Tourenbuch Dalmatien II: Unterwegs nach NIN
10. Juli 2017 von Bernhard Baumgartner
Sandbucht – Sumpfwiesen – Karsthügel
Das nördlich von Zadar an einer Meeresbucht gelegene Nin ist eine der ältesten und historisch bedeutendsten Siedlungen des kroatischen Küstenlandes. Von der Frühgeschichte unter den Illyrern über das römische Municipium Aenona bis zu den Venezianern, die es im Kampf gegen die Türken zerstörten, reicht die nach dem Wiederaufbau 1699 nicht wieder gewonnene Blütezeit dieses heute museal wirkenden Touristenziels. Um 800 von fränkischen Missionaren christianisiert, entstand hier die “kleinste Kathedrale der Christenheit” als vollständig erhaltenes Beispiel altkroatischer Baukunst, die Kirche Sveti Kriz (Heiligkreuz) aus dem 9. Jahrhundert.
Wir haben bereits 2014 Nin besucht, wirklich eindrucksvoll, also ging es diesmal mehr um die Umgebung, die sich zwischen der Küste bei Zadar und dem Velebit-Kanal ausbreitet. Diese Ravni kotari genannte Halbinsel setzt sich als schmaler Landstreifen nordwärts, immer gegenüber dem Velebitgebirge in der Insel Pag fort.
Dienstag, 9. Mai
Der Regen vom Vorabend hat zwar aufgehört, ist aber von einer ganz schön heftigen Bora abgelöst worden. Dieser Nordostwind stürzt vom Velebitkamm über 1500 m herab zum Meer und erreicht als Fallwind erschreckende Windstärke – gut dass wir unser Apartment an der Meerseite haben, denn bergwärts könnten wir kaum ein Fenster oder geschweige denn die Balkontüren öffnen. Wir kennen dieses Wetterphänomen schon gut genug um zu wissen, dass Richtung Zadar sicher aufgelockerte Bewölkung und nur mäßiger Wind zu erwarten sind. Vielleicht geht sich sogar bereits der Besuch eines etwas geschützten Strandes aus…
Wir folgen zuerst der Hauptstraße Richtung Zadar, werden aber kurz nach der Maslenica-Brücke (im Jugoslawienkrieg zerstört, nun ein beliebtes Objekt für Seilspringer!) auf eine Umleitung befördert. Ursache ist eine Baustelle in Posedarje (später benützten wir gleich die nur wenige Kuna kostende Autobahn), und wir müssen auf den Berg oberhalb des kleinen Ortes Vinjerac hoch hinauf (direkt gegenüber von Seline und Starigrad). Bei der Kirche von Gornja Slivica halten wir an und schauen uns auf den kargen Fluren etwas um – erfolglos, denn es gibt nur von Schafen abgefressenes Gras, Steinböden und vertrocknete Dornstrauchhecken. Dass sich ein großer Baum (wie im Bild) halten kann, erscheint fast als Wunder! Bald geht es also weiter, hinab ins Tal mit der Hauptstraße Richtung Pag und diese rechts entlang. Nun kommen wir in eine freundlichere Landschaft – auf den Hügelketten hält sich etwas Wald, die Mulden dazwischen sind aber eher feucht, und wo kein Bambus oder Schilf wuchert, gibt es sogar kleine Felder und Weingärten. Unser Ziel ist nun die Bucht von Ljubac, und die Fahrt dorthin über den verstreuten Ort Radovin ist sogar recht abwechslungsreich. Hier könnte man überall im Gelände herumbummeln, gelb leuchtende Ginsterbüsche und verschiedenes Grün verlockt dazu, aber wir wollen zu “unserer” Sandbucht.
Von einer Anhöhe öffnet sich der Blick auf die südliche Bucht des Ljubacki zaljev, die für ihren flachen Sandstrand berühmt ist. Im Internet findet man dazu nur Unmengen von Ferienquartieren, aber nichts sonst Wissenswertes. Wir haben 2014 bei der Rückfahrt von Pag dort Station gemacht und gleich den Paski sir und die krossen Brotweckerl aus der dortigen Bäckerei verkostet, dabei auch das alte Ortszentrum von Ljubac mit der nostalgischen Kirche gesehen und weiter oben auf den Hügeln die angeblich auch alte Kirche Sveti Gospa. Da sind wir nun!
Bei dem schlichten Bau handelt es sich um die Friedhofskirche der Umgebung, in deren Umfriedung sich die eigenartigen “Kistengräber” aus älterer bis in neueste Zeit befinden. Berückend ist vor allem die Aussicht – wenn hier ein Fischer begraben ist, könnte er sich fühlen wie ein Alpenmensch in einem Bergsteigerfriedhof…
Durch den Wechsel von hartem verkarstendem Kalk und wasserhaltenden Sandsteinschichten ergibt sich ein kleinräumiges Relief von Steinriegeln und Feuchtmulden, wobei letztere botanisch zu diesem Zeitpunkt am interessantesten sind. Denn überall auf solchen Flächen blühen Unmengen von Locker- oder Armblütigem Knabenkraut (Orchis laxiflora, entspricht dem mitteleuropäischen O. palustris). Bald darauf wandern wir über die Sandflächen der Bucht von Ljubac, ähnlich jenen von Nin, wo der “Heilschlamm” kurmäßig angewendet wird. Hier sind es eher Bade- und Feriengäste, ideal für Nichtschwimmer, denn man muss elendsweit ins Wasser hinauswandern, um den Boden unter den Füßen zu verlieren…
Neben einem Lokal am Strand sehen wir dieses eigenartige Gehölz (mit den Früchten vom Vorjahr?), neben den Sandflächen erstrecken sich landwärts Feuchtgrasbestände, einzelne Tamarisken daneben – und alles menschenleer! So aber nur Mitte Mai, denn bald wird der Ansturm von Gästen beginnen… Über den nächsten Höhenrücken geht die Fahrt weiter, inzwischen ist es heiß geworden, und Wolken gibt es nur im Stau hinter dem Velebit. Das Gelände der Ravni kotari ist eine leicht hügelige Hochebene mit devastiertem Niederwald- und Buschwuchs, überaus öde und einförmig, bis endlich die nächste Ortschaft in Sicht kommt. Die gar nicht so unansehnliche Gemeinde heißt Vrsi und gehört schon zum Einzugsgebiet der westlich davon an der Meeresbucht gelegenen Stadt Nin. Dorthin aber wollen wir noch nicht…
Unser Ziel ist die äußerste Landspitze dieses Hügelrückens, und sobald wir uns durch die engen Gassen von Vrsi durchgezwängt haben und an einem irgendwie nationalen Denkmal vorgekommen sind, geht es hinab in eine weite Muldenlandschaft. Wie ein Paradies wirkt hier die Natur nach der kargen Hochfläche, schon gibt es Weingärten und Felder und endlose Wiesen im Rot der Knabenkräuter und einer hübschen blau blühenden Pflanze. Noch nie haben wir einen solchen Eindruck erlebt!
Danach erhebt sich wieder ein steiniger Höhenrücken mit einer markanten Kirche, im Hintergrund das Velebitgebirge immer mit Wolkenstau. Wie es weitergeht, haben wir schon an den zahlreichen Lastautos gemerkt – jenseits der Anhöhe endet die Asphaltstraße bei einem überdimensionalen Steinbruch. Wir holpern weiter bis zum nächsten Aussichtspunkt, dann ist sozusagen die “Welt zu Ende”, wie die beiden gegensätzlichen Panoramen zeigen:
Es geht wieder zurück nach Vrsi und – alle Abzweigungen zum Strand und Heilschlamm verschmähend – bis zu den Salinenbecken an der Stadtmauer von Nin. Mit den historischen Bauten halten wir uns nicht auf, sondern kehren im schattigen Hofgarten des Restaurants Sokol ein, um uns für den Rest der Fahrt zu erholen. Denn zurück nach Starigrad ist es noch ganz schön weit, zumal wir auf der Hauptstraße die Umleitung durch Posedarje auskosten müssen (statt gleich die Autobahn zu benützen). Dass wir an diesem Tag noch abends bei der Mala Paklenica vorbeikommen, ist schon eine andere Geschichte….
Bei der Ausfahrt von Nin sehen wir noch ein weiteres einzigartiges Denkmal – auf einem Tumulus die Wehrkirche Sveti Nikola aus dem 11. Jahrhundert, auf deren kleeblattförmigen Bau in der Türkenzeit ein Wachturm gesetzt wurde.
1 Reaktion zu “Tourenbuch Dalmatien II: Unterwegs nach NIN”
Die hübsche blaue Blume zwischen den Lockerblütigen Knabenkräutern heißt: Amethyst-Blaustern / Chonardia litardierei, aus Englisch übersetzt – Dalmatinische Scilla, italienisch Scilla di litardiere
Die Bestimmung verdanke ich: Moni Losem / Kroatiens-Fauna-und-Flora.org
Besten Dank und für speziell Interessierte empfehlenswert!