Jüngste Geschichte und uralte Städte
20. August 2015 von Bernhard Baumgartner
Zwei Wochen im kroatischen Seline, zu viel Zeit, um nur im Meer zu baden – genug Zeit auch für interessante Ausflüge. Sowohl in den Küstenorten zwischen der Hafenstadt Zadar und der Grenze zu Bosnien, als auch bei unseren Fahrten durch diese Gegend stießen wir immer wieder auf Relikte der jüngsten Geschichte. Dass dort unfertige oder bereits wieder verfallende Neubauten herumstehen, ist man ja gewöhnt. Aber wenn plötzlich eine Straßensperre auftaucht mit Warnung von Minenfeldern? Da waren wir schon überrascht, und noch mehr davon, dass in den Wanderkarten des Nationaparks Paklenica (so die korrekte Schreibweise) der Hauptkamm des Velebitgebirges als Sperrzone wegen Minenfeldern eingetragen ist.
Hier sind wir in dem kleinen Städtchen Novigrad – unübersehbar noch immer die Schäden des jugoslawischen Bürgerkrieges, nun schon oder erst zwei Jahrzehnte zurück… Ruinen zwischen leidlich gut erhaltenen Häusern, manches Gebäude offensichtlich mühsam renoviert oder als zumeist etwas protziger Neubau prunkend. Von letzterem abgesehen erinnert mich das alles an meine Kindheit in Hainfeld (angeblich neben Wiener Neustadt die am stärksten zerstörte Stadt) noch vor den 1950er-Jahren. Ein ruinöses Fabriksgebäude – wovon die Leute hier leben, wird in einem Tourismusbüro ohne Scheu erklärt – von der Regierung, also Arbeitslosigkeit…
Fleißig gewerkt wird oben auf der Ruine von Novigrad, noch für dem EU-Beitritt schon ein europäisches Projekt? Aufstieg und Ausblick sind sehr interessant, unten neben der Straße am Meeresufer entlang geht es stellenweise lebhaft zu, also bleibt der Eindruck von Verfall und neuer Aktivität zwiespältig.
Ein Ausflug in das Gebiet bei Biograd führt uns zum Vransko jezero, einem Nationalpark an diesem als Vogelschutzgebiet berühmten Binnensee. Malerische Bilder beim Ausblick von den angelegten Beobachtungsständen, die Vögel als winzige Punkte in weiter Entfernung, trotzdem ein interessanter Natureindruck.
Während in Seline noch die Bora vom Velebit herunterbraust, besuchen wir Zadar, wie Split oder Dubrovnik ein kulturelles Muss! Aber nie mehr wieder vormittags in diese Stadt einfahren – endlose Runden durch die Altstadt auf der Suche nach Parkplätzen, die aber erst um die Mittagszeit etwas weniger dicht besetzt sind. Historische Wurzeln allenthalben, von der Antike über die Venezianer bis in die Zeit, als die Donaumonarchie noch die Adria beherrschte.
Absoluter Höhepunkt ist die Dreifaltigkeitskirche Sveti Donat, ein mehrstöckiger Rundbau aus dem frühen 9. Jh. mit zahlreichen darin verbauten römischen Relikten. Jedenfalls gäbe es noch viel zu besichtigen in Zadar, und unvergesslich bleibt uns der Mittag in einem Restaurant an der Mole mit Blick zu den vorgelagerten Inseln und vorbeiziehenden Schiffen.
Ein völlig konträres Ziel ist die Insel Pag – ein endlos langer “Bergrücken” des im Meer versunkenen dinarischen Gebirges gegenüber dem Festlandsmassiv des Velebit. Vielfach gibt es hier (fast) nur Steine, von Sturm und Sonnenglut bearbeitet, trotzdem etwa bei einer Brücke der Blick auf eine ruinöse, sicher mittelalterliche Festung.
Nach langer Fahrt kommen wir in die Stadt Pag. Hinter dem Hafen kahle Steinkulissen, darüber (im Bild markant) die Wolkenwalze der Bora über dem Festlandsgebirge. Zuvor erstrecken sich in einer Senke die “Salzgärten”, mit Meerwasser gefüllte Becken, wo durch Verdunstung das Meersalz gewonnen wird. In der Stadt dazu ein Museum und Verkaufsläden, noch besser als an das Salz (warum soll das Meersalz wertvoller sein als unser heimisches Steinsalz?) hält man sich an die delikaten Käsespezialitäten.
Bei der Rückfahrt biegen wir nach Westen ab, etwa Richtung Zadar, und kommen unvermittelt an einen wunderschönen flachen Sandstrand beim kleinen Ort Ljubac. Zum Glück haben wir aus einer Bäckerei Brot mitgenommen, und so geht es gleich unserm Käse an den Kragen! Dazu warmes Wasser und ein Strand ohne irgendwelche Einschränkungen – nur zum Hinlagern und Genießen!
Unser Ziel, nach Fahrt über Heide- und Karstflächen von vollendeter Einsamkeit erreicht, ist die Stadt Nin. Als historische und architektonische Besonderheit geht diese Siedlung bereits auf römische Wurzeln zurück. Faszinierend sind hier zwei Bauwerke – im Bild die kleine Kirche Heilig-Kreuz-Kirche aus dem 9. Jh., angeblich die kleinste Kathedrale der Welt, aber wohl deshalb so einzigartig, dass sie mit ihren den Sonnenstand berücksichtigenden Fenstern auch als Sonnenuhr und Kalender fungierte!
Die Suche nach dem zweiten architektonischen Schatz führte uns aus den Stadtmauern hinaus ins freie Gelände sumpfiger Mulden (die alte Stadt wurde schon im 12. Jh. wegen der Lage im Malariagebiet aufgegeben!). Dort erhebt sich weithin sichtbar ein illyrischer Grabhügel mit einer ebenfalls im 9. Jh. errichteten Kirche mit drei Apsiden – Sveti Nicola. Kurioserweise setzte man in der Zeit der Türkengefahr des 16. Jh.s noch einen achteckigen Wachturm auf dieses Bauwerk. Soweit ein kurzer Streifzug zu einigen kulturellen Sehenswürdigkeiten im Ausflugsgebiet von Seline, bevor es an einige Wandertouren geht.