Karsamstag – Ausflug nach Gozo
25. April 2015 von Bernhard Baumgartner
Unser “Guide” Hannes ist unerbittlich – aufstehen um 6 Uhr, Abfahrt möglichst früh vor 7 Uhr, damit wir die Fähre um halb acht noch erwischen, Frühstück gibt es erst bei der Überfahrt…
Alles klappt gut, der Andrang ist nur mäßig, und ich pendle zwischen Kaffee samt Sandwich und dem Aussichtsdeck hin und her, dann naht schon die Landung in Mgarr (“imdschar”, nicht zu verwechseln mit dem Ort an der Zufahrt zur Golden Bay). Das schöne Küstenpanorama wird beherrrscht von den Mauern des Fort Chambray (einst von den dort stationierten britischen Truppen als Verbannung empfunden, nun gibt es Pläne für eine touristische Destination), der neugotischen Kirche Our Lady of Lourdes (erbaut 1820) und der Pfarrkirche von Ghajnsielem (“ainsielem”, erst in den 1970er Jahren im Stil der lombardischen Gotik entstanden).
Mein Plan wäre gewesen, den östlichsten Zipfel von Gozo (dorthin sind wir noch nicht gekommen) zu erkunden mit direkter Auffahrt nach Nadur und Qala. Doch es ist jetzt noch so früh am Morgen, dass der Tag auch für die Fahrt quer über die Insel zur Dwajra Bay mit dem imposantesten Küstenabschnitt von Gozo reichen wird. Also Hauptstraße nach Rabat (Victoria), wo wir vor ein paar Tagen die hübsche Gartenanlage und die Zitadelle samt dem Archäologischen Museum besucht haben (das Naturmuseum war leider geschlossen). Aber eine Umleitung wegen der Straßenarbeiten im Ortszentrum zwingt uns zu einer unfreiwilligen längeren Strecke – diese führt uns schnurstracks bis zur Nordküste in Marsalforn.
Aus der Not wird schnell eine Tugend gemacht, denn der Küstenabschnitt von Marsalforn westwärts ist überaus malerisch. Bei unserer Gozo-Tour im letzten Oktober sind wir allerdings nach Zebugg hinaufgefahren – überaus lohnend und aussichtsreich! Diesmal bleiben wir auf der Küstenstraßen, die an Salzbecken entlang führt und sich dann ins grüne und blühende Landesinnere hineinwendet.
Da wartet ein erhofftes Wanderziel auf uns? Dieses Tal enthält nämlich einen langgestreckten Fjord, in dem sich bei Nordnordweststurm die aufgepeitschten Fluten wie in einem Canjon stauen sollen! Oberhalb ragt auf dem Bergrücken Gordan ein für seine Aussicht berühmter Leuchtturm, und die bunte Flora ist einfach überwältigend (jetzt im Frühling…).
Bei diesem Turm (eher kein Wachturm, sondern der Schutzturm eines typischen Gehöfts aus arabischer Zeit) blickt man auf die Bergsiedlung Zebbug hinauf. Wir bleiben aber im Tal, auf schmaler und buckliger Straße Richtung Ghasri, bis uns eine kleine Baustelle den Weg versperrt. Also noch eine Umfahrung, bis wir in Gharb in die Hauptstraße einbiegen können. Dann gibt es keinen Aufenthalt mehr, quer durch San Lawrenz (Kirche mit ganz eigenartigen kleinen Kuppeln über den Seitenkapellen!!! leider vorbeigefahren…) und bergab in die Felslandschaft von Dwejra.
Drei Wahrzeichen hat Dwajra – zunächst den “Inlandsee”, ein gewaltiger Karsttrichter, der durch einen Felstunnel mit dem offenen Meer in Verbindung steht. Im ruhigen Herbst fuhren hier die kleinen Ausflugsboote hindurch, beim hohen Wellengang des Frühjahrs war das allerdings unmöglich.
Außerhalb der schützenden Felsen tobt die Brandung, und die aus Muschelkalk mit irrwitzig vielen Fossilien aufgebauten Strandterrassen sind wie zerfressen vom Ansturm der Wellen – so zeigt sich die nördliche Bucht von Dweijra.
Der frühe Aufbruch und der Verzicht auf längere Zwischenaufenthalte, so verlockend sie auch waren, das hat sich gelohnt. Denn noch bevor der Reihe nach die Ausflugsbusse anlangen, haben wir die Naturszenerie fast allein für uns! Hauptattraktion ist selbstverständlich der neben dem “Inlandsee” zum Dwejra Point vorspringende Felsriegel mit dem Azure Window, dem “Blauen Fenster”.
Der von den Felsen der südlichen Steilküste durch einen Meeresarm (die eigentliche Dwejra Bay) abgetrennte inselförmige “Pilzfelsen” – malt. Gebla tal-General – ist nicht nur ein Naturwunder, sondern hat auch große historische Bedeutung. Auf diesem wächst nämlich eine pilzähnliche Pflanze (Cynomorium coccineum) mit ca. 20 cm großen dunkelbraunen Fruchtkörpern. Nicht als Potenzmittel, wie man nach der phallusähnlichen Form vermuten könnte, sondern als blutstillend und heilkräftig wurde dieser “Malteserschwamm” in der medizinischen Tradition des Johanniterordens für horrende Summmen an die Fürstenhöfe Europas verkauft. Sogar ein Wachturm wurde gegenüber errichtet, und Diebstähle wurden mit Frondienst auf den Galeeren bestraft! Eine erst 1968 durchgeführt Analyse erbrachte jedoch keinerlei Wirkstoffe in dieser Pflanze…
Es ist schon ein eigenartiges Gefühl, wenn man von solch außerordentlich seltenen und interessanten Plätzen Abschied nimmt und womöglich nie wieder dorthin zurückkehrt… Bei ruhiger See müsste eine Rundfahrt in der Dwejra Bay ja ein ganz wunderbares Erlebnis sein. So machen wir uns etwas besinnlich an die Weiterfahrt. Wohin soll es anschließend gehen? Zuerst wieder nach Rabat, wo ein lästiger Stau die Durchfahrt verzögert. Dann zu einem Dort mit fjordartiger Bucht an der Südküste, das wir im letzten Herbst nur kurz kennenlernen konnten – Xlendi (“schlendi”).
Schon damals fiel mir der Weg an der Südseite der Bucht auf, und diesen wollten wir nun begehen – eine nette Wanderung vom Hafen hinaus in den Fjord. Gegenüber ragen die Felsabbrüche mit dem interessanten “Höhlensteig” auf, dann biegt der Weg in eine Seitenschlucht ein, die erst nach längerer Strecke überbrückt wird. Steil hinauf werden die Heide- und Felsflächen beim Xlendi Tower erreicht.
Nicht nur die üppige Blumenwelt ist faszinierend, sondern auch die Gesteinsformationen – wir stehen auf einer den “weichen” Globigerinenkalk abdeckenden Kalkplatte, unterhalb eine Felsterrasse mit meterhohen gerundeten Abbruchblöcken! Schon um die Mittagszeit bummeln wir zurück zum Hafen und lassen uns dort in einem Restaurant gleich neben dem Stiegenaufgang zur Karolina-Höhle nieder. Ein Supergenuss, an den wir nur mehr die Rückfahrt ohne weitere Höhepunkte anschließen können…
Für die Erkundung des “Ostkaps” von Gozo bei Nadur und Qala reichte zwar die Zeit, aber unsere Energie nicht mehr. Trotzdem besuchten wir noch das Landgut Tamena, woher Hannes seine maltesischen Weine bezieht, und wo es neben den letzten Orangen auch noch köstliche Produkte aus Feigen, Paradeisern usw. gibt. Der Aufblick zu den farbenprächtigen Hügeln ist noch eine Draufgabe!
Noch rechtzeitig vor dem abendlichen Stau machen wir uns an die Rückfahrt, und von der Fähre aus gelingen mir sogar noch die beiden abschließenden Bilder dieses wunderbaren Tages.