Ins “bunte Herz” Istriens
8. September 2018 von Bernhard Baumgartner
“Bunt” bedeutet hier zweierlei – ganzjährig ist es der Boden in Mittelistrien, denn im Gegensatz zum “Roten Istrien” entlang der Westküste (Terra rossa, Roterdeboden auf Kalkablagerungen) treten hier großflächig flyschartige Schichten auf – Sandstein und Mergel, große Ähnlichkeit mit der Flyschzone im Wienerwald. Im Herbst kommt noch dazu, dass die vorwiegenden Laubgehölze tolle Verfärbungen zeigen. Das Rot vor allem der Perückensträucher und der Hartriegel bildet dann einen starken Kontrast zu den immer wieder eingelagerten Föhren.
Unserer Tour von Umag über Buje und die schönen Höhenorte über dem Mirnatal nach Motovun folgte erst einmal ein Rasttag in Umag. Dann war aber schon der letzte Tag vor der Heimreise gekommen, und eigentlich wollten wir die letzte so schöne Tour fortsetzen – ins “Herz Istriens”, obwohl wir die Gegend schon von einer Frühsommerreise kannten. Auch das Wetter spielte mit, für Anfang Oktober noch recht passabel, etwas Sonne in der Früh, mittags ein kleiner Schauer und am Nachmittag immer schöner. Packende Wolkenstimmungen, passend zu den herbstlichen Farben der Natur. Also Zufahrt von Umag über das schon bekannte Buje ins Mirnatal und bei dem von hellen Felsen umgürteten Kurort Illyrske Toplice nach Buzet, dort am späten Vormittag.
BUZET / PINGUENTE: Dieser bis in die prähistorische Zeit zurückreichende Siedlungsplatz in hübscher voralpiner Umgebung liegt am Kreuzungspunkt von Verkehrswegen – von Norden kommt die Verbindung über einen Pass von Buchten bei Triest und Koper her, gegen Westen geht ins Mirnatal, im Süden gelangt man zum Uckatunnel Richtung Opatija bzw. findet über Pazin Anschluss an die Schnellstraße des “Istrischen Ypsilon” (Richtung Pula und zur Westküste). Wir waren schon einmal in Buzet gelandet, mit leerer Geldbörse mühsam einen Bancomaten suchend, gefunden im Vorort am Fuß des Burgberges. Auf diesem markant in der Talfurche aufragenden steilen Hügel befindet sich die bekannte und sehenswerte Altstadt, während herunten etwa in Funtana sich die neueren Siedlungen und Wirtschaftszonen ausbreiten.
Von 1421 bis 1797 stand Buzet unter der Herrschaft Venedigs und stieg zu einer der bedeutendsten Festungen im Landesinneren auf. Wir beginnen unseren Rundgang beim Großen Tor (von 1547). Der Eindruck ist sehr gemischt, neben ruinösen Steinmauern befinden sich mit Ausdauer bewohnte und daher renovierte Häuser oder solche, die im historischen Ambiente wieder einen Wert als (zumindest zeitweiliger) Wohnsitz gewonnen haben. Manches Hausportal ist mit einem steinernen Kopf bezeichnet, der Spitzbärtige befindet sich am Haus von Stipan Konzul, der im 16. Jahrhundert entscheidend zur Verbreitung des Protestantismus in Istrien beigetragen hat (fast eine Parallele zur österreichischen Religionsgeschichte?). Ein alter Mühlstein als Relikt bäuerlicher Verfassung ist leicht erkennbar, aber wozu das andere (gespaltene) Steinmonstrum gehört haben mag?
Wir sind durch die engen Gassen inzwischen höher gekommen und treten durch das Kleine Tor (von 1592) kurz hinaus ins Freie und werden von einer Zisterne mit Markuslöwen auf der Brunnenbrüstung überrascht (1563). Der im Spätbarock errichtete Dom interessiert uns weniger, vielmehr treffen wir sozusagen in höchster Etage noch auf eine echte Eigentümlichkeit, es ist eine große öffentliche Zisterne von 1789, die in dieser Höhenlage wohl größte Bedeutung für die Wasserversorgung der Altstadt hatte. Brunnen dürfte es auf diesem Karsthügel wohl kaum geben, erwähnt wird jedoch eine “Johannesquelle” mit kristallklarem Wasser im Tal südlich des Hügels. Vielleicht hat man als Ausgleich für die Regenarmut im langen Sommer von dort Wasser herangeführt und in der Zisterne gespeichert, malerisch ist jedenfalls der ganz Platz mit seinem schmiedeeisernen Brunnen. Neben der hochgelegenen Georgskirche erreicht man schließlich eine Aussichtswarte an der höchsten Stadtmauer mit echt gewaltigem (oder besser malerischem) Panorama über die vielfältig kultivierte Umgebung.
Nach etwa eineinhalb Stunden intensiver Besichtigung drängt es uns nun vom Historischen hinaus in die soeben überblickte Natur! Wir verlassen Buzet in südlicher Richtung über eine die Berge hinaufführende kurvenreiche Seitenstraße und folgen dann einem Höhenrücken bis gegen 500 m Seehöhe (Buzet liegt auf 151 m !). Unser Ziel ist das Bergdorf DRAGUC, schon von einem frühsommerlichen Besuch bekannt und geschätzt, aber nun im Herbstaspekt von ganz anderem, ebenfalls bezaubernden Eindruck! Bei der Fahrt über die Bergstraße öffnen sich die schönsten und noch nie so bunt gesehenen Ausblicke.
Unser letzter Besuch in Draguc war im Mai 2018 (Bericht im Blog vom 10. Juni – bei www.wandertipp.at auf BERNHARD BAUMGARTNER´S AUTORENBLOG GEHEN; so lassen sich alle Beiträge leicht abrollen). Wie immer – dieses Bergdorf, eigentlich eine historische kleine Altstadt, wirkt jedesmal wieder überaus romantisch und interessant, noch dazu gibt es bemerkenswerte Einträge im Internet: Draguc, das HOLLYWOOD Istriens! Von den kunsthistorischen Lokalschätzen ganz abgesehen, etwa vier Kirchen und Reste der Festung, aus der die Ansiedlung hervorgegangen ist. Rast im Bufet Zora, gleich neben einem uralten Zürgelbaum und daneben Panoramablick von der alten Mauer. Durch den Portikus mit den alten bäuerlichen Gerätschaften zum talseitigen Hangvorsprung, wo die ehemalig Zufahrt heraufgekommen ist. Daher steht dort die “Pestkirche” St. Rochus, Einblick zu den Fresken von 1529, ein Kunststück traditioneller Zimmermannsarbeit der Dachstuhl der Loggia. Ausblick über das Talbecken mit dem Trinkwasserspeicher Butoniga, zurück ins dreizeilige “Dorf” erkennt man in den Hausmauern die Reste der ursprünglichen Befestigung…
Obwohl wir nun schon viermal in Draguc waren, fühlen wir uns doch nicht als Ortsführer befähigt, als die wir von einer Busreisegruppe angesprochen werden… Wenn wir vielleicht doch noch einmal nach Istrien reisen sollten, kämen wir aber sicher wieder hierher, egal ob im blätterbunten Herbst oder im blütenbunten Frühsommer! Inzwischen oder weiterhin müssen wir uns halt mit den interessanten und teilweise überraschenden Einträgen im Internet (> Draguc Istria, nicht zu verwechseln mit Drage…) begnügen – aber auch ein Vergnügen!
Weitere Bilder zu DRAGUC in meinem Facebook: Wandertipp bernhard baumgartner & Bernhard Baumgartner (Buchautor / Kral-Verlag)