Istrien, letzter Urlaubstag – vor 10 Jahren…
15. Dezember 2018 von Bernhard Baumgartner
Samstag, 31. Mai 2008: Mit Nordwestwind ist es etwas kühler, aber zeitweise sonnig und daher angenehm, wechselnd bewölkt – ein idealer Tag für einen abschließenden Ausflug über die “Burgenstraße” ins Landesinnere von Istrien! Aber vorerst wollen wir uns noch im Küstenbereich aufhalten, wo wir oberhalb von Moscenice recht interessante Eindrücke sammeln konnten (Beitrag Moscenicka Draga und Bergdörfer). So fahren wir von Medveja auf der Küstenstraße dieselbe Richtung wie damals, nach der Abzweigung zur Cres-Fähre von Brestova ist es aber höchste Zeit, ins Berggelände hinauf zu kommen!
Daher nehmen wir eine unbezeichnete Abzweigung (ca. 1 km nach der zweiten Fährenzufahrt) bergwärts, vorläufig noch auf einer asphaltierten Seitenstraße mit etwas schwierig zuordenbaren Ortsnamen – der Istrien-Straßenkarte steht Kaminja (jedenfalls vor der Seitenstraße nach Filipasi), in der Ucka-Karte heißt es Ivani! Ich hab mir notiert: Bauernhof, hier besser kurz vorher bei Feigenbaum parken…. Wir nehmen die sehr schlechte weitere Auffahrt nach Kusari, erkennbar an einem schön renovierten Landhaus. Mit einer dort herauskommenden jungen Französin (Gast bei Kroaten) kommen wir ins Gespräch, es ist möglich zu parken und auf dem Fahrweg weiterzugehen, sie selbst ist noch nicht viel herumgekommen hier und wartet nur auf ihren Besuch….
Der in Kurven den sonnigen Hang hinaufziehende Fahrweg ist zwar nicht alt, aber in sehr schlechtem Zustand, also ohnehin nur zu Fuß passierbar. Als Wanderweg ideal mit herrlicher Aussicht und voll blühender mediterraner Flora, vor allem Salbei! Eine Art Durchstich führt dann in eine als DOLI bezeichnete Hochmulde mit hochstehenden Wiesenböden und einigen, recht ruderal wirkenden Ackerstreifen. Eigentlich wollten wir über den Hang weiter zum etwa 600 m hohen Bergrücken, dem südlichsten Ausläufer des Ucka-Sisol-Massivs ansteigen. Aber es zeigt sich nicht einmal die ‘Spur eines Pfades, und weglos schaut das steile Gelände nicht gerade einladend aus, also halten wir uns an die Erkundung dieses auch wunderschönen Bergkessels. Ein Hochstand auf einem Hügel weist auch auf die Nutzung als Jagdgebiet hin, und zu unserer Überraschung gibt es hier im hohen Karst auch eine von Sumpfboden umgebene Wasserlacke mit Wasserhahnenfuß und Schilfbestand u. a. sicher interessanten Gewächsen. Am rechten Rand der Mulde kommen wir zurück zum Fahrweg und gehen zum Ausgangspunkt zurück. Nach fast zwei Stunden kommen wir zum Landhaus zurück und halten unterhalb der Weiler eine schon mittägige Jausenrast.
Eigentlich geht unsere Ausflugsfahrt erst jetzt los! Vorbei am Aussichtsrestaurant Vidikovac an der Bergecke des nächsten Fjordes kommen wir die blühenden Ginsterbüschen übersäten Hänge entlang nach PLOMIN / FIANONA. Dieser Ort auf einem Hangvorsprung oberhalb der Bucht von Plomin Luka mit dem hohen Schlot eines Kohlekraftwerkes (diese wird oder wurde bei Labin und Rasa abgebaut) wirkt absolut ruinös. Noch mehr als in den anderen folgenden Orten ist geschätzt etwas die Hälfte der Gebäude verfallen, und renovierte Häuser gibt es nur spärlich. Ich habe nachgelesen, dass es sich überwiegend um die Wohnstätten von italienischen Bewohnern handelt, die nach dem Übergang von Istrien an Jugoslawien nach dem 2. Weltkrieg in ihr sprachliches Mitterland geflohen sind. Allerdings findet man auch vielfach zweisprachige Ortstafeln und Infotafeln, viel mehr Gäste kommen hierher von Italien als von Österreich und Deutschland! Baustellen behindern uns mehrfach mit ihren Umleitungen bei der Weiterfahrt – damals als wurden die Straßen gebaut, die uns heuer so überraschend gut vorgekommen sind!
KRSAN / CHERSANO: Diese Siedlung mit der am besten erhaltenen Burg Istriens leitet die sogenannte “Burgenstraße” ein, die über die Berge Inneristriens nach Pazin hinüberführt. Die Namen der Felsenburg waren auch Carsano und Kerschan (Hinweis darauf, dass sie mit der Grafschaft Pazin 1374 an Österreich kam). Wirklich ein gewaltiger Eindruck, vor allem da die Hochburg teilweise renoviert wurde, sonst erscheint die Gegend ziemlich devastiert. Auffallend wie überall hier sind die hohen und kunstvoll gebauten Kamine, bei der oft exponierten Lage und windigem Wetter anscheinend notwendig.
PICAN / PEDENA: Über diese kleine, aber beherrschend Burgstadt habe ich heuer schon im Mai berichtet. Wir erreichen den Stadt-Burg-Berg über eine weite Umleitung Richtung entfernten Zminj, parken in einer mit schattigen Bäumen bestandenen Mulde vor dem Stadttor. Der Rundgang ist auch hier eindrucksvoll, die Kirche als alter Bischofssitz (vor 524 bis 1788 eigene Diözese, die angelblich kleinste der Welt). Heuer haben wir dort sogar einer Sonntagsmesse beigewohnt, voll kroatisch volkssprachlich, und waren dann bei der fotogenen Michaelskirche gegenüber dem Friedhof und auf der Terrasse mit den Steinskulpturen daneben, die eine ganz fantastische Aussicht bietet (bis Labin!). Bei den Bildern haben wir aber eine andere kleine, mit Fresken ausgemalte Kirche festgehalten, bei der es sich nur um die Rochuskapelle handeln kann, ganz sicher bin ich mir trotz Internetsuche noch immer nicht… Der “Steinmetzen” mit den eingeschlagenen Gefäßen zum Messen der Abgaben (Getreide u. a.) sollte eigentlich neben dem Campanile stehen, doch neben der Kapelle habe ich auch einen solchen fotografiert, gibt es einen zweiten?
Die durch Umleitungen verwirrende Weiterfahrt bringt uns in vielfaches Naturgelände, und da gibt es auch einiges Blühendes zu entdecken. Dann kommen wir endlich wieder zur unbehinderten Hauptstraße und erreichen GRACISCE / GALLIGNANA. Meine Notizen dazu: Parkplatz im Sattel bei Zürgelbaum unterhalb der Altstadt – trotz vieler Ruinen sehr eindrucksvoll, hoher Turm ähnlich dem von Pican, dahinter barocke Kirche, ehemals wehrhaft. Dem Kunstführer entnehme ich nachträglich die kunsthistorisch-architektonische Bedeutung dieser Burgstadt, die Jahrhundertelang bevorzugter Sommersitz der Bischöfe von Pican war – also dort müssen wir unbedingt noch einmal hin!!! Übrigens komme ich gerade drauf, dass die beiden letzten Bilder nicht zu Pican gehörten, sondern die Kirche Maria am Platz mit Madonnenfresko darstellen! Warum diese Verwirrung (sogar nachträglich!) – es war schon Mittag, sehr müde und keine Einkehrmöglichkeit…
Eine solche fanden wir erst im nächsten Ort – LINDAR / LINDARO: Auch kleiner Abstecher seitwärts der Hauptstraße, guter Kaffee bei einer Pizzeria, weiter in die Altstadt, vorbei an einer Maulbeerallee, Rundgang, sehr netter Ort und mehr belebt! Also auch ein noch ausstehendes, zu intensiverem Besuch einladendes Ziel! Die folgenden Bilder von Lindar (wieder mit istrischem Rauchfang):
Typisch für Lindar sind tatsächlich die alten Häuser des Ortes mit ihren Kaminen und schmalen Balkonen! Der Ort hat sogar 1813 in den Franzosenkriegen eine Rolle gespielt, außerdem gibt es in der gotischen (!) Kirche St. Katharina die Fresken des “Lebendigen Kreuzes” von 1409 – die Balken des Kreuzes sind als menschliche Arme dargestellt, die die Tore zum Paradies öffnen. Also das alles steht uns hoffentlich noch bevor! Damals fuhren wir erfrisch hinunter in die nächste und größere Stadt.
PAZIN / PISINO: In der Geschichte und auch noch heute ein zentraler Ort, wo man sich leicht verfahren kann – kroatische Fußballfans haben uns den Weg gewiesen, laut pfeifend und winkend, als sie unsere österreichische Autonummer bemerkten! Das mächtige Schloss enthält ein reichhaltiges Museum, wo vor allem die bäuerliche Kultur der kroatischen Landbevölkerung im Gegensatz zur italienisch und österreichischen Oberschicht dargestellt wird (Shop mit Führern ausgenützt). Unterhalb stürzt ein Felsüberhang in ein schluchtartiges Tal ab. Diese 130 m tiefe Doline verwandelt sich bei starken Niederschlägen in einen See, der die Stadt dann wie eine Halbinsel erscheinen lässt. Dante Alighieri soll in seiner “Göttlichen Kömidie” diesen Schlund als Vorbild für seine Schilderung des “Höllentores” genommen haben!
Bei der nicht ganz einfachen Ausfahrt von Pazin landen wir noch bei einem Plodinje-Supermarkt, wo wir uns stärken und einkaufen können. Dann ein Stück Richtung Motovun und abzweigend nordwärts nach BERAM / VERMO: Die Kirche St. Martin soll sehenswert sein, ist aber geschlossen. Trotzdem haben wir Glück! Bei der Jause werden wir von einem Herrn aus Brand-Laaben angesprochen, und mit ihm kommen wir zu einer Führung in der kunsthistorisch überaus bedeutenden Friedhofskirche “Maria auf dem Felsen” (nach dem Schichtgestein, auf dem die Kirche steht).
SVETI MARIJA NA SKRILINAH / MADONNA DELL LASTRE: Die herrlichen Fresken des Vincent iz Kastva von 1474 sind vorzüglich erhalten, ganz selten auch die bemalte Holzdecke!
Neben der Kirche finden wir als zusätzliches Geschenk einen schönen Bestand von Bienen-Ragwurz! Dann die Rückfahrt – durch den Ucka-Tunnel – verlangt auch noch Ausdauer ab, aber so gelohnt haben sich nur wenige Urlaubstage!
Am nächsten Tag Heimfahrt mit Stop bzw. Abstecher in / nach Zagreb. Wir suchen den im Reiseführer angegebenen Botanischen Garten, leider ein Flop, wir hätten uns gleich bei den netten Lokalen an der Altstadt-Stiege niederlassen sollen… aber nachher ist man leicht gescheiter! Jedenfalls wundert mich heute mehr als damals vor zehn Jahren, welche Ausdauer wir bei unseren Fahrten aufbrachten!