Leutschach: Heiliggeist – Sveti Duh – am Osterberg, eine “Kirche der Völkerverständigung”
7. Oktober 2012 von Bernhard Baumgartner
SVETI DUH NA OSTREM VRHU = Heiliger Geist am Osterberg, eine mystische und spirituelle Stätte hoch über der Weinlandschaft der Windischen Bühel
Wo bis vor wenigen Jahren die Linie entlang der weißen Grenzsteine streng bewacht wurde, besteht nun glücklicherweise kein Hindernis mehr, obwohl die Kirchsiedlung auf slowenischem Staatsgebiet liegt. An Gasthäusern vorbei steigt die Asphaltstraße Richtung Kirche an, die dann über eine hohe Stiege erreicht wird – Seehöhe 903 m.
Wir hatten keine Ahnung, welch historisch und mystisch bedeutendem Ziel wir entgegen wanderten. Erst der zur 300-Jahrfeier der Heiliggeistkirche 2009 herausgegebene Kirchenführer machte uns das klar.
Die Marienskulptur zeigt eine Dame des 18. Jh´s mit gepuderter Perücke! Sie sollte vor einigen Jahren durch eine Lourdesstatue ersetzt werden, was jedoch von der Bevölkerung verweigert wurde, und so blieb die barocke Liebfrau im Original erhalten.
In der Reformationszeit gab es in den Windischen Büheln / Slovenske gorice, wie das ganze Gebiet heißt, eine obskure Sekte (wie etwa auch die “Wiedertäufer” eine waren) – die sogenannten Springer. An das baldige Weltende glaubend, versammelten sie sich auf Berghöhen oder Waldlichtungen, wo sie zu ihren wallfahrtsartigen Treffen zusammenkamen. Zur kultischen Handlung gehörten rituelle Tänze, durch die sie in Verzückung gerieten und dabei ekstatische Hochsprünge vollführten, daher auch die Bezeichnung “Springer”.
Solche Begegnungen sollen schon vor 1600 abgehalten worden sein – “auf einem hohen ‘Berg in den Pfarren Selnica und Leutschach”, dem Osterberg. Trotz Unterdrückung durch kirchliche und weltliche Obrigkeiten konnte die im Volk tief verwurzelte Kultbewegung nicht ausgerottet werden, sondern ging letztlich – wie die antiken Heiligtümer der Kelten und Römer – in christlichen Stätten auf, die vor allem dem “Heiligen Geist” gewidmet waren. Der Kirchenbau war 1679 beendet, 1709 erfolgte die Weihe und 1768 die päpstliche Bestätigung als Wallfahrtskirche.
Seit 1892 selbständige Pfarre, erlebte Sveti Duh / Heiliggeist den tiefsten Eingriff nach dem 1. Weltkrieg, als die Kirchengemeinde durch die neu entstandene Grenze auseinander geschnitten wurde, was hier bis zur endgültigen Trennung noch vier Jahre dauerte, so umstritten dürfte die Örtlichkeit vor allem wegen ihrer Wallfahrt gewesen sein.
Nach den im Grenzgebiet besonders katastrophalen Vorgängen während der nationalsozialistischen Herrschaft und in der folgenden kommunistischen Zeit Sloweniens kam es erst 1970 zur Wiederbelebung der traditionellen Pfingstwallfahrt von beiden Seiten der Grenze. Die wieder entstandene gute Nachbarschaft fand ihren Ausdruck in der Aktion “Kirche ohne Grenze”, und besonders förderlich waren die Gründung des selbständigen Staates Slowenien 1992 und dessen EU-Beitritt.
Ich zitiere aus dem zweisprachigen Kirchenführer: Die Grenzsteine aber, deren Inschrift “St. Germain, 10. September 1919″ lautet, sind heute nur noch Mahnmale des mehrere Jahrzehnte dauernden, erduldeten, und eben dadurch überwundenen Leidens. Dazu passt diese Grenztafel nahe der Barthlmä-Kirche in Rothwein, die wir im März vorgefunden haben. Allen politischen Irrwegen und Katastrophen zum Trotz glauben Menschen beiderseits der Grenze an ein friedliches Zusammenleben, egal welches ihre Muttersprache sein mag!
Das Symbol für den Heiligen Geist ist zugleich die “Friedenstaube” (allerdings nicht im Sinn der kommunistischen Agitation, die ich selbst noch als kleines Schulkind bei der zwangsweisen Vorführung der “Russenfilme” mit Schaudern und oft mit Angsttränen über mich ergehen lassen musste). Keine Geisteshaltung kann für die Menschheit “heiliger”, also heilbringender, sein als das Streben nach Frieden, Verständigung und Toleranz… Dazu gäbe es noch viel zu sagen, und tief bewegt haben wir die Kirche mit ihrem beiderseitigen Grenznamen – Sveti Duh und Heiliggeist – verlassen, vielleicht mit dem Wunsch, ein Stück des Grenzpanoramaweges als “Friedensweg” noch erleben zu können.