustrebt. Dort kurzer Stau, wir waren auch nicht unschuldig daran, denn die Grüne Karte (Versicherung) erst suchen und dann wegen Ablaufdatum noch aktualisieren müssen… Von der toll ausgebauten Autobahn geht es dann, den zahlreichen Wegweisern zum prominentesten Ziel der Gegend nach, gleich auf einer Rumpelpiste durch eine lange Baustelle nach Medjugorje. Anni staunt nicht schlecht, wie sich hier alles verändert hat – Hotels, Betriebe, Geschäfte, ganz neu oder noch nicht fertig oder im Rohbau steckengeblieben. Die Sonntagsmesse dürfte gerade aus gewesen sein, wie wir an Gesang und Glockenklang vernahmen, daher Stau zum Parkplatz. Typisch übrigens für die Lage der Menschen in Medjugorje – Zufahrt in ein Baugelände mit halbfertigem Haus, dort Privatparkplatz um zwei Euro die Stunde, für den Besitzer eine sichere Einnahmsquelle (zumindest an belebten Tagen). Wir gehen gleich weiter zur Kirche und behalten die etwas dichter werdenden Wolken im Auge, denn es dürfte bald zu regnen beginnen…
Der Ortsname Medjugorje bedeutet eigentlich “Zwischen den Bergen”, es liegt in einem welligen Hochland am Fuß eines nicht gerade hohen verkarsteten Bergrückens, allerdings erblickt man im Norden die weiter entfernten Gipfel des Dinarischen Gebirges, noch tief mit Schnee bedeckt. Für die Vorgeschichte des weltweit größtes Interesse anziehenden Pilgerortes gibt es einen Hinweis – 1934 wurde von den Einwohnern unter Führung des damaligen Pfarrers auf dem 520 m hohen nahen Berg Sipovac zum Gedenken an den 1900 angenommene Jahre zurückliegenden Kreuzestod Jesu Christi unter größten Mühen ein riesiges Kreuz errichtet, das sogar als Reliquie einige originale Kreuzpartikel enthält. Fünfzig Jahre später kam es dann zu den nicht unumstrittenen Marienerscheinungen, die Medjugorje neben Lourdes zum weltweit bekanntesten Wallfahrtsort machten. Die Informationen im Internet sind überaus reichhaltig, immer noch werden die Aussagen der “Seher” regelmäßig verbreitet, im digitalen Zeitalter umso nachhaltiger. Positiv anzumerken – wovon man auch wirklich berührt wird – ist die Atmosphäre des Glaubens, einer höchst lebendigen Religiosität und das Leitmotiv “Frieden für alle Welt” (mehr dazu möchte ich nicht anmerken, obwohl ich als Buchautor mich ja intensiv mit dem Pilgern beschäftigt habe). Im Vergleich zu unserem Mariazell, das eigentlich nicht mit Medjugorje vergleichbar ist, allein schon von der Tradition und Geschichte her, geht es hier nicht ums gehende “Wallfahrten”, sondern um “Pilgerfahrten”, weltweit organisiert mit Flügen und Bussen. Der Wallfahrtsort ist zugleich ein Tourismuszentrum geworden, in dem es aber vor allem um die Betreuung und Unterbringung der Menschenmassen (eine Million pro Jahr) geht. Kommerz und Kitsch gibt es selbstverständlich auch im Übermaß, aber da ist ja Medjugorje keine Ausnahme…
Nach dem Besuch der Kirche machen wir noch einen kurzen Rundgang – das Areal hinter der Basilika (?) riesengroß und leer, ein kleines Gebäude zeigt an seinen Wänden die Geschichte, wessen Grab wohl so intensiv beschmückt ist (? nicht der Name eines Zeugen), alte Geschichte in der Erinnerung an die Ustascha (nationalsolzialistische Organisation Kroatiens, die auch in die Kärntner Geschichte hineinspielt), der “Mahnstein” beim Friedenskreuz auf dem Erscheinungsberg. Dorthin begaben wir uns anschließend….
Für den hohen Kreuzberg reichten Wetter und Zeit nicht, aber wir fanden einen weiteren Parkplatz im Gewirr von Lokalen, Geschäften, Hotels und Pensionen bei einem neu wirkenden Nonnenkloster am Ausgangspunkt zum sogenannten Erscheinungsberg. Den normalen Aufstieg nahmen wir später bergab, nun ging es gleich steil über von der rötlichen Erde etwas rutschigen Steinstufen zwischen Gebüsch und felsiger Heide hinauf zum Blauen Kreuz. Jeder dieser Punkte hat seine besondere Bedeutung, und Scharen von Besuchern oder mehrheitlich Pilgern stiegen hier hinauf, manche mühsam humpelnd, sogar mit Krücken und nach auffallendem Brauch – barfuß! Immer wieder hört man Gesänge, Betrachtungen durch die Pilgerbegleiter und vor allem Rosenkranzgebete.
Alte Menschen und Jugendliche vereinigen sich hier in offensichtlich tiefem Glauben, und sicher kommen viele Menschen in grenzwertigen Lebenssituationen hierher, um Fürbitte und Trost bemüht und darauf vertrauend. Wer so etwas nicht selbst erlebt hat, kann nicht so leicht das alles mit- und nachempfinden (unsere Familie war in den 1980ern in Mariazell selbst betroffen, also weiß ich, wie es einem und worum es dabei geht). Verboten ist auf dem Erscheinungsberg – wie überall in diesem Gelände – selbstverständlich offenes Feuer (Kerzen) und das Anbringen von Schriften und dergleichen. Trotzdem sieht man immer wieder Erinnerungsstücke, wie oben gezeigt. Eine besonderes “Denkmal” sind die von einem italienischen Künstler angefertigten Bronzereliefs mit Motiven des Freudenreichen und des Schmerzhaften Rosenkranz von 1989 bzw. 2004, wir begegneten ihnen durch die andere Richtung des Aufstiegs in sozusagen verkehrter Reihenfolge:
Nach wirklich anstrengendem Dahintappen auf den vertretenen Steinen – immerhin ohne Sonnenhitze und rutschig machender Feuchtigkeit – erreichten wir den “Erscheinungspunkt”, der seit 2004 mit einer überlebensgroßen Madonnenstatue versehen ist. Der Blick geht hinunter auf den Ort zur links im Bild erkennbaren Kirche, und Anni ist mit Dorli von dort noch über Wiesen und Felder zum Erscheinungsberg gegangen. Den Abstieg nehmen wir über den eigentlichen Aufstiegsweg, auch nicht viel sanfter, vorbei am Friedenskreuz mit dem Ausspruch der den Hirtenkindern erschienenen Gottesmutter.
Zurück beim Auto nahmen wir zuerst eine Stärkung in einem kleinen Cafe´, sehr gut und blitzsauber, anschließend fuhren wir (wie von unserem Parkplatzwächter empfohlen) auf der unbehinderten Hauptstraße zur Stadt Ljubuski, dann aber nicht zur Autobahn zurück, denn die Rückfahrt sollte über die Jadranska Magistrala entlang der Küste erfolgen. Also der Karte nach und mit viel Aufmerksamkeit für die Wegweiser: Durch ein freundliches Tal mit dem berühmten Wasserfall Kravica zur Stadt Capljina, bereits am großen Fluss Neretva gelegen. Am gegenüberliegenden Ufer der sehr belebten Gegend mit vielen Betrieben, Wohnsiedlungen und Landwirtschaftsflächen ging es zur Bosnisch-Kroatischen Grenze mit nachfragender Kontrolle (weil viele Kroaten im billigeren Bosnien einkaufen, Zentrum ist die Stadt Neum, vor allem geht es um Zigaretten). Gegenüber von Metkovic (nahe bei Vid hätte es die antike Stätte Narona gegeben) waren wir schon im flachen Gebiet der Neretvamündung mit der Stadt Opuzen, hier ein kleiner Verhauer Richtung Dubrovnik mit rechtzeitiger Umkehr in steiler Küstenlandschaft. Unser nächster wichtiger Punkt war die Hafenstadt Ploce, allerdings abseits der Hauptstraße gelegen. Diese wand sich jetzt, unter unserer Beachtung nicht auf die Autobahn zu kommen, den Berg hinauf, wo es eine einmalige Sehenswürdigkeit gibt – die sieben Seen von Bacinska, scheinbar hoch im felsigen Gebirge, aber teils tiefer als der Meeresspiegel gelegen! Leider hatte es inzwischen zu regnen begonnen – allerdings zum Glück erst so spät, denn in Medjugorje wären wir bei einem solchen Wetter schlecht dran gewesen. So verlief die Küstenfahrt an der südlichen Makarska-Rieviere, mit dem interessanten Ort Gradac leider wenig spektakulär, wenn man von den wunderschönen Berg- und Küstenszenen absieht, außerdem waren wir schon über 200 km unterweg, also schön langsam Zeit für Ankunft und Entspannung im Hotel…