Aus meinem Tourenbuch 1962 – St. Pöltner Weg zum Großvenediger
13. November 2017 von Bernhard Baumgartner
Teil II Von der Glockner-Gruppe zum Großvenediger
Fortsetzung meines nostalgischen Berichts! Wir sind am Weißsee bei der Rudolfshütte angekommen – damals ziemlich neu und Trainingszentrum für die Schinationalmannschaft, also ein berühmter Alpinplatz für diese Zeit.
Zu beachten (schon historisch) – Mitte Juli, Schneelage am Medelzkopf und Tauernkopf, für -Sommer-Schitouren gerade richtig! Vergleich mit Mitte August 2017: Steinwüsten mit blanken Resteisfeldern an der Dreitausendergrenze.
Obwohl wir schon allerhand hinter uns haben – Sonnblick und Hocharn, zweimal Großglockner – und schon ganz verwildert ausschauen, noch dazu Schuhe und Socken nie trocken geworden sind, lassen wir unser Ziel nicht aus den Augen. Weiter geht es zum Großvenediger, denn die Haute Route des Tauern-Höhenweges müssen wir einfach packen!
Hier stehe ich in der voll tief verschneiten Scharte neben dem Stubacher Sonnblick, schon weite Firnfelder hinter uns, aber ideales Schönwetter, über Nacht hart gefrorener Firn und endlose Sonne. Übrigens unser Sonnenschutz – damals (schon wieder damals) Tschambafi, ein angeblich von den Tibetanern stammender Gerbstoff zur Anpassung der Haut, Lichtschutzfaktor wahrscheinlich Null… Unsere Rucksäcke sind inzwischen kaum leichter geworden, aber nun geht es auf das Herzstück des St. Pöltner-Ostweges zu. Dieser führt über einige Gipfel und Grate, wobei die Amertalerhöhe so harmlos klingt, dabei schroffes und noch dazu verschneites und vereistes Felsgelände aufweist. Noch dazu liegen in diesem Sommer Unmengen von Firn – auf den Felsplatten eines Grates haushoch! Irgendwie müssen wir da durch, Abstieg – Querungen – Aufstiege zu Graten, die total vereiste Amertaler Scharte, alles eine einzige Herausforderung. Aber wir waren gerade vor dem 20. Geburtstag, ich Löwe, Werner Jungfrau, aber er der Sahib und ich der Sherpa, wobei Sahib Werner wie immer die Führung hatte.
Am Ende dieses langen Tages kommen wir über den noch völlig zugeeisten Grünsee zum Felber Tauern mit der St. Pöltner Hütte. Unser besonderer Bezug – mit der Alpenvereinssektion St. Pölten haben wir ein Jahr zuvor ein Schitour auf die Kräuterin gemacht, und ich bin heute noch Sektionsmitglied. Einen entfernt Bekannten aus meiner Heimat haben wir auch dort getroffen, den Hüttenwirt Helmut Strohmeier, wenn ich den Namen richtig in Erinnerung habe. Und am folgenden St. Pöltner-Westweg kam uns (als einzige Begegnung) die Familie Schenk entgegen, ebenfalls vom St. Pöltner Alpenverein. Wir konnten aber erst näher der Prager Hütte ihre Spuren teilweise nachgehen, bis dahin folgten endlose Querungen oft steiler Firnhänge, durch die hohen Kare über dem Tauerntal von Innergschlöss.
Unsere “Bilddichte” wurde schon spärlicher, denn Diafilme nachzukaufen gab es nur auf der Franz-Josephs-Höhe und in der Rudolfshütte. Ich glaube, jetzt bei Kodak angelangt zu sein, nachdem Werner am Ostweg sein Material verschossen hat (und mir dann mit Duplikaten ausgehalf), nach mehr als 50 Jahren ist der Kodak noch immer nicht “verfallen”, während bei den Agfafilmen sich mit Farbflecken und Punkten schon Verfallserscheinungen häufen. Zum Glück kann die Digitalbearbeitung nach dem Diascan allerhand verbessern – zumindest für den Hausgebrauch, Bücher könnte man damit nicht illustrieren!
Die Kristallwand mit dem Schlattenkees – wie weit wird dieser Gletscher in der Zwischenzeit zurückgeschmolzen sein? Danach queren wir die Gletscherzunge und blicken zurück auf unsere weite Strecke von der Glocknergruppe her.
Kondition und Wetter halten an, der Firn hinauf zur Venedigerscharte ist hart gefroren, ich glaube nicht einmal die Steigeisen haben wir gebraucht. Ein späterer Wunschgipfel zeigt sich auf dem letzten Bild mit Werner – die Hohe Fürlegg über dem Hollersbachtal. Diese wollte ich 20 Jahre später mit Anni besteigen, doch zu dieser Zeit waren die abschmelzenden Gletscher schon so spaltenreich, dass wir auf diese Tour (zu Zweit!) lieber verzichtet haben…
Bei der Kürsinger Hütte war dann Schluss, und wir stiegen nach 10 Tagen in der Hochregion, dabei oft über 3000 m oben, durch das Obersulzbachtal wieder in die “Talwelt” zurück. Allerdings mit dem Großvenediger im “Erinnerungsgepäck”, und nach all den Jahren kann ich mich eigentlich nur an die Hochgefühle und alpinen Abenteuer erinnern, viel lebhafter als an die Anstrengungen und die schweren Rucksäcke und die immerzu aufgeweichten nassen Bergschuhe… es war nur schön! Und meinem Freund Werner bin ich noch immer dankbar und verbunden für diese unvergesslichen Jugenderlebnisse.