Tourenbuch Dalmatien IV: Fluss Zrmanja
31. Juli 2017 von Bernhard Baumgartner
Zrmanja – von Karstquellen zum Meeresarm
Der überregional wenig bekannte Fluss Zrmanja entspringt an den südlichsten Ausläufern des Velebitgebirges (nahe den sogenannten Dinarischen Alpen) halbwegs zwischen den größeren Städten Gradac und Knin in einer einsamen, aber nahe den Hauptstrecken von Bahn und Straße gelegenen Berg- und Hügelgegend (Zrmanjo vrelo, Nadvrelo, südlich von Otric). Zuerst nach Süden fließend wendet sich die Zrmanja bald in westnordwestliche Richtung in einem dem Gebirgsstreichen entsprechenden Tallauf. Wo dieser sich dem Velebitgebirge annähert, ist in die eher hochflächenartige Landschaft ein markanter und völlig naturbelassener Schluchtlauf eingeschnitten – Hauptanziehungspunkt für Rafting- und Kajaksport! Die Schluchtstrecke endet bei einem Wasserkraftwerk (Pumpspeicherwerk Muskovci) mit Staubecken , das über einen Druckstollen aus dem Landesinneren bei Gracac versorgt wird (auch zur Aluminiumerzeugung aus den verstreuten Kaolingruben ausgenützt, vermutlich bis zu den Zerstörungen der Fabriksanlagen im Jugoslawienkrieg). Die erste größere Ansiedlung ist das noch immer mit den Kriegsfolgen ringende Obrovac. Nun verläuft das gewundene und sogar schiffbare Flusstal weiter bis zur Mündung in das Binnenmeer Novigradsko more, das wiederum mit dem Velebit-Kanal in Verbindung steht (überbrückt von Straße und Autobahn Richtung Zadar). Insgesamt hat der Flusslauf eine Länge von 69 km, touristisch interessant ist vor allem die Schluchtstrecke mit ihren aus Kalksinter und Pflanzenablagerungen gebildeten Katarakten, ausgezeichnet durch smaragdgrünes klares Wasser zwischen den meist kahlen, felsigen Steilhängen. Zwar sind Katarakte und Canyon der Zrmanja nicht so berühmt und attraktiv wie etwa Plitvice oder Krka, aber dieses Naturgebiet steht jedenfalls unter Betreuung durch den Biosphärenpark Velebit.
Samstag, 13. Mai 2017
Berberov bug und Zrmanja-Canyon
Noch vor der hohen Brücke über die Meerenge bei Maslenica biegen wir auf der Straße Nr. 54 (Richtung Gracac) ab und kommen bald zu einem Aussichtpunkt in den letzten Abschnitt der Zrmanja vor ihrer Mündung in das “Novogradsker Meer”. Wir befinden uns in einer herben Karstlandschaft – Geröll und Felsplatten, darauf Dornbüsche und Wacholder und Hartlaubgewächse, allerdings auch ein paar pannonisch anmutende Blumen. Die Szene ist aber reizvoll durch den Aufblick zu den Felszacken des Gebirges und dem im Talgrund sich dahinschlängelnden Fluss. Irgendwo müssen wir da hinunter, aber nicht nach Obrovac (das bleibt uns für die Rückfahrt). Die nächste Abzweigung ins Tal bei Muskovici endet (weil zu früh abgebogen) beim Kraftwerk, wo das abgearbeitete Wasser des Velebit samt dem Flusswasser mit überschüssigem Strom wieder in den Speicher bei Gracac hochgepumpt wird. Hier gibt es aber keine Weiterfahrt, nur abgesperrtes Werksgelände. Also wieder hoch zur Seitenstraße und in längerer Fahrt den Hang entlang bis zu einem scharfen Schluchteinriss. Da ist endlich der Fluss, und um eine scharfe Ecke biegend kommt unser erstes Ziel in Sicht.
Eine Gastwirtschaft mit allen Anlagen eines beliebten Ausflugszieles befindet sich am breiten Gewässer, das blau schimmernd zwischen die grünenden Hügel eingelagert ist. Und voraus stürzt die Zrmanja über eine hohe Fallstufe herab, ein gischtendes Hufeisen quer über den ganzen Talboden.
Wie auf einem “Wasserfallsteig” geht man von einem wunderbaren Blickpunkt zum nächsten, bis die obere Kante der Fallstufe erreicht ist und wieder ruhiges Wasser sich bis zur Eisenbrücke erstreckt. Dort kann die Fahrt talaufwärts weitergehen…
Am nördlichen (orographisch, in Fließrichtung, rechten) Ufer führt noch ein Güterweg zu zwei kleinen Weilern. Über die Eisenplatten ans gegenüber liegende Ufer holpernd, gelangt man zu einer Seitenstraße des gegen Bilisane verlaufenden Höhengeländes mit der Zufahrt über Obrovac. Soweit zur Orientierung, die nach den Straßenkarten nur mangelhaft erfolgen kann. Zum Glück steht hier eine Infotafel des NP Velebit mit einer genauen Karte… Wir gehen das ganze Gelände beiderseits der Eisenbrücke noch zu Fuß ab (die Örtlichkeit beim Gasthaus ist in der Karte mit Runjevi vrack bezeichnet, eher findet man sie als Ausgangspunkt für die Kajak- und Raftingfahrten angeschrieben). Dann zurück zum Auto und talaufwärts die noch asphaltierte Straße entlang. Nach einem überraschend pompösen Landsitz folgen über Svinjski Dolac eine Kehre mit schöner Aussicht und die recht armseligen Gehöfte Dramotici.
Dann geht es auf Schotter weiter, wir bleiben aber in der nächsten Biegung stehen, weil wir von unserem letzten Ausflug wissen wie schlecht die Weiterfahrt sein würde. Vom linken Bergrand aber ergibt sich hier der beste Blick in den Canyon der Zrmanja, und wir können im teils ruhigen, teils über kleine Schwellen verlaufenden Fluss sogar die Raftingboote beobachten.
Nun geht es an die Rückfahrt, die auch noch einen überraschenden, fast oskuren Eindruck bietet. Zuerst zur Kreuzung vor der Eisenbrücke, nun aber links (an derselben Talseite bleibend) auf der schmalen Asphaltstraße weiter. Dieser verläuft eine längere Strecke noch eine Mulde entlang, wo plötzlich ein kleines Kircherl auftaucht – Sveti Jovan, umgeben von einem alten und sogar noch aktuell in Benutzung stehenden Friedhof. Eine solche Stätte birgt immer wieder etwas Interessantes, und wenn es ein Gefühl für die Lebensverhältnisse der hier in der Einschicht verstreuten Menschen geht.
Dann geht es denn Berg hinauf zur lokalen Hauptstraße in der Streusiedlung Bilisane und über Obrovac zurück nach Seline. Der interessantere Unterlauf der Zrmanja liegt hinter uns, aber es fehlt noch die wildeste Schluchtszenerie beim Karstwasser von Krupa…
Montag, 15. Mai 2017
Krupa – Tal und Kloster
Dieser Tag verlief anders als geplant, denn (anschließend an den Naturweg Karisnica) gab es nachmittags noch eine Weiterfahrt zur Krupa, dem wichtigsten Seitental der Zrmanja. Damit ist schon der Nachteil dieses Unternehmens gesagt – zwar sehr interessant, aber für die entscheidenden Passagen in der Krupa-Schlucht oder vorher noch zur Krupa-Quelle war es zu spät…
Um 15.30 Uhr Abfahrt vom Franziskanerkloster in Karin mit dem Ziel, durch das mittlere Tal der Zrmanja (oberhalb der Schluchtstrecke) zur Krupa zu kommen. Krupa bedeutet – eine mächtige Karstquelle, ein “fast schon verschollenes” Dorf, den wildromantischen Zubringer in die Zrmanjaschlucht. Also allerhand Programm für einen Nachmittag, der sich langsam bewölkt zeigte.
AB Karstberge südlich der Zrmanja
Die Strecke bis zur Querung der Zrmanja bei Kastel Zegarski (dort beginnen auch Raftingfahrten in die Schlucht) bedeutete über 30 km auf uns unbekannten Straßen durch sehr zerstreut besiedeltes Höhengelände oder menschenleere Waldgebiete. Von der Straße Nr. 27, die Obrovac mit Benkovac verbindet (Frontgebiet während des Jugoslawienkrieges), abzweigend durch Donji Karin (mit einer antiken Fundstätte namens Corinum) nach Popovici. Eine große Kirche taucht auf, irgendwie kommen wir ihr nicht nahe, aber Richtung Nordosten haltend erreichen wir eine in der Straßenkarte gelb eingezeichnete Strecke, die von Benkovac kommt. Die nächste im Nachhinein notierte Ortschaft ist Bruska, kaum ein paar Häuser, aber immer noch Busstationen. Nun soll es nur mehr ziemlich geradeaus, zumindest bei allen Kreuzungen, bis Kastell Zagorski gehen. Dann nähern wir uns dem Bergzug der Bukovica mit einem durch ein großes Kreuz bezeichneten Sattel beim Weiler Klanac, eher wie eine Alm wirkend als eine Ansiedlung. Plötzlich endet die Asphaltbahn, und es geht auf wechselnd grobem Schotter immer zügig bergab durch buschartige Waldbestände ohne irgendeine Ansiedlung, fast 10 km lang…
Endlich tauchen Häuser auf, eine Ortschaft mit dem Namen Kastell Zegarski. Man würde sich ein Burg- oder Schlossruine erwarten, aber es gibt nur halbwegs erhaltene und offensichtlich bewohnte Häuser neben leer stehenden oder ruinösen Gebäuden. Unten am Fluss jedoch eine massive steinerne Brücke. Sie wirkt wie ein Grenzposten und war es wohl auch in den immer wiederkehrenden Kriegszeiten (von Venedig und Österreich gegen die Türken bis zu Kroaten gegen Serben). Immerhin sind wir hier auf einer Asphaltstrecke gelandet, die von Obrovac in das Gebiet im Knin führt. Der folgende Berganstieg heißt Nadvoda (“Überwasser”), und eine Wegkapelle erinnert daran, dass es nun bald auf das Manastir Krupa zugeht, das hoch am Berg schon von fern sichtbare Kloster.
Jenseits des dicht bewaldeten Bergrückens geht scharf rechts und leicht zu übersehen die Seitenstraße nach Krupa ab. Sie sollte weit hinauf führen, zu vielleicht schon unbewohnten Siedlungen auf den noch immer über 1000 m hohen Ausläufern des südlichen Velebit, deren Abhänge den Talschluss überragen. Wir bleiben aber nur, so weit der Asphalt reicht, und kommen in eine fast unwirkliche, aus fernen Tagen zurück gebliebene Welt – Krupa.
Am malerischen Fluss wechseln eher dürftige Häuser mit steinernen Ruinen, Schafe und Ziegen wohl als einzige Lebengrundlage der Bewohner, sicher aber zur sommerlichen Hauptsaison das Ziel von Ausflüglern, weil diese Karstgegend so berühmt ist. Wir halten vor einer altertümlichen, aber noch gut erhaltenen Mühle mit starkem Wasserzulauf durch einen aus Stein gefügten “Fluder” (Wasserkanal), unter dem Steinhaus der schon stillgelegte Mühlgang, daneben rauscht üppig das Wildwasser der Krupa daher. Woher es kommt? Es soll aus einer mächtigen Karstquelle entspringen, die wir anschließend suchen. Den mächtig Wasser führenden Bach bei der nächsten Abzweigung entlang gehend, kommen wir aber nur zu einer “renovierten Mühlruine”…
Dass sich anschließend ein umzäuntes Firmengelände mit Neubauten erstreckt, ermuntert uns auch nicht, einen Weiterweg zur Quellhöhle zu suchen, zumal auch noch das Kloster auf uns wartet… Wasser haben wir nun ja genug gesehen, also zurück zur Straße Richtung Kloster. Aber wo diese den noch immer jungen Fluss Krupa quert, gibt es wieder eine Steinbrücke und malerische Bilder.
Anni hat gerade noch die Stelle festgehalten, wo der Fluss Krupa aus den Hochtalmulden in das Felsinferno der Schlucht eintritt und später im sogenannten Krupa-Delta in die Zrmanja mündet. In zügiger Auffahrt geht es dann weiter zum Manastir Krupa, dem größten von fünf serbisch-orthodoxen Klöstern in Kroatien, 1317 gegründet und heute nur mehr vom Abt als einzigem Mönch bewohnt. Die Anlage ist höchst “altehrwürdig” und noch dazu offensichtlich in bestem Zustand, obwohl Serbisch und Orthodox nicht gerade gefragt sein dürfte in Kroatien (eigentlich ein Kompliment für dieses junge EU-Land).
Eine teils recht kühn angelegte Bergstraße führt dann hinauf zu den Hangflächen von Golubic. Hier könnte man hinab zum Krupa-Delta gelangen, an diesem Tag schaffen wir das aber nicht mehr, und wer weiß ob wir überhaupt wieder einmal hieher kommen… Jedenfalls gelangen wir auf der aussichtsreichen, von Gracac kommenden Hauptstraße durch die Steilhänge der Velebitausläufer wieder hinab zu den flacheren Gefilden nahe Obrovac und weiter zurück nach Seline.