Bauernboden und Oisberg – Erstaunliches über “Bergbewirtschaftung” und über einen “Eisernen Vorhang”
15. September 2012 von Bernhard Baumgartner
Die kurze spätsommerliche Schönwetterphase konnten wir am Samstag (Erzstollen) und Sonntag (Königsberg) bestens ausnützen. Der ultimative Bergtag wäre der Montag gewesen, und als letztes Sommeraufgebot war Dienstag, 11. September, angekündigt. Eigentlich wollte ich zum Fotografieren im oberen Ybbstal herumstreifen, aber wer weiß wie´s kommt, nach dem Königsberg war jetzt nur mehr ein Gipfel übrig geblieben, auf dem ich noch nicht gestanden bin – der Oisberg mit dem Bauernboden bei Opponitz. In der Karte fehlt das Verbindungsstück beim Kleinen Schneekogel!
Daher kurz entschlossen umdisponiert und die kürzeste Route genommen: Über Eschenau ins Pielachtal, hinüber nach St. Anton an der Jeßnitz, talaus bis Scheibbs, dann über Gresten nach Ybbsitz. Nach der im letzten Teil ganz zügigen Strecke war die Fahrt über die Kleine Kripp nach Opponitz zwar landschaftlich besonders reizvoll, aber fast vom “Drehwurm” befallen landete ich schließlich an meinem Ausgangspunkt in der “Lucken” (97 km, 1 3/4 Stunden).
Was mir bevorsteht – über 900 Höhenmeter und 21 km (nach der ÖK ausgemessen), da packe ich eine Marscherleichtung (beim noch neunmonatigen Präsenzdienst gelernt, übrigens als Gefreiter abgerüstet) beim Schopf! Keine Verbotstafel vor mir, daher noch den Güterweg weitergefahren, ganz neu ausgebaut und sogar asphaltiert, erst am Beginn der “Buchberger Woad” die Privatweg-Tafel (zur Sicherheit das Auto am Straßenrand einen Meter davor abgestellt).
Start um 8,35 Uhr auf ca. 620 m Seehöhe, gleich steil in den Wald hinauf, ein kurzer Verschnaufer am Kammabsatz, weiter von einem Forstzaun begleitet (noch unverdächtig). Der ehemalige Almsteig hat sich wegen jahrzehntelanger Nichtbenützung in einen stellenweise tief ausgewaschenen und vertretenen Steig zurückentwickelt. An der Richtungsänderung am “Buchberger Spitz”, schon auf über 900 m, stehe ich staunend vor einem neuen gigantischen Forstgatter! Wie über einen Hochstand muss dieses überklettert werden, das Bild zeigt mehr als Worte…
Kurz danach schwenkt eine von oben kommende Forststraße nach Südwesten ein, begleitet vom “Eisernen Vorhang”, der markierte Steig wendet sich in die linke Bergseite. Hier geht es zwar kaum steigend dahin, aber der zu querende Hang ist ungemein steil, ein Hochwald mit weiträumig stehenden Stämmen, und an einigen Stellen, wo der Steig ziemlich dürftig wird, mit Vorsicht zu begehen. Kein wirkliches Problem, mit solchen Wegverhältnissen muss man sogar in den Voralpen immer wieder rechnen, aber für unsichere Geher nicht zu empfehlen.
Nach etwa 500 m wird das Gelände aber schon wieder moderater, der Steig kreuzt eine in die wilden “Urgäng” führende Forststraße und erreicht eine malerische flache Waldlichtung, die Fohrau. Eine Hirschsuhle befindet sich hier im feuchten Grund, und vom Hang voraus schallt ein regelmäßiges Klopfen – die Geräusche des “Widders”, einer raffinierten Pumpe, mittels der das Quellwasser hinauf zum Bauernboden befördert wird. Nach leidlich gutem Steig treffe ich dort bereits nach 10.15 Uhr ein, Seehöhe 1213 m.
Zu meiner Überraschung liegt die Alm schon verlassen da (zwei Tage vorher war am Königsberg noch alles Vieh oben), dafür röhrt ein Hirsch vom nahen ”Karl” hinter der Annahütte her! Also die Almsaison ist vorbei und die Jagdzeit vor der Eröffnung! Sonst wirkt der Bauernboden enttäuschend, denn die Aussicht gegen das Gesäuse ist durch schon hohen Jungwald völlig verdeckt (daran erkennt man das Alter so mancher Wanderführer, meiner eigenen sicher nicht ausgenommen!).
Der erste Gipfel ragt gleich oberhalb, und von der “Lackenwies” an seiner Bergschulter gibt es endlich das erhoffte Panorama, allerdings nicht mehr so klar wie an den letzten Tagen, daher kann das Bild den gewaltigen Landschaftseindruck nicht erfassen – zwischen Gamsstein und Stumpfmauer öffnet sich der Blick ins Gesäuse. Auf dem Großen Schneekogel (1373 m), einer sanften Wiesenlichtung zwischen dem hier heroben überwiegenden Nadelwald, gibt es nur den Himmel zu sehen und das Bergkreuz (Vorwanderer haben ein Schnittenstückchen hinterlegt, eine Art Opfergabe, Eichkatzeln gibt es hier nicht, und am übernächsten Tag hat wohl der erste Schnee das Mannerfuzerl aufgelöst…).
Jetzt ist es erst 10.45 Uhr, mein “Hatscherknie” will zwar protestieren (es denkt wohl besser als mein Hirn an die drei Monate Krücken im Vorjahr!), aber da muss das Alpl, der höchste Oisberggipfel, schon noch drankommen. Vorerst ist der Weiter”weg” noch durch einen vom Weidevieh tief zertretenen Waldsumpf behindert, zum Kleinen Schneekogel schließt zum Glück ein hübscher Wiesenrücken an, und in den nächsten Sattel weist sogar eine Fahrwegkehre hinab.
Vor mir erstreckt sich von der fünffachen Kreuzung an eine weite Almwiese, wie aus dem Traumbilderbuch eines Almbauern, grün und steinlos, weit hinten die Wiesenkuppe des Alpls. Mit den Walkingstöcken wie gelernt – tackzacktackzack – nehme ich die Sandstraße unter die Beine, und von 11 bis 11.30 Uhr habe ich die Strecke samt Wiesenaufstieg geschafft! Auf dem Alpl (1405 m) ist kurze Rast und Jause angesagt, von weiter Aussicht untermalt, und auf der Gipfelbank beim Kreuz sitzend im Rücken bedroht – wieder ein “Eiserner Vorhang”, diesmal von Jagd oder als Almbegrenzung motiviert? Na, den Bauern würde ein einfacher Stacheldraht sicher auch genügen, aber vielleicht sind gigantische Gatter auch eine bessere Geldanlage als Finanzspekulationen…
Samt den Gipfelbildern, leider mit starken Schatten im Gegenlicht, bin ich um 12 Uhr bereits wieder am Abstieg. Dabei treffe ich auf ein Bild von der “Bergwirtschaftssymbiose” – Jagd und Alm vereint, zwei Traktoren mähen übrigens gerade die dürren Grashalme weg, damit im Frühjahr die planierten Hochwiesen wieder recht schön austreiben können (die unversehrten Wiesen erkennt man am häufigen, hier völlig fehlenden Weißen Germer).
3 km misst die Forststraßen-Strecke am Hühnerkogel vorbei und um die Schneekogel herum, bis nach der Bergecke am Planeck der Bauernboden wieder erreicht ist, um 12.45 Uhr beginne ich den Abstieg und quere um 13.10 Uhr die Urgäng-Forststraße gleich nach dem Fohrauboden. So, und jetzt kommt´s: Wie am Gamsstein verlockt mich eine Abstiegsvariante – links weitergehend müsste ich doch zur Forststraße mit dem “Eisernen Vorhang” am Buchberger Spitz kommen…?
Also nicht hinein in die abschüssige Waldquerung, sondern links auf der Forststraße weiter, und die steigt und steigt, endlos weiter, zurück mag ich auch nicht mehr, zumal beim Talblick die Forststraße mit Wildgatter eindeutig auszumachen ist. Immerhin bin ich so vernünftig, es nicht “wild” über die Steilhänge dort hinunter zu versuchen! Letztlich hat mich mein geografischer Instinkt nicht getäuscht, aber ich vermute, es war einfach Glück – in der Gegend der Sulzwiese wendet sich die aus dem Krenngraben bei Kleinhollenstein kommende Straße endlich in die passende Richtung. Der Anschlussweg auf der neuen Forststraße am Eisernen Vorhang entlang ist immerhin nicht mühevoll, trotz neuerlicher Gegensteigung und Nachmittagssonne, zum Staunen ist nur die Ausdehnung dieses Wildgatters.
Ein lohnender geologischer Natureindruck ergibt sich am Ende des mehr als 3 km langen Umweges (gegen 500 m markierten Steig getauscht) – in der aus dickbankigem Dolomit aufgebauten Böschung sind zwei auffallende Schichten eingelagert, eine stark rötlich und kleinbrüchig, die zweite graubraun und einem Mergel ähnlich. Leider reicht die Spezialkarte Ybbsitz nicht mehr bis hierher. Bei der Quelle des Bauernboden geht man übrigens auf typischem Plattenkalk.
Beim “Wachturm” des Eisernen Vorhangs (= Überstieg) am “Buchberger Spitz” stärke ich mich noch mit den letzten Schlucken und Schnitten (meinen eigenen, nicht etwa vom Schneekogel-Opferplatz…), dann geht es im Laufschritt den steilen Weg hinab zum Auto, wo ich um 14.45 Uhr ankomme. Warum all die Zeiten so genau notiert? Spätestens um halb fünf Uhr muss ich wieder zuhause sein, die Fahrt mit 102 km über Göstling und Gaming dauert wie in der Früh wieder 1 3/4 Stunden.
Und damit ist der Bauernboden mit dem Oisberg / Alpl schon wieder Geschichte, über Nacht wechselt das Wetter, und in der Nacht zum Donnerstag fällt der erste Schnee der Saison 2012/2013 in den Voralpen. Eine eindrucksvolle Tour, höchst gemütlich in der Hochregion, aber leider habe ich den Almtag Anfang Juli verpasst, denn da hätte ich mit dem Auto bis zum Bauernboden hinauffahren können (solche Hinweise werden für alle “Knieleidensgenossen” wohl immer wichtiger).