Milde Wintertage in Malta – leider oder besser nur virtuell?
9. Januar 2015 von Bernhard Baumgartner
Wenn ich heute rings um Haus ganz schön viel Schnee liegen sehe und weiß, dass drinnen in Annaberg etwa noch viel mehr ist, möchte ich nicht weit im Süden sein. Wenn aber mit den angekündigten Stürmen und der mittelatlantischen Warmluft der Winter wieder verschwunden sein wird, wünschte ich mir vielleicht doch wieder einen solch schönen Tag in Malta, wie wir ihn am 7. Oktober erleben konnten…
Die Hop On * Hop Off Touren mit den Sightseeingbussen sind eigentlich eine Supereinrichtung. Da kann man alle Sehenswürdigkeit anfahren, beliebig aussteigen und sich aufhalten, dann wieder weiterfahren zum nächsten Halt. Nur darf man nicht übersehen, dass die Zeitspanne der Busrunden von 9.30 bis 17.00 Uhr dauert, und allein für die reinen Fahrzeiten werden 2 1/4 Stunden verbraucht, wenn alles gut geht… An unserer “gemischten” Erfahrung sind wir wohl selbst schuld, denn wir starteten erst mit zwei Stunden Verspätung am Valletta Waterfront Terminus, den wir allerdings nach überraschend kurzem Suchen finden konnten. Obwohl wir im weiteren Verlauf zwei Stationen ausließen, blieb uns zum Schluss bis zum letzten Bus zu wenig Zeit – ausgerechnet für den Mnajdra Temples…
Nachdem wir schon ein paar Tage unterwegs gewesen waren und noch immer keine der berühmten steinzeitlichen Kultbauten gesehen hatten, war es jetzt höchste Zeit dafür. Was uns zur Südroute der Citysightseeingtour verlockte, war auch gleich der erste Stop – Tarxien (“Tarschien”).
Nach etwa 15 Minuten rasanter Fahrt landeten wir mitten in einem Stadtgebiet, und erst mühsam mussten wir nach spärlichen und unauffälligen Wegweisern diese berühmte archäologische Stätte suchen. Zunächst kamen wir zum Hypogeum, der am eigenartigsten und tief in den Untergrund reichenden Anlage. Sie ist das unterirdische Abbild der Megalithtempel Maltas, wurde inmitten von einem überbauten Gebiet 1902 beim Bau einer Zisterne entdeckt und wird als Grabhöhle oder Kultstätte eingeschätzt. Aber um durch zu intensiven Besuch keine Schäden anzurichten, ist der Zugang nur mit Führung möglich, und dafür muss man sich schon Monate vorher anmelden (bei einer organisierten Tour würde es wahrscheinlich nicht so lang dauern, und auch deshalb sollte man am besten ein solches Unternehmen – auch rechtzeitig – buchen). Immerhin dürften wir das Schicksal, davor zu stehen und nicht hinein zu dürfen, mit vielen anderen Besuchern teilen, denn der Portier hatte schon einen Handzettel mit Wegweiser zum nächsten Schauplatz bereit…
Diese bedeutendsten Funde aus der megalithischen Zeit Maltas von 3000 bis 2500 v. Chr. sind vorbildlich zur Besichtigung zugänglich gemacht, Stege führen quer durch die Steinbauten und ganz nahe an die wichtigsten Details heran. Bizarr ist der Hintergrund dieser steinzeitlichen Bauten, nämlich die Häuserfronten des umliegenden Stadtteils Paola. Inzwischen aber war es bereits Mittag vorbei, pralle Sonne und Wartezeit bis zum nächsten Bus fast eine Stunde… Unsere Stimmung sank trotz Cola und Sandwich immer tiefer, und unsere Beine fühlten sich bald so an, wie die “Füßchen” des Tempelbaues unter dessen Gewicht gestöhnt haben könnten.
Endlich kam der Bus, wir hinauf aufs Oberdeck, und weiter ging die Fahrt in weitem Bogen durch dicht verbautes Gebiet zurück zur Bucht bei Valletta, wo die Landzunge von Vittoriosa mit ihren eindrucksvollen Kirchen und Festungsbauten sicher überaus sehenswert wäre. Wir “schwänzten” diesen Stop aber, um etwas Zeit zu gewinnen, blieben auf dem Bus sitzen und stiegen erst beim nächsten Halt in der “Fishing Village” Marsaxlokk (“marsa-schlock”) aus.
Von der Busstation neben der Kathedrale zieht die Mole in weitem Bogen um den Hafen herum, wahrlich malerisch! Alle paar Schritte wird man zum Fischessen eingeladen oder besser aufgefordert, und schon höchst labungsbedürftig lassen wir uns auch unter den sogar Anfang Oktober noch angenehmen Sonnenschirmen nieder.
Marsaxlokk ist ein ausgeprägter Fischereihafen, voll mit den typisch bunten Booten, und das anscheinend nicht nur als Staffage für den Fremdenverkehr, denn selbst die primitivsten Schifferl sind hier wie selbstverständlich in Gebrauch. Die Anlage vor dem Hafen mit ihren Schloten stört kaum den Eindruck, man muss halt nur beim Fotografieren etwas aufpassen, nicht diesen unpassenden Hintergrund mit ins Bild zu bringen…
Gerade noch rechtzeitig für einen längeren Spaziergang durch den Hafen erheben wir uns aus dem Schatten, und zu sehen gibt es hier noch Stimmungsvolles genug.
Pünktlich geht die Fahrt dann quer über den Südostteil der Insel weiter, am Flughafen vorbei und Richtung Südküste.
Durch ein typisches Trockental führt die Straße bergab auf die Küste zu, die Steinmassen wachsen beiderseits immer höher, dann öffnet sich der Felsspalt und der Blick geht hinaus aufs Meer.
Die Kalkformationen sind wirklich gewaltig, besonders natürlich hier an der südlichen Steilküste. Die Bootsfahrt in die Blue Grotto wird vormittags empfohlen, weil die Höhlung mit ihrem blau schimmernden Wasser von der Sonne ausgeleuchtet wird. Am Nachmittag sind wir leider schon zu spät dran, und außerdem läuft uns die Zeit förmlich davon – nächstes Ziel sind die beiden Tempelanlagen Hagar Qim und Mnajdra.
Der gelblich-ockerfarbene Kalksandstein gilt als der “Schatz Maltas” und als seine einzige Rohstoffquelle. Leicht zu bearbeiten, ist er das ideale, bis heute bevorzugte Baumaterial, und seine Eigenschaften übertreffen den modernen Beton sicher weitaus. Die hohen Sommertemperaturen konnten so Jahrtausende lang überstanden werden, während beim gegenwärtigen Bausystem Klimaanlagen vorausgesetzt werden – wahre Stromfresser, und das nicht über den “Erdölseen” in der Tiefe wie am Persischen Golf… Übrigens ist Wasser auf Malta sicher kostbarer als Erdöl, denn die Insel gilt als die Weltgegend mit den geringsten Wasservorkommen!
In älteren Reiseführern (vor 2000) wurde schon angedeutet, dass so berühmte archäologische Stätten (wie etwa das Hypogeum) für Besucher gesperrt werden müssten, um langfristige Umweltschäden zu vermeiden. Hier im freien Gelände könnte es wohl auch der weltweit “saurer” gewordene Regen sein, der die Steine schneller verwittern lässt als in den vorindustriellen Epochen. Seit dem Beitritt Maltas zur EU haben sich die Finanzierungsverhältnisse so verbessert, dass große Schutzprojekte verwirklicht werden konnten. So sind die beiden Tempel Hagar Qim (“hadschar-`im”) und Mnajdra (“imnajdra”) seit 2009 unter riesigen Zeltdächern verschwunden. Den ursprünglich viel gewaltigeren Eindruck muss man sich also nach Abbildungen ausmalen (im zweiten Bild dieses Berichtes ist ein Rest von Hagar Qim frei stehend zu sehen).
Das Panorama zeigt das Gelände zwischen Hagar Qim mit dem befestigten Zugang zum ziemlich entfernten Mnajdra-Tempel, der ebenfalls überdacht ist. Hier müssen wir leider “passen”, die Zeiger der Uhr rücken schon auf 16.00 vor, und um 16.15 fährt der letzte Bus zurück nach Valetta. So machen wir nur einen kurzen Rundgang und nehmen uns vor, wie zur Blauen Grotte sicher (und nicht “einmal” irgendwann) wieder zu kommen.
Im Gegensatz dazu der Blick über nichts als Wasser rings um den “wie ein Planet im Weltall” im Mittelmeer ausgesetzten Inselfelsen von Malta. Hier wirkt die Einöde fast beklemmend, und wie sehr müssen einst die hochragenden Megalithbauten die Menschen beeindruckt haben!
Eine zwar nur halbstündige Autobusfahrt zurück zum Phoenicia Hotel in Valletta bildet den Abschluss dieses Tages. Trotz heftigem Wind, der zum Glück wüstenhaft warm ist, sitzen wir auf dem Oberdeck und lassen die Landschaft und zuletzt die Stadtgebiete an uns vorbei ziehen. Ein interessanter Tag, aber wahrlich anstrengend, noch dazu weil uns als Abschluss noch die Busfahrt von Valletta über Sliema nach Paceville zu unserem Domizil bevorsteht… Aber am nächsten Tag soll es trotzdem auf die Insel Gozo gehen, denn unser Sohn Hannes hat sich dafür frei genommen, also “alle Viere” von sich strecken und “Gute Nacht!” Als Schlummertrunk dient wie täglich der MARSAMENA, ein köstlicher Rotwein von Gozo, dessen Herkunft wir bald kennenlernen sollen…