IMOTSKI – ein Ausflug ins vermeintliche Nirgendwo (Makarskaurlaub III)
11. Juni 2019 von Bernhard Baumgartner
Wenn mir ein Ortsname noch nie untergekommen ist, trifft das auf IMOTSKI zu. Aber am 22. Mai d. J. waren wir dort und haben die Natursehenswürdigkeiten dieser Gegend im Dinarischen Gebirge aufgesucht – teils echt “gesucht”. Aber nun dazu, wie wir überhaupt auf dieses Ziel gekommen sind.
Wie an den meisten Urlaubsorten wird auch in Makarska im Hotel Meteor eine Reihe von Ausflügen angeboten, ebenso bei den Argenturen und Tourismusbüros. Unter Ausflüge aus Makarska heißt es: Blauer und Roter See von Imotski. Auch bei der Autobahnzufahrt war mir ein solcher Hinweis schon aufgefallen. Zuerst galt es, den Ort überhaupt zu finden – im Web heißt es so: 80 km von Split, 30 km von der Adria (aus Richtung der Makarska-Riviere also), 7 km von den Bosnischen Grenze. Allein das war so interessant, dass wir uns gleich am dritten Urlaubstag dorthin aufmachten, denn das Hinterland wollten wir ohnehin kennenlernen.
Obwohl der Natur unser hauptsächliches Interesse gilt, lohnt es sich, über einen (für uns) so weltfernen Ort näher zu beschreiben, noch dazu weil er seit dem Wiener Kongress 1814/15 zur Österreichisch-Ungarischen Monarchie (Kronland Dalmatien) gehörte, übrigens bis zum Ende des 1. Weltkriegs, also ein gutes Jahrhundert gar nicht so ferner Geschichte!
IMOTSKI: Schon in urgeschichtlicher Zeit besiedelt, lag Imotski (mit dem veralteten, wohl altösterreichischen Namen “Eimot”) als Reisestation an der Verbindungsroute der Römerstädte Salona (bei Split) und Narona (am Neretvadelta). Um 850 soll eine zu Byzanz (Ostrom) gehörende Festung “Emotha” bestanden haben. Sie wurde 1493 von den Türken erobert, und die beherrschende Festung erhielt den Namen “Topana” (türkisch top hana = Waffenmagazin). 1717 kam Imotski wie viele Gebiete Dalmatiens an Venedig, das 1809 von Napoleon unterworfen wurde, und danach zu Österreich. Die Stadt liegt hoch an einem Berghang unterhalb der Festungsruine Topana mit weitem Blick über das fruchtbare Karstbecken des Imotsko Polje, über die Berge dahinter (nordöstlich) verläuft bereits die Grenze zu Bosnien-Herzegowina (dorthin anscheinend lebhafter Verkehr).
Wir hatten den Blauen und Roten See als Kuriosum im Karstgebiet eingeschätzt, vielleicht als ein Bergwerksrelikt. Aber das hat sich als Irrtum erwiesen – in diesem Gebiet des Dinarischen Gebirges gibt es trotz der Verkarstung (vor allem der Berghöhen) überraschend viele und sogar große Seen. Die beiden Seen bei Imotski sind aber Einsturzdolinen, entstanden durch Einbruch von unterirdischen Hohlräumen mit enormer Wassertiefe und Felswänden als Umrahmung.
Zum Blauen See: Makarska hat durch den Biokovo-Tunnel eine für Ausflüge auch ins Landesinnere günstige Lage. Wir kreuzten bei Zagvozd die Autobahn und kurvten über den nächsten Karstrücken hinweg in das Imotsko Polje, ein langgezogenes ebenes Tal mit viel Grün inmitten der kargeren Bergumrahmung. Dieses querend ging es nach Imotsko hinauf und den Wegweisern folgend durch das verwinkelte Stadtgebiet zum “Modro jezero”. Das Ausflugsziel – sogar als Badestrand – muss sehr beliebt sein, an der Menge der vor dem Eingang bei einem Restaurant parkenden Autos zu schließen. Eine freundliche Geschäftsfrau wies uns auf die strengen Polizeikontrollen beim Parken hin, und eine junge Familie, die gerade vom See heraufkam, schenkte uns sogar die Eintrittskarten, also lauter Freundlichkeit. Aber es gab auch ein kleines Missgeschick – beim Öffnen der Heckklappe, rutsche uns der Kroatien-Führer heraus und sauste wie ein Blitz die abschüssige Straße hinunter, wie verschwunden! Allerdings fanden wir ihn dann, bei einem Autoreifen hängen geblieben und beim Start diese Autos völlig zermerschert… Aber sonst alles bestens, luftiges Wetter mit Wind und einigen Wolken und vor allem nicht heiß!
Zum Blauen See geht es entschieden bergab, auch direkt von der Festungsruine, mit tollen Tiefblicken und auf einem ausgebauten Weg, der anlässlich eines Besuches von Kaiser Franz Joseph angelegt worden sein soll! Die Felshöhe rund um das wirklich tiefblaue Seeauge beträgt zwischen 400 und 900 m, der Durchmesser des riesigen Kraters etwa 600 m, die Wassertiefe ist bei reichlicher Füllung 100 m! Allerdings abhängig von Jahreszeit und Niederschlägen und der Masse der Karstwasser – in der Sommerzeit kann er auch völlig austrocknen, und dann findet auf seiner Grundfläche traditionell ein Fußballspiel statt!
Wir wanderten auf dem promenadenartig ausgebauten (und gerade auch ausgebesserten) Weg zu einem tollen Aussichtspunkt und dann in weiten Kehren bis hinunter zur tiefsten Etage des Zugangs, wohin die badelustigen Besucher auch gehen, immerhin soll der Höhenunterschied 300 m betragen. Neben dem Steinweg bedeckt eine dichte mediterrane Vegetation die Hänge, sicher mit Spezialitäten der Felsfluren, die uns aber nicht so recht “ins Aug sprangen”…
Der Rote See – Crveno jezero: Schon bei der Zufahrt hatten wir den Wegweiser dorthin bemerkt, aber wegen der verwinkelten Straßen und Einbahnen in der engen und steilen Altstadt machten wir vorher eine unfreiwillige Rundfahrt durch Imotski. Sicher hätte sich auch ein Herumbummeln gelohnt, aber wir wollten ja noch weiter! Endlich auf der richtigen Ausfahrt, und schon standen wir am Parkplatz über – ja, richtig über – dem Roten See. Benannt nach der rötlichen Felsumrahmung gilt dieser vor 2 Millionen entstandene Seekrater als größte wassergefüllte Einsturzdoline der Welt! 250 m unzugänglich unten gelegen, misst die Wasseroberfläche im Durchschnitt 200 m, Tiefe beträgt ca. 280 m und soll relativ konstant sein. Bei Forschungen durch Taucher wurde nämlich in 170 m Wassertiefe ein großer Zufluss entdeckt, außerdem fanden sie dort zwei endemische (nur dort vorkommende) Fischarten vor.
Nach dem Tiefblick ließ der Ausblick etwas Besorgnis aufkommen, wie der Blick zum fernen Biokovo zeigt. Tatsächlich begann es bei der Weiterfahrt auf der bis hierher benutzten Bergstraße etwas zu regnen. Wir machten trotzdem einen kurzen Stop, um nach Blumen Ausschau zu halten, fanden aber keine Besonderheiten, immerhin waren wir hier der Bosnischen Grenze schon sehr nahe. In Fortsetzung dieser Route wären wir zum grenznah gelegenen Ort Ricice gekommen – leider vorher abgebogen ins unsere geplante Ausflugsrichtung. Kleine Weiler drängten sich an den steilen Berghang, unten eine tiefe Schlucht mit hohen Felsbauten gegenüber – alles aus der Karte nicht zu ahnen. Wir bemerkten aber vor dem Jezero Ricice, der auch “Grüner See” genannt wird, einen Schüttdamm tief unten, den wir dann überquerten und mit Ausblicken auf den verzweigten See (anscheinend ein Fischerparadies) und ebenfalls wiesengrüne Umgebung des Ortes Ricice am Gegenhang uns in Kehren hinaufschraubten. Die nächste weitläufige Anhöhe war typisch für diese Karsthöhen – Steinböden, Buschwald, Felsgruppen. Bei einem Weiler stiefelten wir sogar nach Blumen suchend im Gelände herum, bevor es durch Waldgebiet hinunter ging in das nordwestliche Imotsko Polje, denn dort wartete ein weiterer See auf uns.
Der Prolosko Blato ist seit 1971 ein Schutzgebiet und gehört zu der am Hang nördlich von Imotski gelegenen Gemeinde Prolozac, die neben verschiedenen Dörfern und Weilern (teilweise nur von einer Familie bewohnt!) auch den Höhenort Ricice umfasst. Typisch – 1913 (also zur Zeit der Monarchie) hatte die Gemeinde rund 2000 Einwohner, jetzt sind es höchstens noch ein Viertel. Die Tal- und Flussläufe sind ebenso typisch für das Karstgebiet sehr verwirrend strukturiert: Der Bach Ricina speist den Rivice-See, fließt dann als Suvaj weiter hinunter in die Polje zum See von Prolosko, aus dem das Wasser nahebei als Silja herausfließt und später als Fluss Matica über die Grenze nach Bosnien entschwindet. Der Prolosko-See dehnt sich bei hohem Wasserstand weit über die Ebene des Imotsko Polje aus, schrumpft dann wieder und hinterlässt sumpfige Grasflächen – wohl ein Vogelparadies, wie wir an einer auf ferner Landzunge aufgereihten Kolonie oder Versammlung von Störchen bemerken konnten. An die kleine Felsinsel im zweiten Bild knüpft sich die Erinnerung an ein Kloster, das in den Türkenkriegen aushalten konnte. Die Informationen darüber sind recht spärlich, vor allem auch im sonst so hilfreichen Internet, wohl kann man über YouTube-Videos die ganze Gegend kennenlernen.
Wir fuhren als von der Berghöhe Rolozac (zwischen Ricice und dem weit tiefer gelegenen Prolosko-See gelegen) hinab in das am Hangfuß aufgereihte Dorf Prolozac, eine etwas lebhaftere und intensiver bewirtschaftete Ortsgemeinde. Dort leiteten uns Wegweiser hinaus in die flache nordwestliche Talebene, wo wir beim Ende des Asphalts zu Fuß auf einem Fahrweg weiter bis zum See gingen. Dieser Platz wird anscheinend gern aufgesucht, ein geschlossenes Gasthaus (?) steht dort, wo bald nur mehr Felsen den See begrenzen. Beim Rückweg kamen wir zwar den Störchen nicht näher, aber dafür ging es durch die an das grüne Überschwemmungsgebiet anschließenden Kulturflächen.
Insgesamt ein hübscher frühsommerlicher Eindruck, trotz mäßiger Temperatur (zum Glück!), der wein blühte gerade, und wir fanden am Wegrand sogar eine noch unbekannte Waldrebe mit blauen Blüten (Italienische Clematis?). Dann hatten wir genug erlebt, obwohl die Gegend geradezu fürs Erforschen sich anbot, und wir fuhren über die Berghöhe zur Autobahnquerung, durch den Tunnel zur Küste und zurück nach Makarska. Nach dem köstlichen (und noch gut vertragenen) Abendbuffet im Hotel gab es beim Strandspaziergang sogar noch einen romantischen Sonnenuntergang….