Ein “anderes Ostern” in Malta
26. April 2015 von Bernhard Baumgartner
Der Karfreitag wird tiefernst, in gedämpfter Stimmung begangen, die Passion Christi in traditionellen, oft sehr drastisch gestalteten Umzügen dargestellt. Der Ostersonntag hingegen wird mit überschäumender Freude gefeiert – eigentlich wirkt das ebenfalls traditionelle Geschehen eher wie ein “Kirtag”, mit Standeln und Spielzeug für die Kinder, die wie die meisten Teilnehmer festlich gekleidet und herausgeputzt sind. Der Karsamstag ist unauffällig, wenn man vom Fehlen der Kirchenglocken absieht. Diese erklingen erst spät abends, begleitet von Musik und Feuerwerksgeknatter. Wir bekamen davon leider nicht viel mit, denn nach dem Ausflug nach Gozo hatten wir uns schon zur abendlichen Ruhe zurückgezogen… obwohl Anni sicher noch gern ausmarschiert wäre. Aber wohin? Die nahe Kirche mit ihrem Glockenspiel hatten wir noch nicht einmal tagsüber entdecken können, geschweige in der nächtlichen Dunkelheit…
Nach zügiger, ungehinderter Zufahrt (der Ansturm der Teilnehmer und Schaulustigen hat noch nicht eingesetzt) werden wir vor den Mauern von Vittoriosa (oder Birgu) abgesetzt. Dort soll einer der berühmtesten Ostersonntag-Umzüge stattfinden, aber tatsächlich erkennen wir später noch viele andere “Schauplätze” – woran? An den von Balkonen herabgestreuten Papierschnitzeln!
Bald füllen sich die Straßen, aber anscheinend weiß niemand, wann und wo “es losgeht”. So gehen wir die Straße bergab zu einer besonders großen Kirche, St. Laurenz, an deren zum schmalen Hafenbecken des Dockyards Creek abfallenden Mauern das als monströs beschriebene Denkmal zum Abzug der britischen Truppen 1979 angebracht ist.
Bei der etwas weiter entfernt und höher gelegenen Kirche der “Unbefleckten Empfängnis” kommen wir dann gerade zum Auszug der Ostersonntagsprozession zurecht.
Doch nun zurück zum Hauptplatz, dem Victory Square mit einem Siegesmonument samt Hl. Laurentius von 1705 und gleich daneben in einem Seitenwinkel dem La Valette Museum. Alles in diesen winkeligen Gassen erinnert daran, dass hier das alte Zentrum des Maltesischen Hafens liegt, noch vor der planmäßigen Gründung Vallettas entstanden und während der türkischen Belagerung gerade noch erfolgreich verteidigt. Neben dem Inquisitorpalast (sicher auch ein interessantes Museum in diesem festungsartigen Bau) rücken wir dem Hauptplatz näher, hier stauen sich die Wartenden – und es passiert nichts…
Die vorgesehene Zeit ist schon längst überschritten, als uns eine nette ältere Frau sagt – der Auferstandene bleibt wegen der etwas drohenden Regenwolken in der Kirche, und sie gehe jetzt heim kochen. Na, jetzt wissen wir Bescheid, und als kleinen Dank kann ich sie darauf hinweisen, dass ihre Handtasche aufgegangen ist und so zum Zugriff direkt einladet…
AB In der St. Laurenz-Kirche, hier steht die nicht zur Prozession gebrachte Auferstehungsstatue.
So, das war´s nun wohl… Wir wollen uns noch ein wenig umschauen und gehen das gegen Senglea gelegene Hafenbecken entlang, vorbei am Maritime Museum und an einem kleinen Becken, das einst der Galeerenhafen gewesen ist. Oberhalb ragt das Fort St. Angelo, wie in dem 2012 erschienen DuMont-Reiseführer angegeben, noch immer nicht zugänglich. Der schönste Ausblick soll aber ohnehin von der Vedette des Fort St. Michael, gegenüber an der Spitze Sengleas, möglich sein – aber überallhin kann man nicht laufen…
Wir lassen uns nicht von der einladenden Bootsfähre verlocken, sondern spazieren am Dockyard Creek entlang auf Bormla zu. Dieser Teil der “Three Cities” ist das Arbeiterviertel rund um den Grand Harbour mit Industriebetrieben und Hafenanlagen. Die Straße entlang des Kais heißt Triq Dom Mintoff, der hier als Kind einer Arbeiterfamilie aufgewachsen ist und langjähriger Ministerpräsident von Malta war, Führer der Labour Party, irgendwie kommt mir vor “ein Kreisky von Malta” (allerdings nicht in Bezug auf die Herkunft).
Es lohnt sich, den Reiseführer genau zu studieren, denn im Hintergrund sieht man an einem Gebäude wie einem “Volksheim” das Embleme des St. George Band Clubs – dieser zu den ältesten Clubs Maltas zählende Verein richtet am 8. Dezember ein berühmtes Fest aus, an einem kirchlichen Feiertag, irgendwie für Malta typisch. Die Kirche der “Unbefleckten Empfängnis”, die wir anfangs mit der Prozession gesehen haben, soll alle Bombardierungen der Hitler- bzw. Göring-Luftwaffe heil überstanden haben…
Schon auf dem “Abmarsch” zu dem irgendwo bei den doppelten Festungsmauern der Margerita und Cottonera Lines fahrenden Bus (hier ist ja der Verkehr momentan ausgesperrt) kommen wir dann zum intensivsten Erlebnis dieses Ostersonntags. Festliche Stimmung, ausgelassen wie es sich für einen echten “Kirchtag” gehört – alles schaut und alles zeigt sich, und bei einem Schnappschuss nachfragend, sieht man nur freundliches Lachen und hört einen offensichtlich stolzen Redeschwall – sind die Kinder nicht lieb herausgeputzt?! Freilich, der ganze Stolz ihrer ebenso festlich gestimmten und gekleideten Eltern und Großeltern…
Und nun passiert etwas ganz Unerwartetes und Unerhofftes – eine weitere Prozession hat sich formiert! Es sind nicht die kirchlichen Beteiligten, sondern einfache Jungen und Männer in Alltagsgewand, die nun die Auferstehungsstatue tragen!
Kaum dass abgestellt wird, hat schon ein Opa seine Enkelin zum Fotografieren auf den Sockel der Auferstehungsstatue gesetzt, und das geht flott so weiter, vielleicht soll so den Kindern Glück gebracht werden?
Während der kurzen Pause für die schwer beanspruchten Träger stützen Buben mir kurzen Stangen die Statue ab. Doch plötzlich sausen sie blitzschnell an uns vorbei, und ihnen folgt im (unpassenderweise “höllischen”) Laufschritt die Mannschaft mit dem Auferstandenen. Gerade dass wir noch zur Seite springen können, und Hannes berichtet uns später von eine Bekannten, der das nicht gelungen war und die niedergerannt wurde… Unglaublich, aber mit viel Glück im Bild festgehalten!
So entschwindet dieser verblüffende “Auferstehungslauf” aus unseren Blicken, und wir gehen durch die Festungstore zum Bus, um nach Valletta und nach Sliema zurückzufahren. Aber der Tag ist noch nicht zu Ende, und am Abschluss dieses erlebnisreichen Ostersonntags kommen wir sogar noch zu einer Zirkusvorführung und einem stürmischen Orchideenbummel…
1 Reaktion zu “Ein “anderes Ostern” in Malta”
Danke für den großartigen Bericht. Ja, die Südländer tragen ihr Herz offen. In Sorrent erlebten wir einmal eine Karfreitagsprozession – sehr beeindruckend!