Lauter Buckeln – Radrunde in der nördlichen Buckligen Welt
16. Oktober 2019 von Bernhard Baumgartner
Um die Landschaften Niederösterreichs kennenzulernen, empfiehlt sich – ausgenommen im “Gebirgigen” (wenn radelnder Normalverbraucher) – das Fahrrad, wobei ein E-Bike bewirkt, dass von der aufgewendeten Energie nicht zu viel an die Betätigung der Beinmuskeln (auch von “Sitzfleisch” und anderen Körperregionen) verbraucht wird. Im Waldviertel zum Beispiel hat mir schon lange “geschwant”, dass bei vielen Strecken der Radfahrer (noch dazu stromverstärkt) eindeutig im Vorteil ist. Also das Waldviertel haben wir heuer schon genossen, speziell im Thayatal von Drosendorf aus. Am letzten Wochenende war die Qual der Wahl – Leiser Berge im Weinviertel oder Bucklige Welt samt Forchtenstein? Die nebelverdächtige Wetterlage hat dann den Ausschlag gegeben, und so fuhren wir am Samstag, 12. Oktober, über Triestingtal (schon im Nebel) – Südautobahn (bis Seebenstein) – Wechselstraße – Scheiblingkirchen (benannt nach der romanischen Rundkirche) – Thernberg (bekannt als zeitweiser Sitz von Erzherzog Johann) nach BROMBERG.
In Bromberg (bekannt durch das Sommertheater, vor wenigen Jahren aufgeputzt mit dem Neun-Schätze-Star Barbara Karlich (als Hexe) Parkplatz nahe am Spar, höher oben die sicher wehrhafte Kirche. Denn kaum ein altes Gotteshaus kommt in der Buckligen Welt ohne die gegen die Türkengefahr angelegten wehrhaften Zubauten aus. Wir starteten aber im Tal, gleich zur ersten Herausforderung – 400 Höhenmeter Steigung, speziell auf dem ersten Teil der neun Kilometer hinauf nach Kaltenberg. Aber der E-Motor schnurrte so eifrig bei Turbo und Schaltstufe eins bis zwei, dass sogar die anfangs wirklich steilen Kurven kein Hindernis waren. Über den Höhenrücken mit einzelnen Weilern und dem kleine Dörfchen Schlag ging es dann schon moderater zur Höhe, aber immer noch bergauf von einem Hügel zum nächsten, statt flach oder abfallend immer nur steigend. Endlich Kaltenberg erreicht und herrlicher Blick auf die uns vom Wandern bekannte kuriose Wallfahrtskirche von Maria Schnee (Pilgerwege und Großes Niederösterreich). Die vier “Stricherl” unserer Akku-Anzeige waren inzwischen auf zwei geschrumpft – ach, hätten wir doch voll aufladen sollen… So bleibt uns nur der Ausweg, den langen Hügelbogen etwas abzukürzen, also entfällt die Schleife von Wiesmath über Hochwolkersdorf, was sich nachher zeitmäßig sogar als Vorteil herausstellen sollte.
Eigentlich wollten wir bis Lichtenegg mit seiner urigen Wehrkirche weiterfahren, so nahmen wir notgedrungen gleich gegenüber der Kaltenberg-Kreuzung die Abzweigung Richtung Hollenthon. Eine Kurve leicht bergab durch die Ansiedlung Tafern, dann schon wieder ein sanfter Anstieg zur Pesendorfer Höhe mit dem uns schon bekannten Windpark – schöner Rastplatz mit Aussichtskanzel, die Windräder schnurren gerade wegen Windmangel kaum, der riesengroße Propeller rührt sich überhaupt nicht. Das sonstige Wetter zeigt sich hingegen ideal, klare Fernsicht, vor allem auf den Hochwechsel und über die Randhöhen der Buckligen Welt auf die Nebelmeere der Niederungen. Bei der Weiterfahrt überwiegen bald die Gefällsstrecken, und dichter Wald wechselt die Feldlandschaften ab. Einzelne am Straßenrand abgestellte Autos wecken den Verdacht, es könnte hier Schwammerl geben. Aber das Absteigen hat sich nicht gelohnt, es ist wie vielfach heuer im ganzen Land viel zu trocken. Das durchfahrene Waldmassiv gehört zum Stickelberg, 881 m hoch, was dem Niveau der Buckligen Welt durchschnittlich entspricht. Eigentlich hätten wir diese Landschaft bei hochstehenden Getreidefeldern durchfahren wollen. Aber das ist sich im Hochsommer nicht ausgegangen, und nun präsentiert sich die Landschaft schon abgeerntet und voll herbstlich, wenn auch mild und angenehm freundlich wirkend.
Inzwischen geht es schon auf Mittag zu – nach längerer Abfahrt im etwas niedriger auf einem Sattel gelegenen Hollenthon angekommen, hat das Geschäft schon zugesperrt, also nichts ist es mit einer Jause. Sonst wirken die Ortschaften überraschend rege, aber Samstag ist ab Mittag geschlossen (ganz im Gegensatz bei uns zuhause, wo bis abends geöffnet ist). Kontrolle der Reichweite bei der Akku-Anzeige – noch genug Saft, dass wir nicht schon die Talfahrt nach Bromberg antreten müssen. Wäre schade gewesen, denn die folgende Strecke bis Wiesmath ist trotz Anstieg die Weiterfahrt wert gewesen. Freie Ausblicke in alle Richtungen, über die Hügelränder der “tausend Buckeln” schwappen noch die Talnebel, darüber Paradeblick vom Wechsel bis zur Hohen Wand, Schaustücke sind natürlich Rax und Schneeberg. Dann tauchen gleich zwei Kirchen auf – die entferntere ist Annaberg in Richtung Hochwolkersdorf, der nähere Zwiebelturm gehört zu Wiesmath, das auf einer Marktstraße mit Handwerksbaum bergab durchfahren wird. Nun aber links abzweigend zur Talfahrt, wobei wir bei einem Aussichtsbankerl noch eine Rast einschieben, die Landschaft ist einfach zu malerisch, um weiterzusausen.
Weiterzusausen wäre hier keine Kunst, denn zügige Kurven führen hinab ins Schlattental, nur ein kurzer Waldstopp – und gleich fünf Parasole gefunden (erster Teil des Natur-Nachmahls). Nach Einmündung der Straße von Hollenthon herab geht es beschwingt im Tal weiter, kaum Verkehr, und so landen wir nach gerade 30 km (aber mit manch Steigung gespickt) beim Ausgangspunkt in Bromberg. Zeit genug, um wie geplant über die Rosalia nach Forchtenstein weiterzufahren (mit aufgeladenen Rädern natürlich). Vorbei an der von Unmengen Autos wie belagerten Festung kommen wir in die Ortschaft hinunter und können uns im Café beim Sparmarkt endlich laben. Von der netten Wirtin erfahren wir – die Trockenheit hat sowohl den Nüssen als auch den Edelkastanien gar nicht gut getan. Noch dazu ist der uns bekannte Maronihain hinter der Kirche abgesperrt – also zurück den Berg hinauf bis zum nächsten Sattel, wo ein Fahrweg an der Nordseite abzweigt. Dort kommen wir endlich zu den ersehnten Kastanienbäumen und damit zum zweiten Teil unseres Natur-Nachtmahls. Dazwischen aber dehnt sich noch die Heimfahrt, allerdings durch die Schnellstraße über Sauerbrunn nach Wr. Neustadt gar nicht so endlos, wenn man von der nun schon aufkommenden Müdigkeit absieht… jedenfalls ein höchst erfolgreicher Aktivtag°