Buchers / Pohori na Sumave: Friedhof in einem “Ort der Vertriebenen”
21. September 2016 von Bernhard Baumgartner
Wenn man in einen (womöglich) fremden Ort kommt, ist es auch immer wieder interessant oder sogar aufschlussreich, den Friedhof zu besuchen. Ich denke etwa an Zlabings / Slavonice in Südmähren (an der Strecke nach Telc) oder an das gemischtsprachige Gebiet in Kärnten, also überall wo verschiedene Volksgruppen aufeinander treffen und nach oft lebenslangem Zwist dann im Friedhof unweigerlich nebeneinder zu liegen kommen…
Noch eindringlicher wird ein solcher Friedhofsbesuch im Grenzland von Tschechien, wo viele Siedlungen entlang dem Eisernen Vorhang nach dem 2. Weltkrieg großteils abgekommen oder sogar völlig verschwunden sind. Ein typisches Beispiel dafür ist Buchers, das wir schon mehrfach und zuletzt beim Kirtag am 11. September besuchen konnten. Ich möchte den für mich besonders eindringlichen Bildern nur ein paar Gedanken hinzufügen…
Am Kirtag ist der von uralten Bäumen umgebene Friedhof selbstverständlich ungleich mehr als sonst besucht und gepflegt, soweit es in der eigentlich verfallenen Anlage möglich ist. Wieviele Besucher aus Interesse kommen oder ob sie ihre alten Familiengräber aufsuchen, lässt sich schwer abschätzen. Denn die zum Zeitpunkt der Vertreibung Geborenen, sind heute auch schon in den Siebzigern, von den damals Erwachsenen werden nur mehr wenige am Leben sein (ich wiederhole das folgende Bild, weil es so eindringlich dazu passt).
Die meisten noch erhaltenen Grabsteine oder Kreuze mit Inschriften stammen von Sterbedaten im späten 19. Jahrhundert, so im Bild das Grab eines Priesters mit dem von seiner Schwester gestifteten Stein.
Um dieses Grab dürfte sich noch jemand kümmern, denn obwohl das Kreuz nur aus Holz besteht, ist ein aktuelles Gedenkbild hinzugefügt – Hilda Altmann * 1934 und + 2015. Und wer wird noch der Kinder gedenken, die in diesem frisch hergerichteten Grab liegen? Koppenberger Friedrich * 1937 und + 1942, Hermine * 1939 und + 1940…
Viele Gräber in dem gar nicht so kleinen, von einer (nur) teilweise gut erhaltenen Mauer umgebenen Areal sind bereits völlig im Boden versunken oder nur mehr als mit Gras bewachsene Hügel erkennbar. Von manchen ist der Granitsockel übrig geblieben, das meist gusseiserne Kreuz oft nur mehr in Resten erhalten, die aber ihre ursprüngliche Form noch gut erkennen lassen. Stein und Eisen überdauern eben Zeiten länger als ein Jahrhundert…
Das aus der Erde lebendig gewachsene Holz kehrt wie die vergehenden Reste der einst Lebenden wieder in den Erdboden zurück, und bald wird von diesem Kreuz nur mehr der Korpus übrig bleiben.
Wie das alte, vor 70 Jahren ausgelöschte Buchers leben die hier Begrabenen nur im Gedenken ihrer Nachfahren weiter, wenn sie auch in alle Richtungen verstreut wurden und manche nur zum Kirtag vielleicht hierher kommen – bald nicht einmal mehr die Kinder, und ob die Enkel und Urenkel sich an die alte Heimat ihrer Familien erinnern ?