Malta-Tagebuch 20. April 2016: Tuffieha Bay
20. Mai 2016 von Bernhard Baumgartner
Gleich am nächsten Tag nach der ersten Wanderung bei Marsascala gerlegten wir unser Ziel an die entgegen gesetzte Seite der Insel – vom Osten in den Westen. die Anfahrt sogar noch einfacher, ja wenn, wenn der Bus 225 endlich kommen würde! Diesmal hatten wir bei bestimmten Buslinien bis zu einer Stunde Wartezeit, und noch dazu kaum übereinstimmend mit dem ausgehängten Fahrplan. Was uns dennoch verlockte – die ersten Badenden in der St. Thomas Bay, und unsere schönste Badebucht – Gjain Tuffieha Bay, der Nachbar zu “Golden Sands” (Golden Bay unterhalb der Raddison Hotels, maltesisch unaussprechbar – Ramla tal-Mixquqa, klingt fast aztekisch… aber jedenfalls sehr exotisch und interessant).
Von zwei Kaps eingefasst wirkt Tuffieha Bay wie eine ruhige Lagune mit vielfältigem Blau. Der Farbcharakter zeigt jedoch – die Natur präsentiert sich wie im Nachsommer, das heißt nach der sommerlichen Trockenheit und kaum einem Hauch von Frühling wie im letzten Jahr:
Mit Fertigstellung der nördlichen Küstenstraße ist auch die Busroute verändert und führt jetzt nicht mehr über Naxxar und Mosta nach Mgarr. Sondern wir kommen von St. Paul durch das “Pwales Valley”, also durch das “Paulustal” direkt zum Ausstieg beim “Goldstrand”. Das lange Warten hat sich gelohnt, immerhin haben wir einen schönen Sitzplatz. Trotzdem – erst vor Mittag am Ziel, und das Wetter ist zwar schön zum Wandern (gering bewölkt, 22 bis 24 Grad, aber heftiger Wind – fast typisch!), aber keine Idee zum Baden oder Strandliegen…
Wir fahren nicht bis zu dem an der Tuffieha Bay gelegenen Ausstieg weiter, sondern sind froh, uns gleich einmal bewegen zu können. Daher nicht hinab zur Golden Bay, sondern am verlockenden “Apples-Cafe” vorbei und bei einer Art Gärtnerei mit Naturschutzprojekt abzweigend zur uns schon oft bekannten Route Richtung “Tower”. So friedlich heute diese großartige Küstengegend erscheint, die im Cafe hängenden historischen Bilder zeigen üblere Zeiten (Lazarett-Zeltlager und Küstenbatterien während des 2. Weltkriegs). Auf den Klippen (wie im vorigen Bild mit Tiefblick zur Tuffieha) müssen wir uns schon gehörig anspreizen, so scharf pfeift der Wind von Nordosten über die Inselfläche heran! Also stehen wir wieder vor der langen Stiegenreihe, die in die Bucht hinabführt, vor der Wahl – gleich zum Strand oder die Querwege oberhalb der Bucht begehen? Diesmal entscheiden wir uns für den uns noch nicht bekannten Aufstieg entlang der Bergkante auf einen nur wenig hervorstechenden Gipfel – typisch für Malta, wo Berge mehr aus Abgründen als aus Gipfelformen bestehen.
Die Natur schaut aus wie bei unserem Aufenthalt im Oktober 2014, nur dass es damals heiß war! Jetzt geht man beschwingt und oft vom Rückenwind getrieben dahin, vom Sattel nach dem Gipfel (hinter dem Felszacken im Bild) auf Hangwegen querend weiter. Der Blick auf das Meer mit seiner fantastischen Färbung entschädigt für den fehlenden Blumenschmuck einigermaßen, und die Landschaft ist wirklich ein kaum zu übertreffender Höhepunkt Maltas.
Zwischen Tuffieha Bay und der südlich davon gelegenen Gjeina Bay erstreckt sich von der Hochebene über der Küste mit ihrem steilen Felsabsturz ein Seitengrat meerwärts. Dieser gipfelt in einem Tafelberg mit allseits senkrechten Abstürzen. Dabei ergibt sich ein höchst anschauliches Bild der Geologie Maltas: Zuhöchst die starren Platten der Korallenkalke, darunter die leicht verwitterbaren Sandsteine mit grünlichen und orangefarbenen Einlagerungen und sogar flyschartig abrutschenden plastischen Gesteinsmassen, die oft murenartig zwischen unterhalb der harten Kalke hervorquellen.
Hier befinden wir uns am Grat zwischen den harten Kalkblöcken und den weicheren und stark verwitternden Gesteinsmassen, die den Kamm zum schroffen Karabba formen. Links (südwärts) schweift der Blick über die Gjeina Bay und der Pellegrin Halbinsel im Hintergrund ab (dahinter liegt noch weiter südlich die Fomm ir-Rih Bay, von der wir im Vorjahr so begeistert waren). Unten am Strand formen die wie abgewaschen wirkenden, aber doch sehr festen Sandsteine (sie sind ja das hauptsächliche historische Baumaterial der Insel) bizarr geformte Klippen und Felsvorsprünge. Aber dazwischen erstrecken sich (geht man nicht oberhalb über die Kalkklippen zur Gjeina Bay) die zerbröckelnden Massen der Flyschschichten. Sie zu begehen ist eigentlich unmöglich, obwohl wir einen kühnen Wanderer durch eine steile “Rutschen” sich hinunter bewegen sahen (wir hätten uns das wegen der Haltlosigkeit in einer solchen Rinne nicht getraut).
Das relativ einfach strukturierte Gelände fordert zum geologischen Beobachten förmlich heraus, noch dazu, wo es immer wieder Fossilien zu entdecken gibt. Nun wenden wir uns aber dem Abstieg über den Seitenkamm Richtung Karabba zu.
Zwischen letzten, vom Plateaurand herabgestürzten Blöcken hindurch schlüpfend erreichen wir die wie eine Mischung zwischen Dünen und erstarrten Murströmen wirkenden Abschnitte unterhalb. Auf diesen Rundbuckeln, die uns sehr an die “Bratschen” der Kalkglimmerschiefer in den Hohen Tauern erinnern, gelangen wir zum breiten Sattel zwischen den Klippen der Hochfläche und dem Tafelberg Karabba. Links geht es haltlos hinunter in die Bucht der Gjeina, wo sogar “goldener” Sand heraufleuchtet, anscheinend auch das Ziel abenteuerlustiger und wagemutiger Wanderer!
Die der Tuffieha Bay zuwandte Seite ist etwas gegliedert und ermöglicht einen einfachen Abstieg zum Strand, wobei es sicher attraktiv wäre und auch viel benützt wird, um den Karabba herumzugehen oder vielleicht sogar hinauf zu klettern (es soll sogar Hasen oben auf dem Tafelberg geben). Wir ziehen den Strand vor und wandern dann die Bucht entlang bis zum Ziel “Lido – Riviera Martinique”….
Müsste man nicht an das Gepäck denken (schon bei der Autobusfahrt und erst recht im Flieger), müsste man hier unendlich viele interessante Steine sammeln (Muscheln gibt es nur wenige). So können wir nur den weichen Sand genießen, der wirklich fast goldfarben wirkt. Aufpassen ist nur angesagt, wenn man beim ins Wassergehen vor einem Wust von Seegras ankommt, sonst ist das Wasser kristallklar und von unglaublichen Blautönen!
Wenn wir an die schönen Badetage im letzten Oktober oder gar an die Blütenfülle um Ostern 2015 denken und noch dazu das Gefühl hegen, womöglich nie mehr hierher zu kommen – das neigt eher zu Traurigkeit. Aber dafür ist kein Platz hier, denn im “Lido”, wie sich das kleine buffetartige Strandrestaurant nennt, gibt es schon wieder einen komischen Zwischenfall: Der Wind stürzt so ungestüm in die eigentlich geschützte Bucht herab, dass alles fliegt – Bierdosen, Servietten selbstverständlich, unachtsam hingelegt Hüte und sogar der auf die Pizza gestreute Ruccola! Rückweg wie zuletzt zur Autobushaltestelle bei der Golden Bay, denn von dort fährt der Bus ab, und es gibt sichere Sitzplätze – ganz wichtig für die lange Strecke der Rückfahrt…