A&BB Vorfrühlingsurlaub Teil 6 – zu den “Linden-Kirchen” am Radlgebirge
18. April 2012 von Bernhard Baumgartner
In der eher sanften Südsteiermark verdient das zum Dreiländer-Eck gegen Kärnten und Slowenien verlaufenden Radl-Gebirge wohl diesen Beinamen, worauf auch Liselotte Buchenauer schon hingewiesen hat. Von der weitläufigen Koralpe her biegt der Grenzkamm (so seit 1919) entlang dem Drautal nach Osten, und der große Reliefunterschied hat dort steile und noch dazu dicht bewaldete Berghänge geformt.
Bei unseren “Urlauben” oder “Reisen” (je nachdem, wie man´s als Pensionist oder in meinem Fall besser als “Freischaffender mit Staatssubvention” empfindet) suchen wir auch aus den Tourismus-Informationen viel Interessantes heraus, denn einheimisch sind wir ja nur bei uns in den Voralpen bzw. in Niederösterreich und besonders im Waldviertel. So habe ich vom vorletzten Jahr (November in Stainz) mitgenommen: Ausflugsziele Steirische Schilcherregion, Wandern am Grenzpanoramaweg (alles gratis, da soll es sich noch lohnen, Bücher zu schreiben… außer man hat diesen Spleen…) – und die Broschüre: Lipe in Cerkve / Kirchen und Linden, herausgegeben vom Projekt “grenzenloses wandern” – eine von den begrüßenswerten und äußerst wichtigen Initiativen von beiderseits der immer noch emotionalisierenden Grenzen (wie auch in Südböhmen bei Gratzen etwa).
Kirchen und Linden
Die Linde ist nicht nur ein im Heimatboden, sondern auch in uralter Mystik und Volksmedizin tief verwurzelter Kult- und Schutzbaum, bevorzugt um die Bauernhäuser und Schlösser gepflanzt, als Blitzschutz “Linden sollst du finden” und noch viel anderes mehr bedeutend. Der “Kirchen-Lindenweg” im Radlgebirge führt zu sechs Bergkirchen beiderseits der Grenze, und wir fügten noch eine solche nahe Eibiswald (dem Ausgangspunkt) hinzu, um die magische Zahl sieben zu erreichen. Leider wurden es dann nur fünf, denn die beiden vom Drautal aus zu erreichenden, waren uns zu viel. Am besten wäre überhaupt die Kirchentour als Rundweg gewesen, würde aber eine ganztägige Gehleistung verlangen…
St. Katharina in der Wiel
Von Eibiswald geht es bergwärts über die Soboth Richtung Kärnten, wir zweigen aber im Bergdorf St. Oswald mit seiner großen Barockkirche in die Wielfresen ab. Durch einen engen Waldgraben kommen wir zu den Berghängen hoch über der Weißen Sulm und im Bogen hinauf zum Kirchweiler St. Katharina auf 884 m Seehöhe. Noch vor der gotischen, barockisierten Kirche empfängt uns ein auffallendes Gebäude – allem Anschein nach eine Schule, 2004 aufgelassen (die paar Kinder fahren mit Schulbus über besonders im Winter waghalsige Bergstraßen nach St. Anna und die größeren sogar nach Deutschlandsberg), immerhin erfreulich innen als “Gemeinschaftshaus” bezeichnet, aber wohl eher das Dorfwirtshaus, obwohl außen noch immer Volksschule draufsteht.
Gleich nebenbei eine Steinskulptur, deren Form mir direkt “verdächtig” vorkommt – sie heißt “G´fangener Ruß” und stammt von Carl Hermann, dem Waldviertler Bildhauer, und wie dieser hierher kommt ist klar – in Eibiswald endet der von ihm “geschaffene” Nord-Süd-Weitwanderweg. Meine Nachforschungen im Internet ergaben den interessanten Hintergrund, wie im nachfolgenden Link nachzulesen (Klöpfer erscheint übrigens parallel zu Ottokar Kernstock, auch einem solchen nationalen Steirer, was mir bei Franz Nabl nicht so geläufig ist, aber nicht einmal an Peter Rosegger vorüber gegangen ist…). Link: “Da Ruß”
Lang dürfen wir uns nicht aufhalten, denn noch wartet der ganze Grenzkamm bis zum Radlpass auf “unsere Entdeckung”. Also zurück nach St. Oswald, auf der Sobothstraße bis zum Mauthnereck, dort südwärts ins endgültig wilde Gebirge – zwar hauptsächlich Wald, aber ursteile und endlose Hänge hinab zu einer Bachschlucht, die über die slowenische Grenze zur Drau ausmündet. Rothwein ist der anscheinend wenig passende Name der Streusiedlung entlang der schmalen Asphaltstraße, und wo diese um den Bergrücken herumbiegt, sind wir bei St. Bartlmä, dem nächsten Wanderpunkt.
Pfarrkirche St. Bartholomä / Sveti Jernej nad Muta
Nur mehr wenige Gehöfte, eher schon Landhäuser und Ferienhäusln besiedeln die St. Bartlmä genannte Einschicht. An dem nach Süden abfließenden Puschnigg-Bachl standen einst acht Bauernmühlen und Sägewerke, die letzte wurde allerdings bis 1964 betrieben, als die Grenze als ein “Kleiner Eiserner Vorhang” gegen das Tito-kommunistische Jugoslawien noch hermetisch abgeschlossen war. Vor der Grenzziehung von 1919 hatte die auf einem 1038 m hohen Bergkegel gelegene Kirche noch große Bedeutung für die Bauern, Köhler und Holzknechte der Umgebung, Pfarrkirche ist sie wohl längst nicht mehr. Urkundlich 1382 genannt gilt sie als älteste Kirche des Drautals (was mir eher zweifelhaft erscheint), vor 200 Jahren gab es hier immerhin einen großen Pfarrhof mit eigener Schule.
Wir wandern an der Puschnigg-Kapelle vorbei auf dem alten Kirchenweg südöstlich in den Wald hinein, immerhin markiert und bald von den Grenzsteinen begleitet. Dann geht es hinaus auf eine almähnliche Lichtung mit einigen Häusern (der Karte nach davon eines als Gasthaus), und oberhalb kommt hinter einem alten Berghaus mit neuem Ziehbrunnen (Pfarrhof?) bereits die Bartlmäkirche in Sicht. Davor steht ein typische geformtes Wegkreuz (wie in St. Anna!), und rechts davon befindet sich der Friedhof – aus der Zeit der Monarchie bis heute in Benützung und unterschiedlich gepflegt. Ein Stein mit zahlreichen Namen fällt uns besonders auf, wir können ihn leider nicht entziffern – so lautet die Inschrift:
PADLIM IN POGRESANIM JERNEJCANOM * PRISILNIM MOBILIZIRANCEM V NEMSKO * VOJSKO V I. IN II. SVEOVNI VOJNI: Hier folgen 25 Männernamen * VAM V SPOMIN – NAM OPOMIN, VOJNE VEC MIKOLI!
Ein Blick ins Kircheninnere ist uns vergönnt, und ein Ziehen an der Friedhofsglocke ruft anscheinend einen grimmigen Nachbarn herbei. War wohl keine gute und pietätvolle Idee – er antwortet auch auf keinen Gruß, egal in welcher Sprache…
Eine Infotafel berichtet von der Sage über die “Geistermesse”, als der nicht zeitgerecht zur Rorate gekommene Ischegg Jokl im Beichtvater den verstorbenen Pfarrer erkannte und bemerkte, dass alle Beter in den Bänken ohne Kopf waren. Bei den Gehöften der Umgebung sollen etliche ganz mächtige Linden gestanden und auch erhalten worden sein, weil die Linde als slowenisches Nationalsymbol geachtet wird.
St. Leonhard ob Eibiswald
Bevor sich die Bergstraße nach Aibl bei Eibiswald (wo die Radlpass-Straße beginnt) hinabwendet, liegt auf einer weiten Kammwiese 942 m hoch dieses Kirchdorf. Hier beginnt die mit Bauernhöfen bestandene offene Landschaft mit ihren malerischen Ausblicken, sogar bis zur Dreikönigskirche jenseits der Grenze. Die 1399 urkundliche Pfarrkirche zeigt Formen von Gotik und Barock, auffallend ist der Hängeleuchter mit Muttergottesstatue, neugotisch und aus der Leonhardkirche hierher übertragen.
Der bemerkenswertere Kirchenbau ist aber die Wallfahrtskirche “Hl. Leonhard in der Ebene”, im Kern romanisch und spätgotisch erweitert, auf der Wiesenfläche südlich der kleinen Ortschaft. Leider finden wir keinen Zutritt und können daher auch die berühmte Holzkassettendecke aus der Mitte des 16. Jh. nicht besichtigen. Aber die an der südlichen Seitenportal-Tür angenagelten Hufeisen sind auch eigenartig. Sie sollen von türkischen Reitern stammen, die 1532 als gefürchtete Mordbrenner bis hierher vordrangen.
Beim Weg zur Leonhardkirche kommen wir beim “Meßnerbauernhaus” vorbei und dem riesenhaften Rest einer Linde davor. Dieser Baum hat wohl schon Seltsames und Wundersames erlebt, vor allem das in die Geschichte eingegangene Ereignis “St. Lorenzen bleibt ungeteilt”: Als im Herbst 1919 eine Kommission nach St. Lorenzen kam und die neue Grenze mitten durch den Ort ziehen wollte, bat die “Meßnerbäurin” Maria Praßnik den Vorsitz führenden japanischen Offizier auf Knien, St. Lorenzen bei Österreich zu lassen. Trotz heftiger Proteste der serbischen Delegation willigte der Offizier ein und verlegte die Grenze um 600 m weiter nach Süden…
St. Anton am Radlpaß
Nach einer verspäteten Mittagsrast machten wir uns vom Radlpaß aus auf dem Weg zu dieser Wallfahrtskirche. Der Kirchenheilige Antonius wird als Schutzpatron der Schweinezüchter im Volksmund auch “Sautoni” genannt, und dieser große barocke Bau wurde häufig von slowenischen und steirischen Bauern besucht. Als “Steirisches Kulturgut” ist die Antoniuskirche auch sorgsam renoviert, wenn auch der Zahn der Zeit sichtlich bald wieder an den noch so schön instandgesetzten Fassaden zu nagen beginnt. Ihrem Alter zum Opfer gefallen ist auch die Riesenlinde neben der Kirche – ihr Strunk wirkt wie ein Riesenfass, und der hohle Stammrest liegt etwas stiefmütterlich behandelt abseits davon. Kein Blick ins Kircheninnere, nicht einmal durch ein “Guckerl” oder eine geschmiedete Gittertür (bei in Bartlmä), aber eine Abbildung des Gnadenbildes hängt neben dem hölzernen Meßnerhaus – es ist die “Mariazellska Madona”.
Und damit sind wir wieder am Grenzweg, der zur auf österreichischem Staatsgebiet gelegenen Bergkirche führt. Über die Grenze hinweg kämen wir nach Sveti Primoz (ganz eigentümlich mit Kirchturm und mindestens gleich hohem Dachreiter über dem Chor) und Sveti Trije Kralji, aber nur zu Fuß oder über den Radlpaß hinweg ins Drautal und von dort über Bergstraßen (ungewiss wie gut ausgebaut) zu den beiden letzten “Lindenkirchen”. Das bleibt einem anderen Termin vorbehalten, und ist es nicht schön, immer noch ein Ziel in Aussicht zu haben?
Noch ein Nachschlag zur interessanten Geologie dieses Gebietes: Der Weg zur Antoniuskirche führt nicht nur an der Staatsgrenze, sondern auch an einem riesigen Steinbruchkrater entlang. Der hier gewonnene Diabas ist ein Ergussgestein, also aus oberflächlich erstarrten Lavamassen entstanden und während der Alpenbildung umgewandelt. Nicht so wie die oststeirischen Vulkanite aus dem Tertiär, stammt er aus dem Erdaltertum (Devon) und ist von zahlreichen Mineralien begleitet. Bunte Steine findet man hier auf Schritt und Tritt, glänzende Quarze, Grünsteine und Granate enthaltende Glimmerschiefer.
1 Reaktion zu “A&BB Vorfrühlingsurlaub Teil 6 – zu den “Linden-Kirchen” am Radlgebirge”
Übersetzungsversuch (mit google) des Krieger-Grabsteins am Friedhof von St. Barlmä:
Gefallene und Vermisste ….. zwangsweise in der deutschen Armee im 1. und 2. Weltkrieg mobilisiert: 25 Männernamen, sind in unserer Erinnerung ……. nie wieder Krieg!
Das könnte einen Sinn ergeben?
Vielleicht kann jemand helfen?
BB