Naturerlebnis an der “Oberen Adria” – Valle Vecchia
11. Juni 2010 von Bernhard Baumgartner
Vorgeschichte I : Bei unserem Badeurlaub in Bibione Anfang September vorigen Jahres (wie meistens nach einer Bergwoche eingeplant) bummelten wir über die an Bibione Pineta anschließenden Sandflächen zur Einmündung der Lagune von Porto die Baseleghe. Dort erstreckte sich gegenüber eine Küste ohne Hoteltürme und sonstige touristische Objekte.
Vorgeschichte II : Bei der Fahrt nach Jesolo, wo wir Astrid & Andreas & Bernie & Veronika besuchten (im selben Hotel, das wir jetzt gebucht hatten), fielen uns in Lugugnana die Hinweisschilder zu einem Natura2000-Gebiet auf. In dieses “Valle Vecchia” unternahmen wir dann einen Ausflug, durch einen Regenschauer etwas beeinträchtigt, aber eindrucksvoll durch den völlig naturbelassenen Strand samt Dünen, Wasserrinnen und Pinienwald dahinter, etwas bunt vom lila blühenden Schmalblättrigen Strandflieder. Dort müsste es auch im Frühsommer herrlich blühen, und wir hatten ohnehin nur den kleinen Rundweg an der gegen Bibione gelegenen Seite gemacht. So kam das Valle Vecchio in unser Urlaubsprogramm für Anfang Juni 2010 (wieder anschließend an eine Wanderwoche in den Kärntner Bergen).
Jetzt kommen wir zur Naturtour ins Valle Vecchia!
Die Zufahrt: 1. Juni, ein herrlicher Sonnentag, aber im Gegensatz zum Vortag (Besuch von Venedig und Murano) schon etwas höher temperiert. Auf der Staatsstraße 42 von Jesolo bis Lugugnana, noch im gut ausgestatteten Supermarkt vor der Abzweigung eine Jause gekauft (Panini und Nostrano, gleich ein Fläschchen Grappe zur Sicherheit dazu). Bei der Ampel geht es südlich weg Richtung Brussa und bei Castello di Brussa, an einer wieder beschilderten Abzweigung, scharf links. Geradlinig zieht die Straße dann meerwärts, vorbei an (noch) geschlossenen Lokalen.
Über einen breiten Kanal, der Porto Baseleghe (bei Bibione) und Porto Falconera (bei Caorle, zu dieser Gemeinde gehört das Schutzgebiet) verbindet, führt eine hohe Brücke. Gleich danach befinden sich links (westseitig) zwei große Teiche mit Beobachtungsanlagen, in dieselbe Richtung zweigen Fahrwege ab, über die man zur Falconera kommt (dort sahen wir vom Beobachtungsturm aus mehrere Autos stehen, nahmen aber leider diese Zufahrtsmöglichkeit nicht wahr!). Rechts (östlich) fährt man an einem Idrovora (Pumpwerk für die Entwässerungskanäle) vorbei zum Museum. Geradeaus folgt – bei unserem Besuch eine unliebsame – Überraschung: Die von einem abgeschrankten Rad- und Reitweg begleitete Sandstraße dürfte gerade zum Asphaltieren vorbereitet werden, wir passieren sie in einer ungeheuerlichen Staubwolke! Dann kommt rechts das riesige Parkplatzgelände (Schranken, Gebühr, dort Prospekt mit deutschsprachigem Beiblatt erhältlich). Wir suchen nahe einer großen Schilfhütte ein in weiterer Folge schattiges Plätzchen und rüsten uns für die schon gespannt erwartete Wanderung.
Die Wanderung zur “Zona umida Falconera”
Weil wir im Vorjahr schon die östliche Runde (Richtung Bibione) begangen haben, wollen wir diesmal die Gegenrichtung (auf Caorle zu) erkunden. Vor dem Hauptzugang (Nr. 1 / Prügelweg zum freien Strand und Lehrpfad) halten wir uns rechts (westlich) und kommen am zweiten Zugang zum Strand vorbei (im Plan Nr. 2). Der sandige, mitunter von den letzten Regenfällen etwas morastige Fahrweg führt zwischen dem Pinienwald an der Meerseite und einer von Riedgräsern und Büschen bewachsenen mehr oder minder feuchten offenen Fläche (im Hintergrund landwärts Feldflächen auf trockengelegten Böden) dahin. Das zieht sich, trotz Schatten von den Pinien, aber vor allem, weil uns zahlreiche aggressive Gelsen umschwirren – hoffentlich keine Moskitos, denn in den Sumpfniederungen der Adria (wie in Istrien) war früher sogar die Malaria verbreitet! Fest “wacheln” und klatschen, vor allem dicht angezogen trotz der hohen Temperatur, so geht es weiter. Vorbei an einem letzten gut gangbaren Strandzugang (etwa auf halber Strecke zur Falconera), dann wird der Rand des Pinienwaldes immer dichter verwachsen. Blütenerlebnisse sind spärlich – Osterluzei fällt auf, noch weiter vorne rechts einige schöne Sumpfgladiolen, sonst alles (für uns erstaunlich) abgeblüht, von den erwarteten Orchideen kaum eine Spur!
Nach etwa einer Stunde, die uns schon recht lang vorkommt, gelangen wir zu den ersten interessanteren Punkten (Nr. 6 und 4). Rechts weg werden bald beiderseits verschilfte Wasserflächen erreicht, wobei ein auffliegender Pupurreiher (?) kurz zu sehen ist. Westseitig befinden sich Schilfmattenwände als “Tarnung” für die Besucher, mit dem Fernglas ist ein Silberreiher schön zu beobachten. Von diesem ausgemähten kleinen Rundkurs wieder zurück zum Hauptweg, folgt bald die Abzweigung zur Falconera – auf einem Damm zwischen mit Schilf umstandenen Wasserflächen zu einem hohen Beobachtungsturm (Nr. 5). Dieser bietet die schönsten Erlebnisse, wie in den Bildern festgehalten – verschiedenen Enten und Schwäne, ein eindeutig zu indentifizierender Seidenreiher (noch nie gesehen) und ein überraschender “Schwimmer”: Momentan kommt mir dieser wie ein Krokodil vor, aber es ist ein Pelztier mit langem Schwanz (also kein Biber), eigenartigem Kopf (Fischotter ?) und von beachtlicher Länge (Vergleich das Entenbrett, also samt Schwanz sicher mehr als ein Meter Gesamtlänge – vielleicht doch nur eine Bisamratte, aber die sind doch kleiner und sollten einen “Rattenschwanz” haben ?). Zusätzlich angenehm – in der schattigen und von Gelsen freien Turmstube (auch Wespenwarnung war unzutreffend) können wir gemütlich jausnen.
Inzwischen ist schon Mittag längst vorbei, vor 14 Uhr soll es weitergehen – aber wie? Die Zufahrtsmöglichkeit mit dem Auto zu einem Parkplatz nördlich der Falconera (dort steht sogar ein Wohnmobil neben anderen Fahrzeugen) haben wir nicht “kapiert”, daher müssen wir wieder zurück zum großen Parkplatz. Aber vielleicht doch an der Küste entlang? Also trotz Hitze auf dem Fahrweg weiter, bis wir am Damm bei Porto Falconera anstoßen – jenseits der Lagune schon Strandgelände als Auslauf von Caorle, aber in unserer Richtung zum Strand alles dschungelartig verwachsen (ein Einheimischer bestätigt uns, dass hier kein Weg ist). So marschieren wir mit “Expeditionsgefühlen” den langen Fahrweg zurück, etwas mehr Sonne, aber kaum weniger Gelsen. Die ersten schmalen Abzweigungen Richtung Strand verlieren sich im Pinienwald bzw. verschilften Mulden, erst den wirklich einladenden Weg (leider keine Bezeichnung) nehmen wir und kommen auf guter Spur aus dem Pinienbestand heraus in die vor den Stranddünen eingelagerte Mulde. Diese geht es östlich entlang, ein feinsandiger Weg, begleitet von allerhand Grasbeständen, dazu erste Blumen – ein zartrosa Lein, die attraktive Strand-Winde, der Europäische Meersenf und die eben erst aufblühende Stranddistel (Eryngium marittimum, eine dekorative Mannstreu-Art), alles im rieselnden Feinsand.
Die Strandwanderung
Der Strand, wohin wir bald abzweigen, ist hier wirklich naturbelassen und schaut daher entsprechend aus – Holzreste, Seegras, herbeigeschwemmter Mülle jeglicher Art, wegen dem geringen Gewicht selbstverständlich vorwiegend Plastik, was nur irgendwo ins Meer geschwemmt wurde. Trotzdem ein herrliches Dahinwandern, am besten barfuß an der Wasserlinie, immer wieder Unmengen von Muscheln, dazu hübsch gischtende Wellen und Fernblick – bis Istrien mit dem Berghorizont der Cicarija und der hohen Ucka – wirklich ein “Monte Maggiore”, mit dem Fernglas erkennt man sogar Cres und Losinj!
Nach einer Rast mit den Jausenresten nehmen wir den Ausgang vom Strand durch den Pinienwald, zwar zwischen Holzgeländern, aber leider der “secondo” (Nr. 2) – also zu früh, für den Hauptausgang hätten wir noch ein Stück am hier schön geräumten Strand zum Wandern gehabt. So bleibt uns noch eine gar nicht so kurze Strecke am Fahrweg, und wieder sind wir eine begehrte Beute für die Stechmücken! Aber was soll´s – insgesamt ein ungewöhnliches Naturerlebnis, das wir hier hinter uns haben! Insgesamt waren wir mit Rast und Beobachtungsaufenthalten fünf Stunden unterwegs.
Nachtrag zu dieser Beschreibung: Naturwanderungen haben wir schon immer bei unseren Badeaufenthalten unternommen – zum Leuchtturm an der Tagliamentomündung von Bibione aus (noch bevor dort eine Naturschutzgebiet eingerichtet wurde) und sogar mitten in Lignano Pineta und Riviera, wo es abseits der Siedlungen ganz interessante (aber nicht bekannte) Naturzonen gibt und sogar im Pinienwald bei den Strandzugängen im Mai die herrlichsten Orchideen blühten (die haben uns ja auch – vergeblich – ins Valle Vecchio gelockt).