Fomm ir-Rih: Eine Tour bis ans Ende der (Maltesischen) Welt
18. Dezember 2015 von Bernhard Baumgartner
Fomm ir-Rih heißt aus dem Maltesischen übersetzt “Mund des Windes”
Die Bay gleichen Namens liegt im “wilden” und vor allem “fernen” Westen von Maltas Hauptinsel (sonst könnte man diese Örtlichkeit eher auf Gozo vermuten). Aus den Karten ist nicht viel darüber ersichtlich, aus den Satellitenbildern entnimmt man ein Gewirr von Felsklötzen und Meeresgischt, im sonst sehr speziellen DUMONT heißt es lediglich: “Ein einsamer Strand lockt in der Fomm ir-Rih Bay”.
So schaut dieser “einsame Strand” aus, und wie unwegsam der Zugang zu diesem bei Flut von den Wellen fast überspülten Stück Sand unter “Lehmfelsen” und neben Riesenblöcken ist, kann man sich leicht vorstellen… Konkretes über Fomm ir-Rih konnte ich nur einem englischen Führer entnehmen, den uns Hannes´Bürokolleginnen zur Verfügung gestellt hatten (Näheres daraus später). Jedenfalls machten wir bei der Tour zu den Dwajra Lines bereits Bekanntschaft mit dieser großartigen Landschaft, ohne sie damals genauer erleben zu können, und seither wünschte ich mir, unbedingt dort eine Wanderung zu machen. Folgende Bilder von Anni!
Etwas Gutes hatte dieser Ausflug um Frühjahr, als jedes Fleckchen neben den kahlen Felsen üppigst blühte. Der Parkplatz war damals halb voll, und überall auf den Wiesen trieben sich Scharen von Besuchern herum, unterhalb war sogar eine Ausschank aufgebaut! Letzteres sehr irreführend für unseren herbstlichen Besuch… Das Dorf Bahrija erweckte noch mehr als die Landschaft den Eindruck vom “Ende der Welt”… Aber am wichtigsten war die Entdeckung, dass es einen Bus für die Strecke zwischen Rabat und Bahrija gibt!
Am Samstag, 24. Oktober d. J., war es dann so weit – Wetter zum Wandern günstig, wechselnde Bewölkung mit etwas Sonne, anfangs frisch, tagsüber bis 23 Grad bei Nordostwind. Der Bus Nr. 205 bringt uns von Paceville / St. Julians in schon bekanntem endlosem Herumkurven nach Rabat. Schon wartet der nächste Bus Nr. 109, der uns als fast einzige Fahrgäste durch das eher fruchtbare Tal zwischen Rabat und den Ausläufern der Dwajra Berge nach Bahrija schaukelt. Ein freundlicher alter Mann weist uns den Weg, den wir ohnehin schon ausgekundschaftet haben, und bei der Rückfahrt treffen wir ihn nochmals, als er uns dann verabschiedet – Freundlichkeit auf Malta!
Vom “Hauptplatz” mit Bus-Endstation und einigen anscheinend geschlossenen Lokalen gehen wir am nett hergerichteten Kindergarten (samt Spielplatz) auf der Seitenstraße in die westliche Landschaft hinaus. Niedrige Steinmauern und Gebüschreihen begleiten den lückigen Asphalt, und neben als spärlichen Äckern gerade noch erkennbaren Flächen entlang marschierend, überwiegen bald ringsum die als Garigues bekannten Heideflächen.
Dann senkt sich allmählich das Gelände gegen das westliche Meer zu, aber auch im Süden schimmert hinter der Hügelkette mit dem unaussprechlichen Namen Il-Qiqjgha (Lautschrift wäre hier besser, wenn ich wüsste, wie das ausgesprochen wird) Meeresblau auf. Gegen Norden zeigen sich überraschend die Hotels an der Golden Bay und die Bays von Mellieha und St. Paul.
Vor der südlichen Hügelkette, die in einem felsigen Gipfel ausläuft, ist das Bahrija Valley eingesenkt. Am Bambuswuchs erkennt man leicht, dass hier Feuchtigkeit aus den fruchtbaren Schichten hervordringt, und diese Talmulde ist daher intensiver landwirtschaftlich genutzt. Neben der Straße bemerken wir sogar Bewässerungskanäle, wie wir sie von den Waalen in Südtirol kennen, samt Auffangbecken für das im Winterhalbjahr etwas reichlicher fließende Wasser.
Dann folgt eine Straßengabelung, wo wir mit Hannes geradeaus weiter bis zum abschließenden Parkplatz gefahren sind. Weil wir diese Strecke schon kennen und außerdem damals viele Leute über die anschließenden Wiesen Richtung Küstenabbruch gehen sahen, nehmen wir diese Strecke. Der Ausblick wird immer prächtiger, und Anni entdeckt oberhalb der Begrenzungsmauer hübsche, aber uns unbekannte Blütenpflanzen.
Beim Parkplatz am Ende der linken Straße bemerkt man nur wenige Autos, hingegen Verbotsschilder an jeder Wegabzweigung! Wir wissen auch schon, warum zu dieser Jahreszeit – rings knallt es fast ununterbrochen von den Schüssen der Jäger (wohl keine Karnickel, sondern verbotene Jagd auf Vögel…?). Den im Frühjahr viel begangenen Wiesensteig wagen wir uns trotzdem einige Schritte weiter, doch werden wir sogleich von weiter unten beäugt. Die im Bild zu sehende Person hat noch dazu einen riesigen Hund dabei, also doch lieber umgekehrt!
Nächster Versuch ein Stück daneben auf einem breiteren Weg. Ein junger Mann holt uns ein, den werden wir jetzt fragen… Dieser Weg, alle Wege – nicht legal! Und er – besucht einen Freund. Zögerlich weitergehend, kommt schon dieser Freund Hände winkend in Sicht: Retour, go back, oder irgendsowas. Hartnäckig der dritte Versuch, an einem abgestellten Auto vorbei – doch bald zeigt sich bei etwas entfernteren Unterständen schon wieder eine jägerische Person. Das war´s also! Vielleicht hätten wir sonntags kommen sollen wie letztesmal?
Immerhin haben wir einen Ausblick auf die felsigen Strandterrassen zur Linken werfen können, und so schnell geben wir nicht auf! Also auf der Straße ansteigend zurück bis zur Verzweigung und nun auf dem nordwärts abzweigenden Asphaltweg wieder der Küste zu. Bald geht es bergab, an abgezäunten Gärten und verwilderten Flächen entlang bis zu einer schon von weitem gesehenen Stützmauer. Da merken wir erst, dass wir jetzt auf dem richtigen Weg zur “Dom Minthof-Passage” sind!
Beim abschließenden Parkplatz gibt es bereits den eindrucksvolleren Ausblick, und auf einem noch breiten Weg geht es die Hangterrassen entlang. Über uns eine felsige und dicht bewachsene Wildnis, unterhalb ein tiefer Abgrund, voraus eigenartige helle Steinformationen. Diese bilden eine harmlos erscheinende Mulde, wenn man sich nicht zu weit vorwagt, denn dort geht es tief hinunter zum bewegten Wasser!
Dieser Platz hat den “Paradeblick” über die Bay! Hinter den Küstenabbrüchen der Pellegrin-Halbinsel zeigt sich in der Ferne die Insel Gozo, ein unglaubliches Panorama.
Die weißlichen Felsvorsprünge führen wie ein Balkon über dem tief unten blauenden Meer in die Mauern hinaus. Gut begehbar, aber nur für Schwindelfreie!
Hier ist die Stelle, wo der frühere maltesische Ministerpräsident mit Vorliebe zum Strand hinabgeritten ist – bevor noch der Steig ausgebaut wurde (wie uns der in Englisch geschriebene maltesische Reiseführer verrät). Anni probiert noch den Weiterweg aus, und der präsentiert sich so:
Nach dieser, für Reiter und Radfahrer gesperrten Passage, könnte man noch (wie im vorigen Bild) zum mit Felsblöcken überstreuten Ufer und zum kleinen Strand unter den “Schieferwänden” gelangen. Auch wäre der Weiterweg über die Pellegrin-Halbinsel zur Gnejna Bay eine überaus interessante Tour. Uns genügt aber auch schon das Erlebnis dieser überaus prächtigen und wilden Stelle in der Landschaft, dem Herzstück der Fomm ir-Rih Bay.
So machen wir uns nach einer kurzen Rastpause an der Rückweg nach Bahrija. Zum Glück ist es während des Straßenaufstiegs nicht heiß, eher luftig mit einigen Wolken. Als wir uns allmählich dem Höhengelände nähern, gehen wir aber abseits der Straße über die Garigues-Flächen und erleben dort nicht nur neuerlich den weiten Ausblick über die Küstenlandschaft, sondern auch eine botanische Überraschung: Neben vielen Spätblühenden Narzissen gibt es hier eine winzige mediterrane Herbstzeitlose – Cholchium cupanii.
Dann nähern wir uns wieder der Ortschaft Bahrija und erwischen gerade den Bus nach Rabat, und sogar der Anschluss nach Pembroke Park & Ride funktioniert super. Auf jeden Fall haben wir einen der glänzendsten Wandertage auf Malta hinter uns – auch mit dem Vorsatz und der Hoffnung, dass uns der Übergang von der Fomm ir-Rih zur Gnejna Bay einmal gelingen wird! Vielleicht sogar zur Blütezeit im Frühling, wenn der Affodil (hier abgeblüht und bereits mit frischen Blattrosetten) seine strahlend weißen Blütenkandelaber zeigt…
Außerdem ist uns ein mystischer Platz durch die Jäger vorenthalten worden - hätten wir vom ersten (linken) Parkplatz weitergehen können, wäre dort vor dem Kap Ras ir-Raheb eine (sogar in den Satellitenkarten sichtbare) Tempelanlage aus phönizischer Zeit, also Jahrtausende alt, zu entdecken gewesen…