Istrien´s “weiches Herz” und das Kleinod Draguc
11. Mai 2010 von Bernhard Baumgartner
Vom Landschafts-Charakter und dem geologischen Aufbau her wird die Halbinsel Istrien in drei typische Zonen eingeteilt: An der Westküste das “Rote Istrien” wegen der auffallend roten Erde über den oft knapp darunter liegenden Kalkplattenböden (nichts Politisches !). Im Bergland des Ostens das “Weiße Istrien” wegen der weithin hell schimmernden Kalkfelsen, die in langgestreckten Mauern zwischen den eingelagerten Tälern und Hochmulden (dort “weichere” Flyschgesteine) dahinziehen.
Im Herzen des Halbinsel liegt das “Graue Istrien” – eigentlich müsste es “Braunes Istrien” heißen, denn unter dem erodierten Kalkgestein kommt hier ein bräunlich-ockerfarbenes Gemisch von Mergeln und Sandsteinen samt blaugrau anlaufenden Mergelkalken zum Vorschein. Diese flyschartigen Gesteine verwittern im Gegensatz zum harten Kalk sehr intensiv und formen durch Abschwemmung eigenartige, von Rillen und Rippen durchzogene Böden, die oft wie Sanddünen wirken. Für uns ist dieses eigenartige Gelände mit seinen abgerundeten Bergformen eigentlich das “weiche” Istrien. Weniger hoch als die Kalkberge, ist das Land zwischen den Flüssen Mirna und Rasa auch klimatisch begünstigt, und allenthalben trifft man hier auf Weinbau und Olivengärten. Östlich von Motovun wurde ein ganzer Talkessel – die Butoniga (vielleicht heißt das auch nur Bassin) – aufgestaut und dient als Trinkwasserreservoir des westistrischen Küstenlandes. Oberhalb von diesem fjordartig verzweigten Gewässer reihen sich auf den Berghöhen kleine Dörfer aneinander, dazwischen einzelne bewaldete Erhebungen, und überall finden sich Abzweigungen in die entlegenste und idyllischeste Einschicht.
Vrh – das Dorf auf dem Berg heißt “Berg”
Von Motovun hinab mit einigen Kehren hinab zur Mirna, talaufwärts (Richtung Istarske Toplice, einem Kurbad inmitten hoher Felsen, wenig abseits der Straße nach Buzet) nach der Butonigabrücke (doch ein Seitenbach) die Abzweigung zum Staudamm. Und gleich geht es steil bergwärts mit immer schöneren Ausblicken – im Südosten bis zur wolkenverhangenen Ucka – zum Dorf Vrh. Alte Häuser um einen kleinen Platz, kurz vorher die schön hergerichtete Volksschule (!) und die Kirche mit einem glagolitischen Stein (aus dem frühzeitlichen Kroatien) im Innern. Von 360 m senkt sich die Straße nach Sveti Donat (St. Donatius ist ein Weinbaupatron) und biegt an einer Kreuzung (Richtung Buzet) zum südlichen Höhenrücken hinüber. Dazwischen kraxeln wir auf Orchideensuche über einen dicht bewachsenen Waldkegel, aber die Hauptblüte dieser “Wunschblumen” erfolgt offensichtlich an den Straßenrändern! Die Höhenstraße erreicht schließlich…
… unser Ziel, das historische Dorf Draguc
Ein antiker Ort, bereits in prähistorischer Zeit besiedelt, ein architektonisch-landschaftliches Kleinod (dem Prinzip nach, was die Erhaltung der Bausubstanz betrifft), römische Festung, bis 1523 zu Österreich gehörend, dann bis 1797 zu Venedig, Befestigungsmauern des 14. Jh. … und noch viel mehr ist darüber nachzulesen. In der Realität erstreckt sich der Ort abseits der Höhenstraße auf einem plateauförmigen Hangvorsprung, von drei Gassen längs durchzogen, die von geschlossenen Häuserreihen gesäumt sind. Manches Bauwerk frisch renoviert, manches zerfallend und trotzdem bewohnt, unter einem Fenster, wo uns 2008 ein alter Mann auf Deutsch ansprach, tummelt sich noch immer eine Katzenhorde…
Der Hauptplatz mit Brunnen, riesigem Zürgelbaum vor den Bastionen und dem “Buffet Zora”, wo wir beim ersten Besuch (Mai 2008) unsere restlichen Kunar in Wein und Schinken und Kaffee umgesetzt haben. Damals unter einer blühenden Laube, diesmal zwischen ersten Blumen und wieder überaus gastlich. Durch den Portikus (einen Hausdurchgang) mit alten Wagen und anderem Gerät, wo wieder ein Katzenschwarm Reißaus nimmt, kommen wir an die Nordbastion des Dorfes. Hier öffnet sich der bezauberndste Ausblick, und die kleine Kirche St. Rochus hat nicht nur eine Loggia von 1565 unter altersgrauem Dachstuhl, sondern auch Fresken in der gotischen Bogendecke, von Antonio de Padova 1529 und 1537 datiert. Wie praktisch - durch das kleine Fenster an der Türseite kann man die vom Seitenlicht eines Langhausfensters erhellte Kapelle auch wie von innen besichtigen!
Zwei alte Kirchen befinden sich noch beim Friedhof (dort St. Elisäus aus dem 12. Jh.). Als Anni dort einen Rundgang macht (ist immer und überall interessant, hier auch wegen der alten Grabsteine mit italienischen Inschriften aus längst vergangener Zeit), hält ein belgischer Reisebus. Der eilig aussteigende Reiseleiter fragt, ob die Dame im Friedhof vielleicht die erwartete Fremdenführerin sei… so schnell könnte man hier zu Ehren kommen! Wir grüßen uns übrigens mit “dober dan”, bis wir zu “Grüß Gott!” wechseln und uns auf jeden Fall bestens verständigen können, vermutlich wäre es auch in Französisch oder Flämisch so gegangen. Die Reisegruppe auf “Kulturtour” war jedenfalls ein Beweis für die Bedeutung dieses kleinen Ortes.
Was uns noch aufgefallen ist – das Gebäude hinter der Pfarrkirche und dem frei stehenden Glockenturm ist wie andere ansehliche Häuser ganz gut gepflegt, die zerborstene Kirchenglocke liegt nicht mehr neben dem Campanile, sondern hat schon einen gehobeneren Platz. Auch gibt es Apartmani, sogar mit Sternen, vor dem Dorfeingang steht noch immer derselbe blau angestrichene Leiterwagen, und von der bäuerlichen Bewirtschaftung merkt man gerade so viel, dass kein aussterbender Charakterzug diesem Ort anhaftet…
Der Orchideenspaziergang
Gegenüber der Ortsausfahrt zieht ein Hohlweg den Berghang zum Stari Draguc (503 m) hinan. Ende Mai fanden wir links davon am Wiesenrand eine Fülle herrlichster Orchideen z. B. Adriatische Riemenzunge. Dort ist jetzt (wie auf den “Gladiolenwiesen” nahe Boljun) noch gar nichts los. Wir begehen aber den rechten und linken Ast des weiterführenden Hohlweges und finden vor allem links an der Böschung die in Schutzlage schon gerade schön aufgeblühten Purpurknabenkräuter und oberhalb in einer Föhrenheide viel Spinnenragwurz. Zum Schluss gibt es eine Wurstlerei durchs Dickicht zurück zum Weg.
Die Rückfahrt ging weiter über die Höhe westwärts, wo wir die lockenden Bergweiler leider nicht mehr geschafft haben. Dafür fuhren wir im Tal bei Cerovlje nicht auf die Schnellstraße, sondern bleiben im Tal, um im folgenden Pazin wieder im Kreis zu fahren – kommen aber richtig heraus, zu unserer eigenen Überraschung! An der Abzweigung von Beram (Marienkirche mit den berühmten Fresken haben wir schon 2008 besichtigt) vorbei geht es bald aus dem zum Limfjord führenden Tal hinaus. Tinjan und Baderna bleiben abseits unberücksichtigt, denn uns zieht es schon nach Porec – ans JADRANSKO MORE (danke an HB für diesen Originalausdruck für die Kroatische Adria).
2 Reaktionen zu “Istrien´s “weiches Herz” und das Kleinod Draguc”
@ BB
einfach toll geschrieben, eigentlich gebührt dir die “istrianische ehrenbürgerschaft” !
schade, daß du hier nicht in einem größeren kreis schreibst ( oder erscheinen deine ausführungen auch anderwärts ? )
habe begeistert vom ersten bis zum letzten buchstaben gelesen
( würde der von dir schon mehrmals so liebevoll erwähnte lokomotivführer noch leben und diese seiten lesen, der würde doch sicher sagen “ja, aus dem buben wird noch was!”
aber vielleicht hat er’s eh gesagt, wer weiß….)
HB
Danke für die “Orchideen” (um die es ja meistens in Istrien gegangen ist)!
Damit geht das Nacherleben des letzten Urlaubes im April 2010 in Istrien zu Ende. Mehr über diese ganz interessante und eigentlich leicht erreichbare Urlaubsgegend gibt es sicher noch (Touren vom Mai und Oktober 2008). Alle meine Beiträge, auch schon von länger her, sind in meinem Blog zu finden > Suche: Istrien.
Soeben selbst ausprobiert und für mich selbst erstaunlich fündig!