Marfa Ridge: Unsere letzte Tour auf Malta
31. Mai 2015 von Bernhard Baumgartner
Inzwischen haben wir schon herausgefunden, wo die schönsten Wandergebiete auf Malta liegen. Im Osten (bei Marsaxlokk) und im Süden (Dingli, Haqar) auf den Küstenrändern, die in weitem Bogen die zentrale südöstliche Senke (mit dem Flughafen Luqa) umgeben. Im Nordwesten reihen sich, fast noch schöner und vor allem abgelegener, weitgespannte Talmulden und Höhenzüge aneinander. Der letzte Bergrücken vor dem “Landende” gegen Comino und das fernere Gozo heißt Marfa Ridge und schließt an die Ghadira Bay beim bekannten Mellieha an.
Die Zufahrt ist sehr praktisch, denn dorthin verkehrt der direkte Bus zur Gozo-Fähre in Cirkewwa. Wir steigen aber nicht bei der Ghadira Bay aus, sondern erst oben auf der Anhöhe beim Kreisverkehr mit den seitwärts abzweigenden Straßen. Das Wetter ist zum Wandern ideal, klar und sonnig, aber mit heftigem kühlen Wind.
Erstes Ziel ist der weithin sichtbare Rote Turm, auch St. Agatha-Turm genannt,1649 erbaut und vor wenigen Jahren renoviert. Im Untergeschoß museal eingerichtet, ist die von Eckbastionen bewehrte obere Brüstung eine fantastische Aussichtsterrasse, samt den alten Kanonen und bereitliegenden Kugeln. Einerseits blickt man auf die teilweise kultivierte, vielfach aber auch öde Muldenlandschaft entlang der Küste. Am eindrucksvollsten ist die Ansicht über die kleine “Zwischeninsel” Comino gegen Gozo mit ihren felsigen Steilküsten.
Rasch geht es dann zurück zur Straßenkreuzung und dort gegenüber auf der Höhenstraße, die entlang der Marfa-Halbinsel ein paar Kilometer bis zur Landspitze bei einem kleinen, aber berühmten Marienheiligtum führt. Obwohl es die Sonne gut meint, bleibt es durch den scharfen Wind recht frisch, kaum dass man den Anorak entbehren kann. Beiderseits verlaufen mit Büschen und niedrigem Baumwuchs bestandene Flächen. Echte Akazien blühen in goldgelben Blütenkugeln, auf den Ruderal- und Brachflächen wuchern Wilde Gladiolen.
Die wenig befahrene Straße berührt dann neben den “Eselsklippen” eine schmale Heidefläche, wo sogar einige Orchideen zu finden sind und von der zerspaltenen Abbruchkante sich der Blick gegen Mellieha mit seiner hochgelegenen prächtigen Wallfahrtskirche öffnet. Zuletzt geht es zwischen Buschwald sogar noch etwas bergauf, bis der Asphalt auf einer freien Fläche am äußersten Klippenrand endet.
Eine Madonnenstatue steht hier, und daneben befindet sich die Kapelle der Unbefleckten Empfängnis. Großartig ist der Fernblick über die nördliche Küste bis gegen Pembroke (!) und der schwindelnde Abgrund über zerspaltene Klippen hinab zum wildbewegten und unglaublich blaugrün gefärbten Meer.
Der brüchige Kalkstein der Klippen neigt – gefördert durch das anbrandende Meer und Kluftbildungen – zum Abbrechen der Felskante. Deshalb musste die etwa zur selben Zeit wie die Madonnenstatue (1870) erbaute Kapelle der Unbefleckten Empfängnis 1961 auf einem entfernteren und sicheren Platz im Stil des ursprünglichen Baues erneuert werden. Sie erinnert an die Errettung eines Fischers aus Seenot und erfreut sich großer Beliebtheit als Wallfahrtsstätte.
Das folgende Plateau hast fast wüstenartigen Charakter, und von der Felskante abweigend gehen wir über steinige Heideböden weiter in Richtung des schon etwa näher gerückten “Weißen Turms”. Der Wind bläst hier ganz gehörig und lässt erst nach, als wir wieder zur Küste kommen. Rechts springt eine felsige Halbinsel vor, links hinauf geht es über blumenreiche Garigues zum nächsten Turm, dazwischen eine Bucht des unglaublich blauen Meeres.
Der nächste Turm – weithin leuchtend heißt er im Gegensatz zu unserem ersten und rot gefärbelten Bauwerk “Weißer Turm” – ist eher enttäuschend. Zwar nicht von der Aussicht her, diese ist einfach rundum fantastisch, sondern vom Erhaltungszustand. Dieser ist teilweise derart schlecht, dass wir nicht einmal bis zur höchsten Plattform hinaufsteigen. Wie die anderen Befestigungswerke entlang der Küste, wo wir dann noch vorbei kommen, stammt er aus dem 17. / 18. Jh., wurde aber lange Zeit schon vernachlässigt und (noch?) nicht renoviert. Zum Ausgleich finden wir am Hang unterhalb einen halbwegs windgeschützten Platz für die Mittagsjause.
Nun geht es hinab zum Strand und von Bucht zu Bucht weiter, Kleine und Große Armier Bay und wie sie sonst noch mit anderen (maltesisch zungenbrecherischen) Namen heißen mögen. Die Küste ist hier großteils besiedelt, die unglaublich einfachen einheimischen Strandhäuschen wechseln allmählich zu touristischen Anlagen, immer wieder Rückblick zum Weißen Turm.
Die Beschreibung des Malta-Wandervorschlages “Wachtürme (Marfa)” sollte uns hier nützlich sein, aber wir suchen uns selbst den Weg, quer durch verwinkelte kleine Siedlungen, an Festungsmauern vorbei, dann wieder in Strandnähe. Besonders malerisch ist ein Stück durch heideartiges Brachland, und immer wieder wirkt der wahrlich betörende Ausblick auf die Nachbarinsel Comino mit ihren Felsabbrüchen.
Gerade rechtzeitig gegen die Ermüdung landen wir an einem schon für den Sommerbetrieb vorbereiteten Strand und im Restaurant “Bombo” – herrlich auf der Terrasse zu sitzen, Kaffee und Kuchen zu genießen und davon zu träumen, hier einmal in der Abenddämmerung zum Fischessen einzukehren…
Unglaublich, ein angeschwemmter dicker Baumstamm, schon halb versteinert – woher mag er wohl angeschwemmt worden sein und erst recht interessant, wo und wann er einst gewachsen ist?
Schon nahe der Hauptstraße mit der Busstation umgehen wir einen großen und ziemlich neuen Hotelkomplex, danach folgt ein “Abschneider” als günstigerer Weg zum Bus, wie wir glauben. Dabei passiert folgendes wie im Bild festgehalten:
Als wir bei dem eifrigen Knurrer und Kläffer vorbei sind, sehen wir erst die Warntafel – und Rückblick kann einem der gute Wächter eigentlich wirklich leid tun, überhaupt wo er dann so klein ausschaut, aber in der unmittelbaren Situation schaut eine solche Begegnung eben anders aus…
Das letzte Stück vor der Straße ist dann sorgsam kultiviert, hier schon abgeerntet, vielleicht bald noch einmal bepflanzt, aber mit der zunehmenden Hitze wird auch das Windrad kein Wasser mehr fördern können – die Jahreszeit geht in die hochsommerliche Ruhezeit über, so wie bei uns im späten Herbst der Winter kommt. Krasser Gegensatz zwischen unseren mitteleuropäischen Verhältnissen und jenen Nordafrikas in Malta, bei uns bringt die Kälte die Natur zur Ruhe, dort ist es die Hitze!
Insgesamt war dieser Tag ein würdiger Abschluss unserer Wanderungen auf Malta, und wer glaubt, wir hätten keine Ideen mehr, könnte sich täuschen. Aber vielleicht täuschen wir uns selber – und sind das letzte Mal in Malta gewesen…