Ein Spaziergang durch den Urwald – am Lahnsattel
5. Oktober 2009 von Bernhard Baumgartner
Zuerst einmal festgehalten – was ist ein “echter” Urwald? Mag ein Waldbestand noch so urig ausschauen, wenn er einmal in seiner Geschichte abgeholzt wurde, ist es kein “Urwald” mehr. Als solcher gilt nur ein Waldbestand, der seit der Wiederbewaldung nach der letzten Eiszeit von Menschen unbehelligt geblieben ist. Nur in einem solchen Biotop ist die typische Artenvielfalt gewährleistet, und von der Wissenschaft her ist der Unterschied zu einem noch so eindrucksvollen und alten “Naturwald” eindeutig festzustellen. Daher stehen die echten alpinen Urwälder unter besonderem Schutz, wie etwa der berühmte Rotwald im Wildnisgebiet Dürrenstein (Ybbstaler Alpen).
Der Hoyos´sche Privaturwald
Einen Urwald-Restbestand, den man zumindest randlich besichtigen kann, gibt es am Lahnsattel, Gemeinde St. Aegyd am Neuwald, Bezirk Lilienfeld. Ich habe darüber in meinem Wander- und Landschaftsführer “Die Voralpen an Traisen und Gölsen” geschrieben:
Nach den Schlägerungen durch die Huebmer´schen Holzknechte im obersten Mürzgebiet blieb vom ursprünglichen Bestand des Neuwaldes (fast 36 000 Hektar) am Südfuß der Hofalm seit 1880 ein 21 Hektar großer “Urwald” erhalten (wissenschaftlich bedeutsames Schutzgebiet der damaligen Grafen Hoyos). Auf den vegetationsfreundlichen Werfener Schichten gedeihen hier Rotbuchen, Tannen und Fichten im sogenannten “Optimum” (900 bis 1000 m Seehöhe, feucht-kühles Klima) mit Stämmen von 50 m Länge und 1,5 m Durchmesser, durchschnittlich 822 Festmeter Holzmasse pro Hektar (Durchschnitt Österreichs 300). Der 300 bis 500 jahre alte Bestand überrascht durch seine Weiträumigkeit, dagegen wirken die umliegenden “Hochwälder” wie Unterholz!
Am letzten Wochenende spazierten wir wieder einmal zu diesem Urwald. Ausgangspunkt: Von St. Aegyd her durch die Ortschaft Lahnsattel bis zur folgenden Straßenkurve, dort Bushaltestelle und Pilgerkreuz u. a. Auf der hier abzweigenden Seitenstraße (keine Beschilderung !) kurz weiter zum neu angelegten Parkplatz beim Donaudörfl (nach Holzknechten aus dem Waldviertel so benannt, weiter Forststraße). Geradeaus zur Wegteilung (links Almstraße zur Hofalm, rechts Forststraße zum Gscheidl). Bei Wegweiser des Wiener Mariazellerweges geradeaus auf Ziehweg in den Wald hinauf, wo die Wegspuren des alten “Zeller Steiges” (Römerweg und Pilgerweg !) sich derzeit im Hochwald verlieren, weil die Markierung auf der Forststraße verläuft. Auffallend bereits der Waldboden auf Werfener Schichten mit Heidelbeerwuchs! Weiter vorne wird besonders links der Urwaldeindruck immer deutlicher – einzelne Riesenbäume, gestürzte Stämme, abgestorbene “Steher”, vermoderndes Altholz auf dem Waldboden oder wirr übereinander getürmt. Rechts haltend wird die Gscheidl-Forststraße erreicht, auf dieser in kleinem Bogen zum Ausgangspunkt zurück, dabei schöner Aufblick zum Göller (insgesamt 1/2 bis 3/4 Stunde, je nach Naturgenuss !).
Das “Totholz” bietet einer Vielzahl von Pflanzen- und Tierarten Lebensraum, besonders den Insekten und Sporenpflanzen. Auf den modrigen Stämmen wachsen bereits wieder kleine Bäumchen (“Kadaverwuchs”), und wenn ein solcher Baum groß wird und seine Unterlage zerfallen ist, stehen seine Wurzeln wie auf Stelzen.
Einen kleinen Eindruck sollen meine neu dort aufgenommenen Bilder vermitteln! Man könnte diesen Urwaldspaziergang auch mit großen Touren verbinden – Göller über den Waldhüttsattel, Hofalm und Gippel (zur Gippelalm führt eine Forststraße vom Gscheidl hinauf, Abstieg durch den Gippelgraben weglos und verwachsen), leicht und besonders lohnend ist die Wildalm.
Wir machten uns aber nach der geologischen Karte (Schneeberg – St. Aegyd) und mit viel Glück gewonnener Erfahrung auf die Schwammerlsuche – Werfener Schichten (hier an der Puchberg-Mariazeller-Linie am Nordrand der Kalkhochalpen) und Lunzer Sandstein (innerhalb der Voralpen) versprechen ähnlich gute Voraussetzungen wie díe Kristallinzonen im Waldviertel oder dem steirischen Randgebirge und wie im Wienerwald.
Derzeitiger Naturzustand – Im Optimum von Herrenpilzen und Eierschwammerln so um 1000 m Seehöhe ist man noch immer recht fündig; die Laubfärbung von Rotbuchen und Bergahorn setzt an diesen Tagen ein und wird in ca. einer Woche schon ganz schön sein!
1 Reaktion zu “Ein Spaziergang durch den Urwald – am Lahnsattel”
Ja, kenne beide Urwälder ( Rotwald , da Schwager in seiner aktiven Zeit den Schlüssel hatte , Gscheidl von mittlerweile mehreren Notarzteinsätzen )
Werde nie vergessen , wie wir zu fünf Personen den Stamm eines solchen Riesen umgriffen haben
Man wird sehr nachdenklich im Bewußtsein des Alters dieser Lebewesen , wie wichtig wir menschlein uns doch machen …….
Herrlicher Artikel !!!!
HB