Ultental – Stauseen unvermeidlich? Sonst traumhaft!
23. November 2017 von Bernhard Baumgartner
So stellt man sich eine ideale Alpenlandschaft vor, oder zumindest man wünscht es sich!
Tatsächlich aber werden die Alpen (besonders die vergletscherten) wie in Österreich auch in Italien und ebenso in allen Alpenländern für die Energiegewinnung ausgebeutet. Rücksichtslos? Das mag einmal gewesen sein, wobei ich in Italien den Reschensee mit dem darin versunkenen Dorf Reschen (die abgesiedelten Einwohner nicht einmal ordentlich entschädigt) als Negativbeispiel nennen kann. Auch rund um den Ortler gilt das, vor allem im Ultental, dessen vergletschertes Einzugsgebiet ohnehin eher unwesentlich ist und vom “Gletschersterben” wegen seiner geografischen Lage besonders betroffen wird (Seehöhe maximal 3000 m und keine großflächigen Eisgebiete, eher immer mehr im Erosionsschotter versinkende Hochlagen.
Dass uns dort ein wunderbares Naturerlebnis beschert wurde, hängt wohl am üppigst vorstellbaren “Lärchengold”, aber auch damit zusammen, dass bei der Routenwahl und bei den Fotostandpunkten immer auf Beeinträchtigungen wie Staumauern und leere Speicherbecken geachtet wurde!
Das beste Beispiel sind die vorigen Bilder vom Weißbrunnsee im obersten Ultental! In diesem urigen Gebirgstal waren wir heuer zum dritten Mal, vorher schon zur Krokuszeit auf dem Ultener Höfeweg, einer ganz netten talnahen Wanderung. Diesmal fuhren wir am 20. Oktober von St. Gertraud auf einer schmalen Bergstraße weiter bis zum großen Weißbrunnsee. Ohne diesen Stausee gäbe es wahrscheinlich keine Möglichkeit, bis zum Ausgangspunkt auf 1900 m aufzufahren, wenn auch auf einer asphaltierten und für den öffentlichen Verkehr freigegebenen ehemaligen Werksstraße. Mit Glück hat man keinen Gegenverkehr oder begegnet ihm gerade bei einer Ausweiche… Los ist hier (vor allem im Vergleich zum Sommer) überhaupt nichts, die vor Jahrzehnten mit dem Kraftwerksbau entstandenen “Hotels” sind womöglich nicht einmal in den Sommerferien belegt, trotzdem “Ausflugszielcharakter”. Mit den ersten Schritten in den Lärchenwald hinein, ist jedoch wirklich nur mehr Natur zu spüren.
Sogar das Marterl ist schon im “Winterschlaf”, und nur mehr wenige Wanderer sind unterwegs, die Jahreszeit ist einfach schon zu weit vorgeschritten, aber nur jetzt erlebt man die “goldenen Lärchen”, bevor sie mit dem ersten Schnee ihre Nadeln verlieren. Frost hat es schon gegeben, stellenweise ist sogar noch am späten Vormittag der Boden vereist. Vom aufgestauten Weißbrunnsee, dessen Wasser später talaus noch einmal in einem (jetzt herbstlich leeren) Stausee aufgefangen wird, führt eine Werksseilbahn hoch hinauf zum Grünsee. Der Wanderweg dorthin ist wegen Wintersperre der Höchster Hütte aber nicht begangen, und der Übergang übers Zufrittjoch ins Martelltal wird so spät auch nicht mehr gemacht. Unser klassisch gut ausgebauter Treibsteig wendet sich ohnehin einem näheren Ziel zu. Durch Lärchen-Zirben-Bestände geht es in gemächlichen Kehren hinauf zur Almhütte auf der Mittleren Weißbrunnalm.
Hier befinden wir uns schon in den weiten Karflächen, die oberhalb der Steilstufe vom Tal herauf sich hinzieht bis zum Anstieg der Grate und Gipfel. Im Juni 2006 sind wir ebenfalls hier heraufgewandert, allerdings bei drohenden Gewitterstimmungen, gerade noch bis zur Oberen Weißbrunnalm, wo die Passübergänge nach Rabbi im Val di Sole hinüberführen. Heute wollen wir den kleinen Fischersee aufsuchen, denn hier ist derzeit die ideale Höhe fürs “Lärchengold”, und außerdem haben wir diesen Seitenweg nicht in Erinnerung.
Über einen Hügel zum Seeufer und auf dem kurzen Steindamm weiter, wo ein extrahübscher Rundgang um den See anschließt.
Die alpine Szenerie ist perfekt, Vordergrund mit Seeufer, das die Gipfel im Hintergrund spiegelnde Wasser, dazu ein perfektes Licht – kein Wunder, dass wir vor lauter Fotomotiven schon fast überwältigt werden!
Hier unsere gemischten Bilder!
Die schönste Mittagszeit verfliegt nur so im Oktober, daher gehen wir nicht noch zur Oberen Weißbrunnalm hinauf, sondern folgen dem Zulauf des Fischersees…
Am Rand der spätherbstlich fahl färbigen Wiesen umrunden wir den Kessel der Mittleren Weißbrunnalm und zielen die alte Kaserhütte an, ununterbrochen die schönsten Ausblicke und Lärchen in allen Gestalten, allesamt goldgelb.
Auf der Bank hinter der arg zerfledderten Hütte – nur der Blockbau aus dicken Lärchenstämmen hält sich noch aufrecht – gibt es endlich die verspätete Mittagsjause, Panorama inklusive!
Im Nachmittagslicht geht es dann an den Abstieg, vorbei an der Hütte der Mittleren Weißbrunnalm und hinein in den traumhaft in den späten Sonnenstrahlen leuchtenden Lärchenwald.
Beim Weißbrunnsee angekommen, ist nur mehr spannend, wie die Talfahrt auf der schmalen Bergstraße nach St. Gertraud gelingt – alles bestens, kein Gegenverkehr! Und die Ultentalstraße kommt uns dann schon fast wie eine Autobahn vor… Immer noch ist der Tag klar und schön, wohl DER Höhepunkt dieses Herbstes!