Charles Sealsfield und das Festspielhaus St. Pölten: Zweimal “Wilder Westen” – eine ?zufällige? literarisch&musikalische Parallele
1. Oktober 2012 von Bernhard Baumgartner
Zwischen den Berichten von den “Schwanberg-Tagen” eine für mich recht bewegende Episode: Gestern das Jubiläumskonzert 15 Jahre Festspielhaus in St. Pölten, Programmthema “Neue Welt” – Bernstein, Ouvertüre zu “Candide” / Gershwin, Konzert für Klavier und Orchester in F-Dur mit Rudolf Buchbinder !!! / Antonin Dvorak, Symphonie Nr. 9 in E-Moll op. 95 “Aus der Neuen Welt”. Fulminant dirigierte Andres Orozco-Estrada die Tonkünstler Niederösterreich. Ein musikalisches Erlebnis wie für einen Alpinisten das Matterhorn oder noch höher…
Am selben Tag hatte ich dieses mir zufällig zugekommene Buch ausgelesen und befand mich irgendwie noch immer in der “Neuen Welt”, eigentlich im “Wilden Westen”…
Es handelt sich dabei um den bereits 1829 erschienenen Roman “Tokeah oder die Weiße Rose” von Charles Sealsfield, der in überarbeiteter Form 1974 bei der Verlagsbuchhandlung Julius Breitschopf in Wien als Lizenzausgabe für “Jugend Heute, Internationale Verlagsgesellschaft mbH, Wien” erschienen ist. Zur besseren Lesbarkeit des Originaltextes überarbeitet von A. Haberkalt. Obiges Bild zeigt den Sealsfieldstein bei Poppitz mit dem Thayafluss (nahe Znaim), wo sich ein Denkmal für den Dichter befindet.
Wir hatten bei einer Wanderroute im mährischen Thayatal diesen Sealsfieldstein besucht, und daher füge ich einige Bilder zur Illustration aus diesem Wandergebiet bei. Die folgenden stammen aber nicht von Znaim und Umgebung, sondern vom ebenfalls mährischen Nikolsburg und den Schlössern Eisgrub und Feldsberg (ein Artikel darüber, und über die Pollauer Berge, im Granatapfel-Jahrbuch 2012). Weil es für mich einfacher ist, verwende ich die Ortsnamen nicht in tschechischer Sprache, wie sie jetzt gelten, sondern die Bezeichnungen aus der gemischtsprachigen Zeit Südmährens.
Der Dichter der Romans “Tokeah” hat eine ganz interessante, bewegte Lebensgeschichte: Er wurde als Sohn eines Weinbauern und Dorfrichters als Carl Anton Postl 1793 in Poppitz bei Znaim geboren. 1823 flüchtete er (aus ungeklärten Gründen, wie es bei Wikipedia heißt) in die USA. Dort veröffentlichte er 1829 den Roman “Tokeah”, in dem es um das dramatische Leben eines Indianerhäuptlings und seiner “angenommenen” weißen Tochter Rose geht. In der überarbeiteten Fassung (wie vorher erwähnt) vermittelt der Roman neben der spannenden Handlung auch den psychologischen Hintergrund und die Zeitereignisse. Vor allem durch dieses Werk erlangte Carl Anton Postl unter dem Namen Charles Sealsfield Weltberühmtheit (ausführliche Informationen sind in Wikipedia nachzulesen).
Ein für das damalige Habsburgerreich äußerst brisantes Werk verfasste Charles Sealsfield (die Autorenschaft gab er erst viel später preis) 1828 mit dem Titel “Österreich, wie es ist” – eine kritische Abrechnung mit dem Regime Metternich, weshalb er sogar von der österreichischen Geheimpolizei verfolgt wurde. Etwas zwiespältig wirkt die Tatsache, das Carl Anton Postl bei einem Europaaufenthalt (vor allem in London) 1826/27 dem österreichischen Kanzler Metternich vergeblich seine Dienste als Geheimagent angeboten hatte…
In späteren Jahren ließ sich Charles Sealsfield in der Schweiz nieder und starb 1864 in Solothurn. Mit dem Schloß Feldsberg / Valtice oben und dem Minarett im Schlosspark Eisgrub / Lednice schließe ich meinen Bericht über den Dichter des berühmten Indianerepos “Tokeah” und zugleich einen Wandervorschlag in dessen südmährische Heimat. Die Tour ist auch in meinem Buch “Wandererlebnis Waldviertel mit Wachau Südmähren” nachzulesen, samt der hier abgebildeten Wanderkarte und der Hängebrücke zum Weingarten Sobes, über die Anni gerade marschiert – erschienen (wie von mir nun immer) bei meinem ambitioniertesten Verleger Herrn Robert Ivancich im Kral-Verlag 2012.
Im selben Verlag empfehle ich besonders auch das neue Buch von Frau Dr. Margarete Kowall “Unser Gölsental” mit den prächtigen Bildern vieler Gölsentaler “Geheimplätze” von Frau Brigitte Karner-Fritz.
1 Reaktion zu “Charles Sealsfield und das Festspielhaus St. Pölten: Zweimal “Wilder Westen” – eine ?zufällige? literarisch&musikalische Parallele”
Tja, lieber BB
Spamwort “Fingerzeig” : ja, ich zeige – eigentlich unhöflich – mit dem Finger auf Deinen Artikel und sage “suprig” !
HB